Der Donaukanal ist im Sommer bei vielen Menschen beliebt. Um die Verwertung von Platz und Konsument_innen wird seit Jahren gestritten. Auch jetzt wieder.
Text: Christian Bunke, Illustration: Much
Verwertung? Wieso Verwertung? Man geht doch an den Kanal, um sich auf die Wiese oder den Asphalt zu setzen, das mitgebrachte Bier zu trinken und mit den Freund_innen zu plauschen? Doch da geht es schon los. Denn nach zwei, drei Getränken entwickelt sich vielleicht ein dringendes Bedürfnis. Wiens Umweltstadträtin Ulli Sima schrieb dazu am 9. Juni gar ein Facebook-Posting: «Und weil auch immer wieder Fragen zu den WCs kommen: Es gibt öffentliche Toiletten, und auch die Klos in den Lokalen können genutzt werden.» Nachdem es bezüglich Donaukanal zwischen SPÖ und ÖVP etwas gerappelt hat, gibt es Ende Juni zusätzlich mehr Polizei, dafür aber auch Dixiklos und Mistkübel.
Die Klos in den Lokalen können genutzt werden, weil die Stadt Wien bei der Bereitstellung «öffentlicher Bedürfnisanstalten», wie es im Amtssprech so schön heißt, zunehmend Deals mit privaten Betreiber_innen, also vor allem auch Lokalen, ausschnapst. Damit werden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Die Stadt spart Geld, welches sie der schwarzen Null im Budget wegen nicht ausgeben möchte, und die kommerzielle Gastronomie wird legitimiert und gefördert.
Hip, urban, kommerziell.
Womit wir mitten im zentralen Richtungsstreit beim Donaukanal wären. Es holpert ja schon seit einiger Zeit. 2017 kritisierte der Rechnungshof die «zu niedrigen» Pachtverträge für die Lokalbetreiber_innen. Sechs Flächen wurden neu ausgeschrieben, darunter Tel Aviv Beach, Adria Wien oder die Badeschiff-Vorfläche. Zwischen Umweltstadträtin Ulli Sima und Adria- plus-Badeschiff-Betreiber Gerry Ecker tobt seither ein Rechtsstreit. Sima möchte auf der Adria-Fläche «urbanes Streetfood» aus «Containern» einer «Vienna Waterfront» servieren. Auch Adria und Co waren bereits Teil einer Kommerzwelle. Jetzt fallen sie einer aus der Sicht der Umweltstadträtin nötigen Modernisierung zum Opfer.
Warum die Umweltstadträtin hier so aggressiv Wirtschaftspolitik betreibt? Ihre Dienststelle vertritt die Stadt Wien innerhalb der Donauhochwasserschutz-Konkurrenz sowie der Wiener Gewässer Management GmbH. Somit hat sie das Sagen darüber, was an den Wiener Uferzonen vor sich geht. Bei dem Job geht es eigentlich um öffentliche Aufgaben wie den Hochwasserschutz oder die umweltgerechte Gestaltung des Geländes. Scheinbar eignet er sich aber auch hervorragend für die Durchsetzung von kommerziellen Interessen.
Dabei liegen alternative Konzepte seit Jahren auf dem Tisch. Die Architektinnen Gabu Heindl und Susan Kraupp haben im Jahr 2011 einen «Wettbewerb für Gestaltungsleitlinien am Donaukanal» gewonnen und wurden zu diesen beauftragt. Dennoch werden ihre Gestaltungs- und Entwicklungsleitlinien quasi ignoriert, die Stadt Wien verlässt sich bei der Infrastruktur nach wie vor auf Privatinvestitionen.
Kein Platz für Freiflächen.
Das ist schade, denn im Zentrum der Gestaltungsleitlinien stand ein «Nichtbebauungsplan», um noch bestehende Freiräume zu schützen, sowie eine Orientierung auf die Intensivierung gemeindeseitiger Investitionen in die öffentliche Infrastruktur. Explizit heißt es in dem Dokument: «Die Entwicklung der letzten Jahre am Donaukanal hat hauptsächlich Gastronomie und Stadtstrände gefördert. (…) Die damit erfahrene Attraktivität des Ortes und Wertsteigerung der Lage resultiert in einen Nutzungs- und Investitionsdruck privater Investoren. Diverse Studien und Bevölkerungsbefragungen beschreiben aber den Wunsch – auch den Bedarf – der Bevölkerung nach nicht-kommerziellen Räumen im Zentrum der Stadt.»
Für deren Verteidigung muss man kämpfen. Dies geschah im Jahr 2015, als sich die Initiative Donaucanale für Alle gegen die Verbauung der letzten nicht-kommerziell genutzten Wiese am Donaukanal stark machte. Auch hier sollte Großgastronomie entstehen. Die Initiative berief sich auf den «Nichtbebauungsplan» von Gabu Heindl und Susan Kraupp und machte mit Konzerten, Wiesenbesetzungen und Petitionen mobil. Nur durch deren Engagement wurde der Nichtbebauungsplan überhaupt einer größeren Öffentlichkeit bekannt.
Dem AUGUSTIN sagte Gabu Heindl, dass es den Architektinnen mit ihrer «Partitur» für den Donaukanal darum ging, «einen guten Rhythmus zwischen kommerziellen und viel mehr nicht kommerziellen Räumen» zu schaffen, «von öffentlicher Infrastruktur, sodass es eben nicht einen Deal mit Gastronom_innen braucht, damit es öffentlich zugängliche WCs gibt.» Wer sich dafür einsetzen mag – der Nichtbebauungsplan bietet eine gute Argumentationshilfe.
Gabu Heindl, Susan Kraupp: Donaukanal Partitur
wien.gv.at/stadtentwicklung/studien/pdf/e000012.pdf