In der Unterwelt der GesundmachungszentraleDichter Innenteil

Die Abenteuer des Herrn Hüseyin (28)

Herr Hüseyin ist seit langem nicht beim Arzt gewesen. Die Bläschen an seinen Händen lassen ihn nicht in Ruhe. Jedes Jahr zur gleichen Zeit kleine Bläschen an beiden Händen, und nach einer Zeit verschwinden sie wieder, wie die Zugvögel. Aber heuer bleiben sie! Daher nützt Herr Hüseyin einmal das Sozialversicherungssystem des Landes aus. Nach 2,5 Stunden Wartezeit ist endlich unser Hüseyin dran. Die Visite bei der Ärztin dauert nicht einmal 5 Minuten. Hüseyin hasst Arzttermine! Ein Mal in seinem Leben war er im Spital. Und das, weil er dort seinen Zivildienst gemacht hat.Er hat sogar ein Jobangebot vom Röntgeninstitut bekommen, damit von seiner Freundlichkeit den Kranken etwas zugutekommt. Das ist nicht die Welt unseres Hüseyin. Er liebt das Lebendige. Die Musik, das Tanzen, Kunst und Kultur interessieren den Herrn Hüseyin. Die Zeiten in der Röntgenambulanz möchte er vergessen. Aber das halbe Jahr im untersten Stockwerk in der Bettenzentrale wird ihm ewig in Erinnerung bleiben.

Die Bettenzentrale war in dieser Gesundmachungszentrale ein eigenes Universum. Die hatten dort eine eigene Ordnung. Von männlichen Kollegen wurde er als Zivildiener um 7:30 gleich außerhalb des Hauses einkaufen geschickt. Für jeden der drei selbsternannten Chefs musste Hüseyin einige Biere und den billigsten Cognac kaufen. Die Biere und die Cognacs waren, bevor es Mittag wurde, ausgetrunken. Dementsprechend schauten die Schädel aus. Nämlich rot. Mit den Frauen, die aus Exjugoslawien kamen, war es anders. Obwohl Herr Hüseyin kein Türke war, riefen sie ihm «Turchene», also Türke, nach. Die Frauen brachten ihr zu Hause Selbstgekochtes mit. Sie tranken auch keinen Alkohol. Nachdem die blutbeschmierten Betten auf Rädern frisch überzogen waren, unterhielten sie sich mit ihrem gebrochenen Deutsch. Nachdem die Arbeiten verrichtet waren, hörten sie aus einem mitgebrachten Kassettenrecorder Balkanmusik. Obwohl dem Hüseyin Balkantänze und -rhythmen nicht so geläufig waren, hatte er sich durch seine tänzerischen Fähigkeiten sehr schnell angepasst. Herr Hüseyin konnte nicht trinken, als die Chefs von der Unterwelt des Spitals ihm als Belohnung fürs Einkaufen auch ein Glas Cognac anboten. Kolotanzen gefiel dem Hüseyin auch. Unter den Frauen waren auch Romafrauen.

Herr Hüseyin war bei den ersten Romabällen in Wien immer dabei. Am Anfang als Fotograf, sowohl fürs Romano-Centro als auch für die «Stimme von und für Minderheiten». Das erste Mal nach dem Zweiten Weltkrieg gibt es in Wien eine Ausstellung über und mit Roma im Wien Museum. Herr Hüseyin begrüßt diese zu spät zustande gekommene Ausstellung. Immerhin der erste Schritt, um dieses Volk auf die Bühne des Kunstmarktes zu bringen. Eine sehr aufwendig vorbereitete Ausstellungsform, die auf die Auseinandersetzung wartet. Hüseyin trifft dort sehr viele Menschen, die noch die Zeit der 80er Jahre kennen. In den Saal konnte keiner mehr hinein, im Vorraum via Videoübertragung konnte man den Vortragenden folgen, der Ausstellungsraum im ersten Stock war auch voll. Wein und Mineralwasser gingen sehr schnell zu Ende. Hüseyin empfiehlt diese Ausstellung!

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