Jake Bowers zu den Mythen und Klischees über Sinti und Romatun & lassen

Ein Artikel aus dem Big Issue UK

Roma in Europa sind eine der am meisten an den Rand der Gesellschaft gedrängten ethnischen Gemeinschaften. Sie erleben täglich Diskriminierung, gleichzeitig existieren sie oft in beträchtlicher Armut. Vorurteile gegen Roma haben diesen Herbst durch falsche Berichterstattung über angebliche Kindesentführungen wieder neue Nahrung bekommen. In diesem Artikel für «The Big Issue» (UK) widerlegt der Journalist Jake Bowers, selbst Rom, einige der gängigsten Mythen über die zahlenmäßig größte ethnische Minderheit in Europa.

Vielleicht liegt es an der eisigen Kälte zum Wintereinbruch, oder aber der Geruch einer mittelalterlichen Krankheit, von der ich annahm, sie sei längst ausgerottet, hat wieder begonnen, mir den Atem zu nehmen.

 

In einer Siedlung griechischer Roma entdeckte die Polizei einen «blonden Engel» und vermutete prompt das Schlimmste. Wenige Tage später fand die irische Polizei zwei weitere Kinder in einer Roma-Siedlung und schon keimte der uralte Mythos wieder auf, Zigeuner_innen würden Kinder entführen und verschleppen. Angestachelt von einer Hexenjagd der Medien, baute sich eine Panik gegenüber den ewigen Außenseiter_innen Europas auf, eine Gemeinschaft, die sich selbst als Roma bezeichnet.

 

Eine Woche später ergaben DNA-Tests, dass alle drei Kinder von Roma-Eltern waren. Die Medien wandten sich anderen Themen zu und ließen traumatisierte Familien zurück. Hoffentlich trägt diese Episode dazu bei, dass Europa seine irrationalen Ängste und Ignoranz gegenüber dieser ausgegrenzten ethnischen Minderheit überwindet.

 

Diese Haltung ist als Romaphobia bekannt. Jemand, der darunter leidet, zuckt jedes mal zusammen, wenn sich ein Wohnwagen einer Grünfläche in seinem Viertel nähert. Auf der anderen Seite sind Roma für Ihre Heilkräfte bekannt. Im folgenden möchte ich dem/r geneigten Leser/in sechs einfache Gegenmittel verschreiben, die eine Erkrankung an Romaphobia vielleicht stoppen können.

 

1. Roma entführen keine Kinder

Die DNA-Tests bestätigten, was wir schon immer wussten. Die Kultur der Roma bewertet das Wohl eines Kindes so hoch, dass informelle Adoptionen innerhalb der Gemeinschaft erlaubt sind. Es war früher Tradition, dass Roma-Familien die Kinder verarmter Nicht-Roma aufgenommen haben. In England kam es Anfang des 20. Jahrhunderts noch vor, dass unehelich geborene Kinder Roma-Familien anvertraut wurden.

 

2. Roma sind nicht krimineller als die übrige Bevölkerung

Verbrechen gibt es in jeder Gesellschaft, aber es gibt keine Belege, dass Roma häufiger straffällig werden als andere. Allerdings gab und gibt es noch immer Versuche, den Lebensstil der Roma pauschal zu kriminalisieren. Ein Gesetz in England aus dem Jahre 1554, das sog. Gesetz über die «Ägypter», verbot es Zigeuner_innen nach England zu kommen und verurteilte alle zum Tode, die bereits im Land waren und es nicht innerhalb eines Monats verlassen würden. Das Gesetz von 1597 zum «Vagabundentum» ermöglichte es dem Staat, «Roma, die nicht von ihrem schurkenhaften Leben lassen können» in Gebiete «jenseits der Meere» zu deportieren. Ein Gesetz von 1994 zur Strafjustiz und öffentlichen Ordnung verbietet allgemein einen Lebensstil ohne festen Wohnsitz in Großbritannien.

 

3. Roma sind nicht schmutzig

Die Kultur der Roma fußt auf strengen Regeln der Sauberkeit, die sich aus einem jahrhundertelangen Leben als Reisende entwickelt haben. Roma erlauben höchst selten Tiere in ihrem Zuhause, da sie diese als Krankheitsträger betrachten. Viele Roma-Familien betreiben Reinigungsunternehmen oder Altmetallwiederverwertungsbetriebe.

 

4. Roma sind nicht arbeitsscheu, sie tragen zur Wirtschaftsleistung und Kultur einer Gesellschaft bei

Viele Roma-Familien haben umsatzsteuerpflichtige Betriebe angemeldet, die Unternehmenssteuern, Einkommensteuer und lokale Abgaben abführen. Gesellschaftlich bedeutende Personen mit Roma-Abstammung sind unter anderem Charlie Chaplin, Mutter Teresa, Eric Cantona und Pablo Picasso.

 

5. Roma sind die am schnellsten und am meisten wachsende ethnische Gruppe in Europa

Es gibt 600.000 Roma im Vereinten Königreich, in etwa soviel wie die Gemeinschaft der Juden und der aus Bangladesch stammenden Menschen zusammen. Die Hälfte der Roma sind Familien, die seit 500 Jahren auf den britischen Inseln leben, die andere Hälfte sind Migrant_innen aus EU-Staaten wie Polen, der Slowakei und Rumänien. In der EU gibt es 12 Millionen Bürger_innen, die Roma sind – das ist mehr als die Bevölkerung von Schweden und Dänemark zusammen. In vielen EU-Ländern machen Roma mehr als 10 Prozent der Bevölkerung aus.

 

6. Die Gemeinschaft der Roma ist vielfältig und komplex.

Die indigenen Roma im Vereinten Königreich leben teils in Häusern, teils in Wohnwägen. Eine Großzahl wohnt in Cambridgeshire, Kent, Surrey und einigen Städten im Norden, wie zum Beispiel Darlington. In diesen Gegenden leben Roma seit über 500 Jahren. Seitdem einige – einst kommunistische – Staaten der EU beigetreten sind, gibt es einen stetigen Anstieg von Roma, die vor Verfolgung und Armut flüchten. Viele dieser Roma wurden während des Kommunismus gezwungen, sesshaft zu werden. Andere fliehen vor Menschenrechtsverletzungen, wie der erzwungenen Sterilisation von Roma-Frauen in der Tschechischen Republik oder der weitverbreiteten Einweisung von Roma-Kindern in Sonderschulen in der Slowakei oder in Ungarn.

 

Es gibt keinen rationalen Grund roma-phobisch zu sein. Beginnen Sie, die Roma in Europa kennenzulernen, indem Sie diese einfachen Wendungen in Romanes benutzen:

Latcho dives! – Guten Tag!

Sar san? – Wie geht es Ihnen?

Najis tuke! – Danke schön!

Sastimaste! – Tschüss! / Danke! / Prost!

 

Jake Bowers stammt aus einer großen Roma Familie – er hat 16 Geschwister – und ist unter den Travelling People in Großbritannien aufgewachsen. Heute betreibt er die Gypsy Media Company.

Übersetzt von Jan Seyfried

www.street-papers.org / The Big Issue UK