Kampf der BubenArtistin

Bibliotick

«Bist du wütend auf die Roma-Fans?» «Aber was. Auf die Bullen bin ich wütend, Ma.» «Sag, dass ich mir keine Sorgen machen muss.» «Dann mach dir eben keine Sorgen.»

«Den Bullen», findet Pierluigi, «sollte man ins Gesicht schießen.» Denn die Bullen haben auf der Autobahn mit einer Beretta 92 Parabellum den Fußballfan Gabriele Sandri erschossen, am Weg ins Stadion. Und darum treffen sich in der «Nacht von Rom» alle Roma-, Lazio- und Juventus-Hools, die sich an anderen Tagen gegenseitig mit Messern und Nietengürteln angreifen, um gemeinsam in die Schlacht gegen die Polizei zu ziehen. Und «Schlacht» ist noch ein harmloser Ausdruck für das, was kommt.

Auf der anderen Seite: die Celerini, italienische Bereitschaftspolizisten. Wochenende für Wochenende stehen sie vor den Fußballstadien bereit, vor allem von der Hoffnung getragen, selber lebend davonzukommen. Zwischendurch räumen sie Armensiedlungen und vertreiben Sexarbeiterinnen vom Straßenstrich, und sie warten auf den Prozess, der ihnen wegen Folter und Körperverletzung beim G8-Gipfel in Genua gemacht werden soll. Von dem werden sie übrigens alle glimpflich davonkommen.

In seinem Short-Cuts-Roman ACAB. All Cops Are Bastards zeichnet der italienische Investigativjournalist Carlo Bonini ein Bild der rohen Gewalt, aber auch ein Bild des verzweifelten Klassenkampfes. Pier Paolo ­Pasolini schrieb in seinem berühmten Aufruf an die KPI-Jugend nach einer Straßenschlacht mit der Polizei: «… ihr, Freunde, (obwohl im Recht), wart die Reichen, während die Polizisten (im Unrecht) die Armen waren.» Anders bei Bonini: Hier kämpfen Prolos gegen Prolos, alle mehr oder weniger dem Faschismus anhängend. «Herren im eigenen Haus» wollen sie sein, aber dafür reicht schlicht das Einkommen nicht: «Wenn ich meinen Freunden eine Runde Kaffee spendiere, muss ich eine Überstunde machen», stellt der Celerino Sciatto beim Einkauf von Nespresso-Kapseln fest. Ein trauriges Italienpanorama, das in seiner Sehnsucht nach Gerechtigkeit ganz ohne Optimismus auskommt.

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