Jobbewerbungen: Was darf der Personalchef über mich wissen?tun & lassen

Nicht jede Frage soll eine Antwort bekommen

Von Schule und Elternhaus sind wir dahin dressiert worden, immerzu und jedem auf jede Frage sogleich eine Antwort zu geben. Auch dann, wenn die gewünschte Auskunft andere eigentlich nichts angeht. Das ist oft auch ein Problem einer versteckten Form von Autoritätshörigkeit.Wenn man von einem netten Wien-Touristen nach dem Weg zum nächsten gemütlichen Heurigen gefragt wird, ist nichts dagegen einzuwenden, wenn man darauf eine höfliche Antwort gibt.

Doch wenn das Telefon läutet und irgend ein Meinungsumfrageinstitut ist dran, ist die überwiegende Mehrheit der ÖsterreicherInnen nicht nur allzu gerne bereit Auskunft über ihre Wahl der Zahnpasta, der Befindlichkeit ihres Magens oder die Farbe ihrer Unterwäsche, sondern auch über ihre sexuellen Vorlieben, Vermögensverhältnisse oder Mitgliedschaft in einer politischen Partei zu geben.

Wenn gar ein Amtskapperl vor einem auftaucht und – Datenschutz hin, Datenschutz her – von einem Auskunft über Dinge begehrt, die eigentlich niemanden was angehen, steht der gelernte Österreicher sowieso sogleich habt Acht und stülpt sein Innerstes nach außen.

Schwierig wird es, wenn man sich als (Langzeit-) Arbeitsloser bei einem möglichen zukünftigen Arbeitgeber um einen Job bewirbt. Logisch, dass der einen vor allem über die notwendige Qualifikation in dem künftigen auszuübenden Beruf befragt. Aber wie verhält sich der (oder die) Arbeitsuchende bei Fragen, die eigentlich nichts mit der begehrten Arbeitsstelle zu tun haben? Muss ich dem Personalchef des Betriebes auch über eventuelle Vorstrafen, Krankheiten, Schwangerschaft und Kinderwunsch, oder meine Schulden wahrheitsgemäß Auskunft geben?

Man befindet sich in einer Notsituation bzw. Abhängigkeitsverhältnis. Klar, dass ich die Antwort verweigern kann, aber was nützt mir das, wenn ich den Job unbedingt will, aber durch meine Weigerung intime Fragen zu beantworten, die Arbeit möglicherweise deswegen nicht erhalte?

Aber was geschieht, wenn ich bewußt falsche Antworten gebe? Kann das vielleicht später, wenn sich die Wahrheit herausstellt (beispielsweise wenn ich angab, keine Schulden zu haben, und dann eine Gehaltspfändung daherkommt), ein Kündigungsgrund sein?

Problematische Wiedereinstiegs-Hilfen

Obwohl derzeit nahezu kampagnenhaft immer wieder behauptet wird, dass es – angeblich – kaum mehr eine reale Arbeitslosigkeit gibt (man braucht nur in die Meldestellen des AMS – Arbeitsmarktservice – zu gehen, um sich leicht vom Gegenteil überzeugen zu können), muss man als Arbeitsloser erst einmal überhaupt in die Situation kommen, einem Personalchef gegenüber zu sitzen, um sich um eine offene Stelle bewerben zu können.

Seit geraumer Zeit gibt es verschiedene Maßnahmen, um den Wiedereinstieg bzw. auch Umstieg in einen anderen Beruf leichter zu ermöglichen. Diese Maßnahmen haben Namen wie „start“, „dynamo“ oder „WAFF“ und Maßnahmen werden einerseits zwar durchaus auch gelobt, doch vor allem von den in diese Maßnahmen eingebundenen Betroffenen gibt es auch immer wieder Kritik an der Art und Weise, wie mit ihnen dabei umgegangen wird.

Zur positiven Seite dieser Maßnahmen: Langzeitarbeitslose und andere schwer vermittelbare Personen haben hier die Möglichkeit zu (manchesmal auch teuren) Weiterbildungsmaßnahmen bzw. Umschulungsmöglichkeiten; die Betroffenen werden finanziell, personell und „maschinell“ (in Büroräumlichkeiten unter Ausnützung aller Möglichkeiten wie Internet, Fax, freie Porto- und Telefonkosten usw.) bei der täglichen Arbeitssuche durch mehr oder weniger gut geschulte Betreuer unterstützt. Das sind hauptsächlich Sozialarbeiter oder Psychologen, denen es jedoch durchwegs an eigener Berufserfahrung und erst recht an Kenntnissen über die Probleme der Arbeitslosigkeit fehlt.

Kritisiert wird an diesen Maßnahmen, dass die betroffenen Personen teilweise wie Entmündigte ohne reale Mitsprache- bzw. Mitgestaltungsmöglichkeiten behandelt werden. Den Verantwortlichen dieser Wiedereinstiegsmaßnahmen geht es nur um eines: Dass die Arbeitslosen quasi „um jeden Preis“ endlich wieder in den sogenannten Arbeitsprozess „eingegliedert“ werden. Um dieses Ziel zu erreichen, werden Reglementierungs- und Disziplierungsmaßnahmen angewendet (in Form von Rausschmissdrohung aus den Maßnahmen und damit auch Reduzierung des Geldbezuges usw.). Im Zuge dieser Maßnahmen gibt es zuweilen auch Vorträge darüber, wie ein richtiges Vorstellungsgespräch zu führen oder ein Bewerbungsbrief zu verfassen ist, doch scheut man sich davor, gesellschaftspolitische Aspekte der Arbeitslosigkeit anzusprechen. Warum gibt es überhaupt Arbeitslosigkeit? Hat die herrschende Wirtschaft überhaupt ein Interesse, die Arbeitslosigkeit, die sich doch bestens eignet um Löhne niedrig zu halten, zu beseitigen? Erst recht ist es in diesen Einrichtungen nicht erwünscht, dass über Themen wie entfremdete Arbeit, Arbeit, die die Umwelt zerstört, Arbeit die direkt oder indirekt in die Kriegsindustrie eingebunden ist, diskutiert wird.

Obwohl ein Großteil der finanziellen Mittel der beschäftigungspolitischen Maßnahmen u.a. vom ÖGB, AK und Gemeinde Wien bereitgestellt werden, hat man den Eindruck, dass hier eine Beschäftigungspolitik betrieben wird, die vorrangig im Interesse der Unternehmen dienen soll. Ein demokratisches Mitspracherecht der Arbeitslosen in diesen Arbeitsloseninitiativen ist nicht erwünscht, viel mehr wird über die Köpfe der Betroffenen hinweg entschieden.

Seltsame Fragen: Eindringen in die Privatsphäre

Grimmig wird die Angelegenheit, wenn die Arbeitsuchenden zu fragwürdigen Bewerbungen angehalten werden, die offensichtlich die Bemühungen der Gewerkschaftsbewegung (die sich doch auch als Interessensvertreterin der Belange der Arbeitslosen versteht) unterläuft.

Ein Beispiel: Eine junge Frau erhält die Möglichkeit, sich bei einem Sub-Unternehmen einer großen heimischen Bank zu bewerben. Ihre Trainerin (so werden die Betreuer der Arbeitsuchenden bezeichnet) drückt ihr einen Fragebogen in die Hand. Dieser Katalog stamme von einer Personalberaterin dieses Betriebes, einer Frau Dr. M., und deshalb soll sich die Frau mental auf diese möglichen Fragen vorbereiten.

Und wie lauten die Fragen der Bank-Tochter, die an die Arbeitssuchenden möglicherweise gestellt werden?

Die Kandidaten werden zunächst über das Elternhaus befragt (?), es folgen Fragen über die Privatsphäre, die in Auskunftbegehren über frühere Zugehörigkeit bei Jugendorganisationen, Vereinsmitgliedschaften und sogar darüber, ob man politische Ämter ausübt, gipfeln.

Die Empörung unter den Kursteilnehmern über diese Art von Fragen ist natürlich groß. Die Leute sind der Meinung, dass ÖGB und AK gegen Unternehmen vorgehen sollten, die von ihren künftigen Beschäftigten derartige Fragen beantwortet haben wollen. Und die Kursteilnehmer kritisieren, dass die Verantwortlichen der Beschäftigungsinitiative derartige Fragenkataloge einfach unkritisch hinnehmen. Von den Kursteilnehmern wird eine Diskussion über die Zulässigkeit derartiger Fragen im Rahmen des Kursprogrammes gefordert. Einer der Teilnehmer wird aufgefordert, über diese Fragen Recherchen anzustellen und eine Woche später über die Ergebnisse darüber zu berichten.

Die Bank und ihr Subunternehmen bestreiten vehement je derartige Fragen an Bewerber gestellt zu haben. Dies wird auch vom Betriebsrat des Unternehmens bestätigt. Es wird jedoch eingeräumt, dass die Personalberaterin, die lediglich auf Werkvertragsbasis angestellt sei, von ihrer früheren Tätigkeit her eine solche ungeheuerliche Liste an Fragen zusammengestellt habe, doch werde man sie anweisen, in ihrem neuen Tätigkeitsbereich derartige Fragestellungen zu unterlassen. Die Dame selbst war zu keiner Stellungnahme bereit.

Falsche Antworten dürfen später kein Kündigungsgrund sein

Als das Thema eine Woche später diskutiert werden soll, wiegeln die Trainer ab. Nicht mehr die skandalösen Fragen sollten nun von den Kursteilnehmern diskutiert werden bzw. wie damit umzugehen oder dagegen vorzugehen sei. Stattdessen heißt das Thema plötzlich: „Wie soll man auf unangenehme Fragen antworten?“ In Arbeitsgruppen soll „erarbeitet“ werden, wie man etwa auf die Frage, welche Tageszeitung man liest, antworten soll. Aber solche Fragen sind ein kleines Problem, im Vergleich zu dem was, die Arbeitslosen bei ihrer bisherigen Arbeitssuche schon an Fragen gehört haben: Waren Sie bereits im Gefängnis; haben Sie eine ansteckende Krankheit; eine kurdische Computerfachfrau wurde gefragt, ob sie mit der PKK (=Kommunistische Partei Kurdistan) sympathisiere usw.

All diese Fragen werden von der Kursleitung einfach ignoriert, ihr Programm der Harmlosigkeit weiter beinhart durchgezogen, die Wünsche der Betroffenen einfach ignoriert. Aus. Basta. Später werden die Stiftungsmanager von Missverständnissen usw. sprechen und sich insgesamt mit der Vorgangsweise der Trainer solidarisieren.

Womit wieder einmal ein wichtiges Problem der Arbeitslosen offensichtlich wurde: Sie sind vollkommen rechtlos und ohne jede Interessensvertretung!

Wie schaut nun die Rechtslage trotzdem aus? Dürfen mich nun Unternehmer fragen, ob ich vielleicht homosexuell bin, oder welche Partei ich wähle? Die erstaunliche Antwort auf die Frage lautet: JA!

Ein zukünftiger Arbeitgeber darf mich prinzipiell alles fragen, was er will. Denn während eines solchen Aufnahmeverfahrens besteht zwischen Arbeitgeber und Arbeitssuchenden noch keine Rechtsverbindlichkeit. Deshalb darf ich als Stellenberwerber auf derartige Fragen auch unwahre Antworten geben. Selbst wenn diese schriftlich mit dem berühmten Zusatz „ich bestätige mit meiner Unterschrift, dass ich alle Fragen warheitsgemäß beantwortet habe“ versehen sind, kann ich auf derartige Formulare nach Lust und Laune draufsudeln, was ich will. Falsche Antworten auf solche Bewerbungsfragen dürfen später kein Kündigungsgrund sein, da – wie gesagt – es zum Zeitpunkt dafür keine Rechtsverbindlichkeit gab.

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