Kein Bier hier?tun & lassen

Widersprüchlich ist die Debatte um Alkoholverbote an ­öffentlichen Plätzen in Wien. Dient sie vor allem als
Vorwand, ­um nach unten zu treten? Text: Christian ­Bunke, ­Foto: Mario Lang

Der Praterstern hat eines, der Franz-Jonas-Platz in Floridsdorf sollte eigentlich eines kriegen, hat jetzt aber doch keines, und in der Josefstädter Straße ist es immer wieder Thema – das Alkoholverbot im öffentlichen Raum. Besonders die FPÖ versucht sich mit Forderungen nach Alkoholverboten in den Bezirken zu profilieren, aber auch Teile der Sozialdemokratie finden daran Gefallen.
Das ist alleine schon deshalb spannend, weil dieselben Menschen hier für Freiheitseinschränkungen argumentieren, die bei der Diskussion um das Rauchverbot vehement eine Bedrohung durch die «Nichtraucherdiktatur» an die Wand malen. Und wenn sich etwa ein Restaurant entscheidet, keinen Alkohol anzubieten, droht von selber Seite ebenfalls Ungemach.

Wein für die Gäste …

So sorgte sich der ehemalige Klubvorsitzende der SPÖ im Nationalrat Josef Cap im Rahmen seines Vorzugsstimmenwahlkampfs im Sommer 2017 darüber, dass eine Reihe türkischer Lokale den Alkoholausschank verweigern und somit die Konsument_innen vom Genuss eines Glaserl Weins «ausschließen» würden. Türkische Lokale hätten aber zu akzeptieren, dass der Alkohol zum österreichischen Kulturkreis dazugehöre. «Alkoholverbote» in türkischen Lokalen seien somit Warnzeichen für eine fortschreitende Islamisierung. Mit seinem Thema kam Cap damals nicht durch. Parteikollegin Nurten Yılmaz gewann den Vorzugsstimmenwahlkampf mit einer klaren antirassistischen Positionierung.
Womit wird nun die Forderung nach Alkoholverboten im öffentlichen Raum begründet? Eine Antwort bietet der Blog des Floridsdorfer Bezirksvorstehers Georg Papai (SPÖ). Am 26. April 2018 wurde dort folgende Erklärung veröffentlicht: «Durch das mit Freitag in Kraft tretende Alkoholverbot am Praterstern könnte sich die derzeit weitgehend friktionsfreie Situation am Franz-Jonas-Platz schlagartig ändern, befürchtet Bezirksvorsteher Georg Papai ein Abwandern der vom Verbot betroffenen Zielgruppe in den Norden Wiens. Schließlich hat schon der seinerzeitige Umbau des Pratersterns zu einer zeitweiligen Erhöhung der Präsenz marginalisierter Gruppen auf anderen Bahnhöfen geführt.» Und weiter: «Ich will nicht abwarten, bis eine Entwicklung einsetzt, die sich jetzt schon erahnen lässt. Deshalb trete ich für eine Alkoholverbotszone auf dem Franz-Jonas-Platz und die nähere Umgebung, vor allem auch in Blickrichtung auf die angrenzende Bildungsmeile in der Franklinstraße, ein.»

… Wein für die Unerwünschten.

Das Problem, so scheint es, ist weniger der Alkohol an sich, sondern dessen Konsum durch «marginalisierte Gruppen», denen man den Aufenthalt an öffentlichen Orten so erschweren möchte. Entlang derselben Linien wurde das Alkoholverbot auch für andere Orten diskutiert. So fordert die FPÖ ein Alkoholverbot für den Elterleinplatz in Hernals, konnte dafür aber bislang keine Mehrheiten im Bezirksparlament finden. Die Hernalser Bezirksvorsteherin Ilse Pfeffer hält ein Alkoholverbot unter anderem deshalb nicht für sinnvoll, weil dadurch eine Abwanderung der «Suchtkranken» in umliegende Parks und öffentliche Plätze drohe. Dabei hat der Bezirk durchaus Verdrängungsmaßnahmen gesetzt. Die Sitzbänke am Elterleinplatz wurden vor kurzem derart umgestaltet, dass man sich dort nicht mehr hinlegen kann – eine offensichtliche Maßnahme gegen die von Georg Papai angesprochenen «marginalisierten Gruppen».
Alkoholverbote schlagen in dieselbe Kerbe. Ein gutes Beispiel sind die Wiener Linien. Einerseits gibt es in fast jeder U-Bahn-Station Würstelstände, Kebabbuden und Bäckereien. In den allermeisten davon wird auch Alkohol angeboten. Gleichzeitig haben die Wiener Linien, angeführt von der zuständigen Stadträtin Ulli Sima, in den vergangenen Monaten eine massive Kampagne gegen «marginalisierte Gruppen» geführt. Bekannte Eckpunkte sind das Alkohol- und Essverbot in den U-Bahnen, das mit Hilfe einer Onlineabstimmung durchgesetzt wurde, die man ruhig populistisch nennen darf. Mitmachen konnte nur, wer auch online gehen kann. Außerdem machte es die Art der Fragen schwer, sich gegen ein Essverbot in der U-Bahn auszusprechen.
Die von Sima durchgeführte Aktionen ließen eine zumindest bedenkliche Abneigung gegen Menschen am unteren Ende des gesellschaftlichen Spektrums erahnen. So ließ sie auch Deos an U6-Stationen verteilen und wollte die hier fahrenden Garnituren sogar parfümieren lassen. Subtext: Hier verkehrt der ungewaschene Pöbel.
Zum gegen die «marginalisierten Schichten» entwickelten Programm gehört auch die Einführung eines firmeneigenen Sicherheitsdienstes mit 120 Mitarbeiter_innen. Dabei handelt es sich um «vereidigte Eisenbahnaufsichtsorgane», die Identitätsfeststellungen und Festnahmen durchführen dürfen. Diesem Sicherheitsdienst fällt die Aufgabe zu, «marginalisierte Schichten» von den Bahnsteigen zu entfernen.

Unsichtbar.

Fast scheint es, als sollen ganze Bevölkerungsgruppen unsichtbar gemacht werden. Die Alkoholverbotsdebatte entbrennt immer dann, wenn dies nicht gelingt. Ein Beispiel ist die Josefstädter Straße. Hier ist die Obdachloseneinrichtung Josi beheimatet. Im Oktober feierte sie ihr 30-jähriges Bestehen. Vor allem im Sommer und bei schönem Wetter ist der Platz vor der Einrichtung bei den Josi-Klient_innen ein beliebter Aufenthaltsort. Sehr zum Ärger der FPÖ, die hier ein Alkoholverbot fordert. Mit einem solchen Verbot hätte die Polizei eine Handhabe, die Menschen vor der Josi zu zerstreuen. Gerade eine solche Zerstreuung fürchten jedoch die Bezirksvorsteher_innen von Ottakring und der Josefstadt, weswegen sie ein Alkoholverbot ablehnen.
Die Josi ist ein wichtiger Anker für wohnungs- und obdachlose Menschen. Hier gibt es Duschen, Aufenthaltsräume und eine Küche. Ein gut ausgestattetes Depot bietet Bekleidung und warme Schlafsäcke. Alkohol wird nicht ausgeschenkt, und die Josi möchte sich aus der Alkoholverbotsdebatte heraushalten. «Der öffentliche Raum ist der öffentliche Raum», sagt Leiterin Vera Howanietz. Es gebe vor der Josi sehr viele unterschiedliche Personengruppen. «Teilweise handelt es sich um Josi-Klientel, teilweise um die Zielgruppe der Sucht- und Drogenhilfe. Wir sehen schon, dass es vermehrt Diskussionen um den öffentlichen Raum gibt.»

Ein Schanigarten für die Josi.

Vielleicht als eine Reaktion auf diese Diskussionen plant die Josi die Errichtung eines «Schanigartens» am der Josefstadt zugewandten Teil der Einrichtung. «Hier soll der gemäßigte Konsum von alkoholhaltigen Getränken wie Bier und Wein erlaubt sein», sagt Howanietz. «So wird ein geschützter Raum für unsere Klientel geschaffen, wo sich die Menschen aufhalten können, ohne Gefahr zu laufen, in Konflikte – zum Beispiel mit der Polizei – zu geraten. Ein Zaun soll einen Sichtschutz bieten.»
Manchen Politiker_innen wäre es wohl am liebsten, Einrichtungen wie die Josi würden gar nicht existieren. Die Devise heißt: Aus den Augen, aus dem Sinn. Das hat Kontinuität. Während der Nazizeit gab es in Wien ein Register, in welchem 500.000 Namen sogenannter «Asozialer» aufgelistet waren, deren Deportation und Vernichtung man anstreben wollte. Ein solches Ausmaß hat die Wiener Debatte natürlich nicht, aber der Wunsch nach Verdrängung des «Problems» ist offensichtlich. Hier liegt auch der Unterschied zum Rauchverbot in Lokalen, gegen das teilweise dieselben Personen wettern, die für ein Alkoholverbot im öffentlichen Raum sind: Es betrifft zahlungskräftigere Kundschaft als jene, die ihren Alkohol draußen trinken (müssen).