Interview mit der Neomillionärin, Dichterin und politischen Aktivistin El AwadallaArtistin

Blaue Buchtln, orange Buchtln

Im Frauencafé in der Lange Gasse waren sich die Besucherinnen einig: Super, dass eine politisch so aktive Frau wie die El gewonnen hat! Hunderte von Gratulationsmails und so nette SMS habe sie gekriegt, erzählt El Awadalla und nimmt die Gelegenheit des Augustin-Interviews gleich zum Anlass, sich bei allen GratulantInnen herzlich zu bedanken. „Auf der Gass’n gratulier’n mir immer noch die Leut‘, obwohl’s jetzt schon acht Wochen her ist. Da kommen die Kids und fragen: ,Sind sie diejenige, die in der Millionenshow gewonnen hat? Cool!'“ El Awadalla erzählt, während sie telefoniert (der Klingelton des Handys ist die ,Internationale‘) und gleichzeitig weiße Spagetti mit Parmesan isst (das einzige vegetarische Essen im Rüdigerhof). Klingt nach Zoff, was den Telefongesprächsfetzen zu entnehmen ist. Das ist nix Neues in El Awadallas Leben. Nicht dass sie dem ausweichen würde. Jetzt, nach dem Millionengewinn, haben es wieder einmal die TierrechtlerInnen vom „Verein gegen Tierfabriken“ auf sie abgesehen. Sie haben im Zusammenhang mit Awadallas Recherchen zu Sekten- und Psychogruppen ihren Weg gekreuzt, einem Thema, mit dem sie sich schon seit Jahren beschäftigt. Mehr dazu ist auf ihrer höchst lesenswerte Homepage: http://www.awadalla.at/sekten/ nachzulesen.

Und im Literaturhaus, wo sie seit mittlerweile 15 Jahren als Lohnverrechnerin arbeitet und ihr die Geschäftsführung nicht mehr viel vormachen kann, vertritt sie seit Jahren unerschrocken und gegen alle Hindernisse als Betriebsrätin an die zwanzig MitarbeiterInnen der Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur. „Es geht mir darum, dass nicht Leute gekündigt werden auf irgendein Blabla hin, und gleichzeitig werden irgendwelche sinnlosen, teuren Anschaffungen gemacht. Für die Leut‘ wär‘ kein Geld da, aber für das, was der Chef gern als Spielzeug hätt‘, schon. Das kann’s ja wohl bitte nicht sein!“, wettert sie. Trotz Mobbing und Kommunikationsverweigerung wird sich die Hoffnung der Geschäftsführung, dass sich El Awadalla nach dem Millionengewinn zurückzieht, wohl nicht erfüllen. „Ich bin ja kein anderer Mensch geworden durch das Geld“, stellt sie klar. Ihre Aufgabe als mit großer Mehrheit gewählte Betriebsrätin und Betriebsratsvorsitzende in der dritten Legislaturperiode sieht sie als Vertrauensposition, und die nimmt sie selbstverständlich auch weiterhin ernst.

Plötzlich interessierten sich alle für den „Morgenschtean“

Was Geld für sie bedeutet, ist als Frage an eine Euromillionärin zugegebenermaßen nicht sehr originell. „Goldene Türschnallen werd‘ ich mir keine zulegen“, meint El Awadalla dazu trocken. Zeit ihres Lebens hat sie wenig bis kein Geld und Schulden gehabt. Es gab eine Situation, da war sie noch Studentin und Alleinerzieherin und hatte nur noch 20 Schilling im Geldbörsl und weit und breit kein Job in Aussicht und niemanden mehr zum Anpumpen, erinnert sie sich mit Grausen. Diese Seite des Lebens kann sie jetzt entspannter sehen.

Und natürlich bleibt sie, was sie immer schon war, nämlich Schriftstellerin. Dabei hat es ihr vor allem der Dialekt angetan. Der „Morgenschtean“, die Zeitschrift der österreichischen DialektautorInnen, hat seit El Awadallas Millionengewinn eine sprunghafte Erhöhung von Zusendungen und AbonnentInnenzahlen erfahren, schmunzelt sie. In ihren Gedichten und Romanen interessieren sie vor allem die einfachen Leute. In ihrer 2004 veröffentlichten Erzählung „Der Zwerg mit den silbernen Rippen“ beschreibt die gebürtige Burgenländerin das ländliche Antiidyll in allen seinen Facetten. In lakonischem Ton skizziert sie die dörflichen Machtverhältnisse, die Strategien, mit der Obrigkeit umzugehen, die Grausamkeit gegenüber AußenseiterInnen, die Frauenfeindlichkeit einer patriarchalen Gesellschaft.

Apropos Geschlecht: Alle diejenigen, die bei der Kurzbeschreibung: „49-jährige Frau, drei Kinder großgezogen“ ein ganz bestimmtes Klischeebild vor Augen haben, müssen gehörig umdenken, wenn sie El Awadalla kennen lernen, denn nichts widerspricht der ca. 190 Zentimeter großen, kräftigen Frau mit millimeterkurzem Haarschnitt, bunter Brille und eigenwilliger Kleidung mehr als ein derartiges Bild. Schräg war El schon lange bevor das Wort „queer“ für nicht geschlechterrollenkonformes Verhalten und Aussehen von Frauen und Männern erfunden worden ist. Und wie jede aufgeweckte Frau mit politischem Bewusstsein und dem Mumm, sich auf eine Sache einzulassen, hat auch El Awadalla die Frauenbewegung mehr als nur gestreift. Literarisch äußerte sich das in ihrer Zugehörigkeit zum „Arbeitskreis schreibender Frauen“, der zwischen 1979 und 1987 bestand und zeitweise im WUK angesiedelt war. Klar, dass sie sich auch Männerdomänen aneignet, wie etwa den Fußball. Das liest sich in einem ihrer Bierdeckelgedichte so:

„i gee so gean ins schdadion

und schau ma d giggaschenggln aun

unds damengloo is imma frei

kaa schlaunga woat wia iwaroi sunst

wos brauchi mea ois frau bein meetsch

waun owa ana sogt

na puppi bist allan do

kum gemma auf an schlugg

des brauchi wiagli ned.“

Aber auch ihre Geschlechtsgenossinnen kommen nicht ungeschoren davon:

„di christl lost si

d nosn oparian

das s an gfoid

auf den wos s schded

bis da fabaund hearuntn is

hoda a aundare

a schiache

wia di christl mant

und sie hod schuidn und an libeskuma

und di nosn duad no imma wee.“

Die „Widerstandslesungen“ donnerstags um fünf am Ballhausplatz – Literatur live als Form des Langzeitprotestes gegen die schwarz-blau-orange Regierung – wird El selbstverständlich trotz Geldsegen weiterhin gemeinsam mit Traude Korosa organisieren, egal ob es regnet, ob die Sonne scheint oder ob bei Minusgraden im Finstern mit der Taschenlampe gelesen werden muss. Widerstand ist Arbeit und erfordert einen langen Atem. Für eine Definition dessen, was eine widerständige Praxis bedeutet, braucht El Awadalla nicht lange nachzudenken: „Sich nix gefallen lassen. Einfach meine Meinung sagen. Nicht zuschauen, wenn anderen was angetan wird, sondern eingreifen. Beschissene Verhältnisse ändern. Die Verursacher dieser Verhältnisse überzeugen, und wenn das nicht geht: bekämpfen.“ An „runden Lesungen“ brachte El Awadalla bisher immer selbst gebackene „blaue Buchtln“ mit, die nächste „runde“ wird die 300. Lesung am 21. Juli sein. Da wird’s dann auch „orange Buchtln“ geben.

Literarisches von El Awadalla:

– Der Zwerg mit den silbernen Rippen. Sisyphus. Wien 2004

– Der Riesenbovist und andere Geschichten. (Mit Illustrationen von Michael Blümel) Sisyphus. Wien 2003

– mia san mia – wean und de wööd. (Mit Fotografien von Andreas Gartner) Uhudla Edition. Wien 2001

Sachbücher von El Awadalla:

Kraftorte – Geldquellen. Österreichischer Sekten- und Esoterikatlas, Folio Verlag. Wien 2000.

Sekten, Kulte, Esoterik und der rechte Rand. Folio Verlag. Wien 1997.

Widerstandslesungen:

El Awadalla, Traude Korosa (Hrsg.) – „… bis sie gehen. 4 Jahre Widerstandslesungen“ Sisyphus. Wien 2004

200. widerstandslesung gegen blau-schwarz. 3. 7. 2003 (Video und CD)

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