Juckende Beine, warmes HerzArtistin

Geiger mit Handschlagqualität: Zipflo Weinrich im Porträt

1982 wurde er bei der U21-Europameisterschaft Torschützenkönig – heute spielt er Geige auf höchstem Niveau: Wienerisches, Sintoswing und Jazz. Sonja Henisch hat den Donaustädter Violinisten Zipflo Weinrich getroffen und seine musikalische Biographie erfragt.

Foto: Weinrich

Nördlich von Wien daheim zu sein, das hat schon etwas für ihn. Dort, wo der Himmel außerhalb der Stadt an Weite gewinnt und die sanften Wellenlinien der Felder in Grün und Ocker die Hügel durchpflügen, kann ein Künstler wie er gut leben. In der Donaustadt hat Zipflo Weinrich seine Kindheit verbracht und später seinen Lebensplatz rund dreißig Kilometer hinaus ins Weinviertel verlagert, wo er mit seiner Frau Natalie und seinen vier Kindern, soweit sie noch daheim sind, in einem wunderschönen alten Pfarrhof lebt.

Vom Torschützenkönig zur Jazzikone

Zipflo war irgendwann sein Spitzname geworden. Ob es schon damals war, als er bei der Austria Wien an der Seite von Toni Polster kickte, weiß man nicht genau. Zipflo wurde bei der U21-Europameisterschaft 1982 in Finnland Torschützenkönig und anschließend zum besten europäischen Spieler gekürt. Wegen einer schweren Knieverletzung ließ er später den Fußball Fußball sein.

Die Musikalität war schon in der Familie vorgegeben. Der Großvater animierte den Buben, zur Violine zu greifen, «weil eh jeder Gitarre spielt!». Zu Zeiten, wo man noch nicht abendlich vor dem Fernsehgerät knotzte, war die Pflege des gemeinsamen Musizierens eine Normalität, der man sich nicht entziehen wollte, speziell, wenn man in einer Familie aufwuchs, wo Vater und Großvater die Unterweisungen geben konnten. Zipflo war schon früh von den Klängen Django Reinhardts angetan, mit dem er großmütterlicherseits verwandt ist. Bereits mit fünfzehn Jahren brachte Zipflo mit seinen Melodien das Wiener Jazzland am Franz-Josefs-Kai zum Swingen.

1986, Zipflo war etwas über zwanzig Jahre alt, entstanden die ersten Einspielungen mit seinem Quartett. Mit den besten Musikern spielte er sich durch die Szene: Fritz Pauer, Richard Österreicher, Barney Kessel, Karl Hodina. Mit Karl Hodina verbinden ihn eine lange Freundschaft und ein langes Zusammenwirken. Wienerisches mit Gipsy Swing bringt eine unverwechselbare Mischung hervor. Zunehmend spielte er auch mit internationalen Musikern wie Barney Kessel, Peter Erskine oder Red Mitchell. Eine Zeitlang macht Zipflo seine Erfahrungen in Richtung Musik-Kabarett, doch nach der Jahrtausendwende meldete er sich mit der CD «Pink Violin» in der Jazzszene zurück.

Üblich ist, dass österreichische Künstler erst dann die Absolution oder die absolute Anerkennung für ihr Können erlangen, wenn sie in den USA Erfolg hatten. Nach einem zweijährigen Aufenthalt in Los Angeles ist es 2013 so weit: Für die Produktion «Zipflo Weinrich in Los Angeles» konnte Zipflo Weinrich den Saxophonisten Bob Minzer, den Percussionisten Alex Acuna und den Schlagzeuger Peter Erskine gewinnen. Zipflo Weinrich geht musikalisch vom Sintoswing aus und durchsetzt ihn mit Elementen des Modern Jazz. Zipflo spielt mit Seele. Er spielt mit Liebe. Ohne Gefühl geht gar nichts, sagt er. Er greift musikalische Themen auf, die er liebt, mit denen er jongliert, Ball spielt, balanciert, neue Bilder entstehen lässt, Bilder, die Atmosphäre ausstrahlen, die streicheln, die unter die Haut gehen. Seine Musik hat Humor, sie bringt zum Lachen, sie juckt in den Beinen und swingt, sie bewegt, sie ist spritzig und verströmt Lebensfreude, auch dann, wenn das Leben nicht einfach ist.

Eins mit der Geige

Zipflo Weinrich ist ein warmherziger Mensch. Er schätzt Aufrichtigkeit, er schätzt Handschlagqualität, er mag Achtung und Wertschätzung. Er ist einer jener Künstler, die wahre Meister ihres Faches sind und sich nicht hinter Arroganz verstecken müssen. Er ist authentisch. Wenn ihn seine Violine im Griff hat, ist er eins mit ihr, von ihr nicht zu unterscheiden. Er braucht sich nicht der Technik rühmen, die er hat, die ihn hat, den «Teufelsgeiger» aus der Donaustadt. Er braucht nichts zu beweisen, denn er ist einer der ganz Großen, er ist das Spiel und das Spiel ist er. 2001 wurde Zipflo Weinrich von der Stadt Wien als «Künstler des Jahres» gewürdigt.

Wirklich stolz ist Zipflo allerdings auf seine Kinder. Sein großer Sohn Boku spielt mit ihm in der Gipsy-Band die Rhythmusgitarre und arbeitet als stellvertretender Filialleiter in einer Spar-Filiale; der zweite Sohn ist Jungkoch in einem Haubenrestaurant in der Wiener Innenstadt, die Tochter macht die Ausbildung zur Kindergärtnerin, und der jüngste Spross geht auf eine HTL und plant danach ein Jusstudium, um Wirtschaftsanwalt zu werden.

Seit einiger Zeit spielt Zipflo Weinrich mit seiner Band im historisch interessanten «Analytikerraum» im Café Korb. Dort erfährt er Wertschätzung durch seine Fans, die regelmäßig kommen: Am 6. Juni ist es wieder so weit. Die Musik, die er spielt, ist der Spiegel seines Innenlebens – und das ist wahrhaftig ein reiches.

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