Kein Importsoja fürs Regionalviehtun & lassen

Leserinnenkommentar zum Fleischessen, Augustin Nr. 493

Agrarpolitik. Den Artikel «Land der Rinder, Land der Schweine» (Augustin Nr. 493) findet Leserin Nora Brandes gut – die Lösungsansätze aber ungenügend. Anstatt ins Konsumverhalten zu intervenieren, sollten Agrar- und Handelspolitik neu gedacht werden.

Natürlich ist es gut, wenn die Klimabilanz von Lebensmitteln im Supermarkt ausgewiesen wird. Ebenso, wie ausgewiesen werden sollte, in welchem Fleisch genmanipuliertes Sojafuttermittel steckt. Grundsätzlich halte ich aber Maßnahmen, die bei der individuellen Kaufentscheidung stehen bleiben, für zu wenig. Schon jetzt ist es sehr aufwändig, ökologisch einzukaufen, überall steckt Palmöl drin, es gibt ständig Berichte, wie viel bei Lebensmittelkennzeichnungen geschummelt wird und so weiter und so fort. Das Einkaufen wird so schnell zur Wissenschaft, die nur einige wenige wirklich ernsthaft betreiben (können), und selbst die scheitern teilweise aufgrund des fehlenden Angebots.

Karbonsteuer vs. Agrarsubventionen.

Oft habe ich den Eindruck, es wird über eine Karbon­steuer geredet, um Machtverhältnisse in unserer Gesellschaft nicht beim Namen nennen zu müssen. Natürlich ist der hohe Fleischkonsum in Österreich problematisch. Statt einer CO2-Steuer, deren ökologische Sinnhaftigkeit und Praktikabilität umstritten ist, würde ich aber zuerst einmal über die Klimaschädlichkeit der EU-Landwirtschaftssubventionen sprechen wollen. Denn dass Fleisch überhaupt so billig ist, haben wir alle indirekt bereits mit unseren durch die EU fehlgeleiteten Steuergeldern bezahlt.
Die EU macht mit ihrer Subventionspolitik im Landwirtschaftsbereich Politik für große Agrarkonzerne und gegen kleine und ökologisch wirtschaftende Höfe. Ziel der EU ist die Erschließung immer neuer Märkte, z. B. in Afrika oder Asien. In Afrika wird die regionale Landwirtschaft zerstört, weil ihre Produkte mit den hochsubventionierten EU-Produkten nicht mithalten können. Die EU befeuert eine ungemeine Konzentration in der Landwirtschaft – und das, obwohl die industrielle Landwirtschaft weder ökologisch noch sozial nachhaltig ist. Seit dem EU-Beitritt wurde jede_r zweite Bauernhof in Österreich aufgegeben.
Man sollte ganz einfach Sojafuttermittelimporte verbieten und sich auch bei Fleischimporten entsprechende Maßnahmen überlegen, anstatt Fleisch mit einer Steuer zu belegen, bei der man kompliziert errechnen muss, wie viele zu besteuernde Treib­hausgasemissionen da nun im Detail drinstecken. Das wäre nicht nur ein Zeichen gegen die Regenwaldzerstörung, sondern auch gegen die Vertreibung der Bauern und Bäuerinnen in Südamerika, die ihren Lebensunterhalt dann als Arbeiter_innen auf den Sojaplantagen unter miesen Arbeitsbedingungen bestreiten müssen.
Durch ein Ende der Subventionierung von Agrarkonzernen und ein Verbot von Sojafuttermittelimporten sowie Fleischimporten aus Ländern mit schlechten Umweltstandards würde es im Supermarkt viel weniger Fleischangebot geben. Denn wenn Tiere nur mit regionalen Futtermitteln gefüttert werden dürfen und die Höfe ökologisch wirtschaften müssen, muss die Tierhaltung automatisch reduziert werden. Das Fleisch würde sich aufgrund des verringerten Angebots vermutlich auch verteuern. Jenes Fleisch, das angeboten werden würde, wäre aber gesünder und ökologischer. Bedenkt man, dass laut Ernährungspyramide Fleisch maximal zwei Mal pro Woche verzehrt werden sollte, dürfte das vertretbar sein.

Freiraum für gesunde Ernährung.

Das Ziel – verringerter Fleischkonsum – wäre also dasselbe, der Weg dorthin aber einer, für den man sicherlich mehr Menschen gewinnen kann. Denn für ein Verbot von genmanipuliertem Regenwaldsoja als Futtermittel und ökologisch bedenklichen Fleischimporten und eine verstärkte Subventionierung regional und ökologisch wirtschaftender Betriebe wird man in der österreichischen Bevölkerung mehr Zuspruch erhalten, als für eine wie auch immer geartete Besteuerung von Lebensmitteln. Dieser Ansatz nimmt die Agrarindustrie in den Blick, die mit klimaschädlichem Verhalten viel Profit macht.
Ich fände es auch wichtig, für ökonomisch schlechter gestellte Menschen mehr Handlungsmöglichkeiten zu schaffen, um sich mit gesunder Ernährung zu beschäftigen. Das wäre z. B. bis zu einer gewissen Einkommensobergrenze eine Arbeitszeitverkürzung bei gleichbleibendem Gehalt – sowie die ganze Bandbreite an Maßnahmen zur Verbesserung der Lebenssituation. Denn die Alleinerzieherin, die zwischen Kindergarten und Job hin und her hetzt und sich Sorgen um die nächste Mieterhöhung macht, hat relativ wenige Freiräume, um sich mit gesunder Ernährung zu befassen. Zudem müsste eine Aufklärungskampagne aufzeigen, dass gesunde und klimaschonende Ernährung Hand in Hand gehen. Auch die Kulturtechnik «Wie koche ich mir ein gesundes Essen» muss den Menschen wieder nähergebracht werden. Die Politik wird das aber sicher nicht im nötigen Umfang machen, weil sie momentan lieber den Agrarlobbies das Geld hinterherschmeißt. Da bräuchte es wohl Initiativen von unten und auch Kampagnen, um politische Änderungen einzufordern.

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