Tod eines Aufmerksamen – Werner Hörtner lebte die Solidarität
Viele waren am 15. Juni gekommen, um auf Einladung der Familie bei einer Gedenkveranstaltung von Werner Hörtner Abschied zu nehmen. Ein Fest der Erinnerungen bei Wein und gutem Essen – das wäre ganz nach dem Geschmack des «Urgesteins» der Lateinamerika-Solidaritätsbewegung gewesen.
Foto: Irmgard Kirchner
Martina Handler über einen Menschen, der von Solidarität so durchdrungen war wie andere von Eigennutz und Machtstreben.
Er war einer, der oft und gern unterwegs war, offen und neugierig für neue Eindrücke und Begegnungen. Er war aber auch einer, der gern verweilte. Bei einem guten Glaserl Wein, mit großer Aufmerksamkeit für sein Gegenüber, ein konzentrierter Zuhörer, ein genauer Beobachter, ein interessierter und humorvoller Gesprächspartner. Er war einer, der in vielem sehr beständig war und auf liebgewonnene Traditionen setzte. Immer traf man ihn beim Lateinamerika-Filmfestival, beim Musikfestival Glatt & Verkehrt; seit Jahrzehnten reiste er jedes Jahr in sein geliebtes Koroni im griechischen Messinia, seinem Rückzugsort, zum Genießen, Wandern, Nachdenken, Schreiben. Er war aber auch einer, der sich unablässig für Veränderung einsetzte, für eine Veränderung der Welt zum Besseren. Einer, der von Solidarität nicht nur sprach, sondern sie lebte, der das Unrecht nicht nur analysierte, sondern es aktiv bekämpfte. Zum Beispiel, als er Ousmane aus Guinea, der von der Abschiebung bedroht war, ein halbes Jahr in seiner Wohnung beherbergte. Ganz selbstverständlich und ohne viel Aufhebens davon zu machen.
Werner Hörtner, 1948 in Innsbruck geboren, war Anfang der 70er Jahre erstmals nach Lateinamerika gereist. Die Reise erwies sich als folgenschwer: Er hatte sich mit dem Virus Lateinamerika infiziert, der ihn nie wieder loslassen sollte. Auf dieser Reise lernte er auch Stella Muñoz kennen, seine spätere Frau und Mutter seiner Kinder Pablo und Maria.
Werner war lebenslang nicht nur ein politisch Denkender, sondern vor allem politisch Handelnder. Zahlreich sind die Initiativen, die er mitbegründet hat. Gemeinsam mit Leo Gabriel und Hermann Klosius gründete er etwa Mitte der 1976 die Informationsgruppe Lateinamerika (IGLA), um den lateinamerikanischen Basisorganisationen in Europa eine Stimme zu geben, er war Mitherausgeber der Zeitschrift «lateinamerika anders», Mitbegründer und viele Jahre Redakteur der entwicklungspolitischen Monatszeitschrift «Südwind». 1978 initiierte er das Österreichische Solidaritätskomitee für Nicaragua zur Unterstützung des sandinistischen Kampfes gegen Diktator Somoza. Ein Land, in dem er auch – sechs Jahre später – für ein Jahr mit Frau und Kindern leben sollte, um für die alternative Nachrichtenagentur APIA zu arbeiten.
Kein Ruhestand in unruhigen Zeiten
Ganz besonders verbunden war er Kolumbien. Jährlich bereiste er dieses Land, das er kannte wie seine Westentasche. Zwei Bücher – «Kolumbien verstehen» (2006) und «Kolumbien am Scheideweg» (2013) – zeugen von Werner Hörtners profunder Kenntnis des von Drogenhandel, Bürgerkrieg und Menschenrechtsverletzungen gebeutelten Landes. Viele Kolumbien-Reisende erzählen von erlebter Gewalt. Werner war in all den Jahren nichts dergleichen passiert. Der Schriftsteller Erich Hackl: «Dass er jedes Mal unbeschadet zurückkehrte, kann ich mir nur mit seiner Unschuld erklären, die sogar Strauchdiebe, Paramilitärs und anderes Gesindel davon abhielt, ihn auszurauben oder abzumurksen.» Werner meinte dazu einmal: «Wenn ich in Kolumbien aus dem Flugzeug steige, dann wartet dort schon der Schutzengel auf mich.» Ich erkläre es mir so: jemand, der wie er von anderen nur das Beste erwartet und so großzügig Menschenvertrauen verströmt, der wird offenbar mit überirdischem Schutz belohnt.
Werner war einer, der vielen Menschen innig verbunden war, Freund_innen wie auch seiner Familie. Beeindruckt hat mich, dass, auch als Pablo und Maria erwachsen und aus dem Haus waren, sie fast jedes Wochenende zusammenkamen, um miteinander zu essen: Samstags kochte Werner auf, sonntags lud seine Ex-Frau Stella zum gemeinsamen Brunch.
2013 hatte Werner einen neuen Lebensabschnitt angetreten: Strahlend teilte er mit allen seine Freude, dass er nun – als Pensionist – endlich mehr Zeit hätte für seine Reisen, fürs Schreiben, für die vielen Themen, für die vielen Menschen, die ihm wichtig waren. In seinem Abschiedsleitartikel in der Ausgabe des Südwind-Magazins vom März 2013 schrieb er: «Auch im so genannten Ruhestand werde ich mein Tun der wichtigsten Aufgabe widmen, die ich kenne: daran zu arbeiten, künftigen Generationen eine bessere, gerechtere, menschenwürdigere Welt zu hinterlassen.»
Werners letztes Herzensprojekt waren die drogentherapeutischen Gemeinschaften für Kinder und Jugendliche des kolumbianischen Priesters Gabriel Mejía Montero in Medellín, die er im Juli 2014 in einem Augustin-Artikel (online verfügbar) beschrieben hatte. Wäre es nach seinem Plan gegangen, dann säße er jetzt in Koroni, um das gesammelte Material zu einem Buch zu verarbeiten. Dazu ist es nicht mehr gekommen. Am 6. Juni war er wieder unterwegs, wandernd mit seinem Bruder Günther in den rumänischen Karpaten, als sein Herz versagte.
Werner-Hörtner-Gedenkfonds zugunsten des Projekts von Padre Gabriel Mejía Montero:
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