Kaiserinnenschmarren mit Petra UngerDichter Innenteil

Am Küchentisch (4. Teil)

Es sprießt und riecht und erwacht zu neuem Leben, ich spaziere von der Pilgrambrücke Richtung Café Rüdigerhof, denke an das kommende Gespräch über die Politik, die Gleichstellung, die Demokratie, und da erscheint sie mir wieder, so en passant, um die Ecke, die Wut, und sie ist gut, dass die Wut weiblich ist, denn wie würde die klingen, der Wut, nein, die sind wir, wir Frauen sind wütend, und wir haben allen Grund dazu. Wir halten die Perspektive aufrecht, dass die ewig gleiche misogyne Stimmung sich ändert. Ob wir allerdings eine wirklich humanitäre Wende in einem einzigen kurzen Leben erleben, bezweifle ich. Als ich jung war, dachte ich, sie geht Schlag auf Schlag, die Revolution, die Demonstration, auf die Straßen gehen. Aber Schritte bewegen sich eben auch zurück, retour in Zwänge und in herrschaftliche Unterdrückung, in Kontrolle über unsere Weiblichkeit und unsere Körper, über Intimas, wie die Sexualität, die Liebe, die Nähe, die Ehe, die Kinder, die Erziehung, die Arbeit, die Krankheit, die Unmündigkeit, die Drecksarbeit, die Karenz, die Chancenlosigkeit, die Zwangsarbeit, und über all die Beschnittenen, die Zugenähten, die Vergewaltigten, die Missbrauchten, die Jungen wie die Alten, die Frauen.Petra, wie kamst du den Frauen auf die Spur?

Die Frage beantwortet sich bei einem Kaiserinnenschmarren im Café Rüdigerhof mit dir, Petra, die die mittlerweile bekannten Frauen-Stadtspaziergänge entstehen ließ.

Deine Frauenspaziergänge sind politische Führungen, keine Tourismusfallen. Sie sind Bereicherung und ein Muss für jede Frau in Wien und ohne mit der künstlichen Wimper zu zucken natürlich auch für jeden Mann. Du gehst den Fußabtritten von Frauen nach, die über sich selbst hinausgewachsen sind, die für andere eingetreten sind. Deshalb nennst du dich zu Recht, im traditionellen Sinne, eine Volksbildnerin, und ich ergänze: eine des ersten Ranges.

Frauen sichtbar machen, nämlich die Frauen in Wien

Wie gehst du, Petra, an deine Frauengeschichten heran? Du hast dich auf das 19. Jahrhundert beschränkt, das war eine der frauenfeindlichsten Epochen und besonders prägend für unsere Vorstellung von Geschlecht und Rollen, die Liebe wurde moralisiert und all das wirkt bis heute, Stereotypen und Biologismen nach wie vor. Du erzählst mir, wie sich deine Auseinandersetzung mit Feminismus im Laufe der Zeit, vor allem auch während des Studiums am Rosa-Mayreder-Kolleg, geändert hat, wo du deine Schritte zur wissenschaftlichen Arbeit fundieren konntest. Und danach sind vertiefte, präzisere Darstellungen von Frauen aus deiner Arbeit entstanden. Da war der allererste Wunsch, Frauen sichtbar zu machen, nämlich die Frauen in Wien, und du schilderst mir mit einem Lächeln, wie viel an Recherchearbeit du früher unternommen und wie intensiv du beworben hast, ohne das Internet und die vielen E-Mails, damals noch mit Flugblättern! Es klingt so für mich, als wärest du immer schon deiner Sache absolut sicher gewesen. Du hast gewusst, dass die Steine rollen müssen, und vor allem welche Steine, und wie du sie politisch bewegst! Mitunter wird dir dadurch etwas nachgesagt, verdammter Gossip! Die Frauen aus den eigenen Reihen zerreißen die eigenen Frauen, obwohl die Erfahrung aller Frauen in einer androzentristischen Gesellschaft doch vom täglichen «Unbehagen der Geschlechter» (Judith Butler) sprechen.

Ich vertrete die Meinung Butlers, die Klassifikationseinheit Geschlecht muss abgelehnt werden, denn die Unterschiede der Menschen eines Geschlechts sind stärker als die Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Butler geht davon aus, dass es so viele Identitäten gibt, wie es Menschen gibt. Verzeih, das war ein kleiner Exkurs zu meiner Diplomarbeit, Petra.

Auch ich muss mich im Schreiben üben, es tun, damit raus, publizieren oder singen, in die Welt, nicht zurückhalten meine Meinung und meine Haltung, muss mich artikulieren und die Gedanken beim Schreiben verfestigen, ja stärken, auch wenn mir dabei in das Gesicht gelacht, nicht gerade gespuckt, aber gelacht wird, was immer noch passiert, wenn ich das auslösende Wort F E M I N I S M U S in den Mund nehme. Aber Petra, bleiben wir bei der ganz bodenständigen Finanzierung deiner akademischen und künstlerischen Arbeit. Sie bedeutet eben auch politisch zu agieren, zu Frauenstadträtinnen zu gehen und zu Frauenministerinnen, die Möglichkeiten regnen nicht von oben auf uns herab, durch freundliche Gebete, wir brauchen das selbstverständliche Agieren, das Eintreten für unsere Arbeit mit emanzipierten, feministisch denkenden Vertreterinnen der Regierung in entscheidenden Positionen. Denn alles ist wieder da, Abschiebungen in undemokratische Länder, in den Tod, Gewalt gegen Frauen. Die Dominanzgesellschaft übernimmt die Kontrolle der Reproduktion, entledigt sich der Verantwortung der Kindererziehung und schiebt sie ins so genannte Private.

Jede ist ihres Glückes Schmiedin.

Die sind Geisteshaltungen, die sich nicht geändert haben.

Das ist das, wofür du arbeitest und kämpfst: die politische Aufklärungsarbeit.

Die Frauen sollten sich bei dir bedanken. Danke.

Info:

Lese-Lied-Performance

Mit Petra Unger und Jella Jost

Witziges, Ernstes, Politisches, Kämpferisches von Frauen und Frauenbewegungen!

Donnerstag, 19. Mai 2011 um 19 Uhr

Bezirksvorstehung Mariahilf

Amerlingstraße 11

1060 Wien

www.petra-unger.at

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