In der ZentraleArtistin

Bibliotick

Drei Männer eilen durch das Zentrum Madrids, Geschützlärm ist zu hören, es ist Dezember 1936, der Spanische Bürgerkrieg tobt. Die drei sind Kriegsberichterstatter, ihr Ziel ist die Telefónica, die Telefonzentrale der Hauptstadt und ganz Spaniens. Nur von dort ist es möglich, ins Ausland zu telefonieren und Berichte an internationale Medien zu übermitteln. Unbeschadet erreichen die Männer die Telefónica, und Johnson, der Neuankömmling unter ihnen, ist überwältigt. Nicht vom damals höchsten Gebäude der Stadt (übrigens das erste Hochhaus Europas), sondern vom Gewurl der vielen Menschen in der Eingangshalle.
So beginnt Ilsa Barea-Kulcsars einziger Roman Telefónica, den sie 1939, kurz nachdem Madrid von Francos Truppen besetzt worden war, beendet hatte. Da lebte sie bereits im englischen Exil. Im Herbst ‘36 kam die aus Wien stammende Journalistin und in der Arbeiterbewegung Aktive nach Madrid, um die republikanische Seite zu unterstützen. Ihr Arbeitsplatz war im 5. Stock der Telefonzentrale, wo sie in der Nachrichtenzensur tätig war (Zeitungsberichte durften keine Fakten wie z. B. militärische Details enthalten, um die Franquist_innen nicht mit taktisch wertvoller Information zu beliefern). Auch die Hauptfigur des Romans, Anita Adam, übt diese Tätigkeit aus und hat nicht nur äußerlich große Ähnlichkeit mit der Autorin. Die Ausländerin Anita muss sich in der machistisch geprägten Kultur erst zurechtfinden und durchsetzen. Sie wird von stalinistischen Genoss_innen angefeindet, aber auch von eifersüchtigen Frauen. Wie im realen Leben der Autorin lernt Anita mit dem Kommandanten des Gebäudes ihren zukünftigen Ehemann kennen. Zwar ist der Roman keine Autobiografie, auch kein Schlüsselroman, die Erfahrungen Barea-Kulcsars bilden aber die reale Grundlage des Texts, der anhand des Mikrokosmos der Telefónica und deren Umgebung einen Teil der Geschichte des Spanischen Bürgerkriegs authentisch und lebendig beschreibt.

Ilsa Barea-Kulcsar: Telefónica
Edition Atelier 2019
352 Seiten, 25 Euro

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