Chilip in Druk Yul (4)
Am Rückweg vom übergroßen Buddha Dordenma, der würdevoll über das Thimphu-Tal wacht, finde ich meine Straße gefüllt mit Musik. Kein Popgesang aus dem Radio, nicht zeremonielles Trommeln und Gesänge aus dem nahen Tempel.
Foto: Namgay Tshering
Hellhörig geworden folge ich den Gitarrenriffs, das treibende Schlagzeug vergewissert mich: Hier wird gespielt. Ich entdecke die Garage ein wenig abseits anderer Blechverschläge. Die Nachbarn beäugen mein Herumschleichen verwundert. Egal. Vorsichtig öffne ich das Garagentor einen Spalt breit und schlängle mich hinein. Drei Jungs lassen Gitarren und Sticks sinken und schauen mich mit großen Augen an – was macht die hier? Nach etwas holpriger Einleitung werde ich zum Verweilen eingeladen und in den Mojo Park zum Konzert – oder Gig, wie sie mir erklären. Die vergebliche Suche nach dem Park am Stadtplan lehrt mich, dass es keine Grünfläche, sondern der Club in Thimphu für Live-Musik ist. Dort angekommen stehen die Jungs am offenen Feuer vor der Bar und begrüßen mich mit gleich großen Augen wie am Nachmittag – sie hatten offensichtlich nicht damit gerechnet, dass ich komme. Ich bin überrascht und geschmeichelt – so viel Freude für einen Konzertbesuch bekomme ich selten zu spüren.
Bevor es auf die Bühne geht, noch auf ein schnelles Getränk. Aber nicht hier, zu teuer das Lokal, mit all den ausländischen Gästen. Lieber die kleine Kneipe ums Eck, wo zu lokalem Bier und Whisky getrockneter Fisch und frittiertes Gemüse serviert werden. Wir lernen uns plaudernd kennen, lässige Typen am Anfang ihres Studiums, die in der Garage des großen Bruders jammen. Zurück auf der Bühne wird den anglophonen Idolen gewürdigt – von Elvis und den Beatles bis zu Kings of Leon und den Arctic Monkeys finden sich große und kleine Namen wieder, Energie und Drive scheinen die Titelwahl mehr zu bestimmen als Genres. Das Publikum singt mit, tanzt und jubelt Beifall.
Garagenmusik und billiger Alkohol – jung sein ist in Bhutan auch nicht so anders. Und auch wenn ich nicht mehr ganz Anfang zwanzig bin wie die Musiker, kann ich doch ein bisschen mitnaschen, mit meinem noch unabgeschlossenem Studium (soll ja auch zu was gut sein) und viel Offenheit für Musiker_innen, die aus dem Alltagstrott auszureißen versuchen. Und von den selbstkomponierten Liedern in Dzongkha, von denen bisher nur erzählt wurde, höre ich hoffentlich noch mehr …
Marisa Kröpfl schreibt aus Druk Yul (Königreich Bhutan) von ihren Eindrücken als Chilip, wie Ausländer_innen im Land des Donnerdrachen genannt werden.