21 Interviews
Die erfahrene Kriegs- und Krisenberichterstatterin und ehemalige «Kurier»-Journalistin Livia Klingl veröffentlicht nach «Wir können doch nicht alle nehmen! Europa zwischen ‹Das Boot ist voll› und ‹Wir sterben aus›» (2015) nun ihr nächstes Buch: «Lauter Fremde! Wie der gesellschaftliche Zusammenhalt zerbricht».In einem einleitenden Essay arbeitet Klingl heraus, wie die Angst vor dem Fremden zum Teil aus der Angst vor dem eigenen Bedeutungsverlust entsteht. Sie konstatiert, dass das untere, arme Drittel unserer Gesellschaft in dieser kompliziert gewordenen, global vernetzten Welt leichtfertig die «Fremden» für den eigenen Abstieg verantwortlich macht – auch wenn dafür eher die US-Subprime-Krise 2008 herhalten sollte. Klingl zeigt weiter, dass sich die Begrifflichkeiten verändert haben: «Die Fremde und die Fremden, sie wurden über die Jahrzehnte umdefiniert von ‹interessant› und ‹spannend› auf ‹unzivilisiert› und ‹bedrohlich›.» Die «Fremden» als Projektionsfläche also.
Der Hauptteil besteht aus 21 Interviews zum Thema Fremdheit und Fremdsein. Etwa mit der ORF-Moderatorin Silvana Meixner, mit dem Verleger Lojze Wieser, der Filmemacherin Nina Kusturica oder mit Staatssekretärin Muna Duzdar, die palästinensische Wurzeln hat. Auch drei Geflüchtete aus Afghanistan und Syrien kommen zu Wort. «Mir ging es um die Frage: Was ist für jemanden fremd?», sagt Livia Klingl. So erzählte Staatssekretärin Duzdar der Autorin, dass sie sich als Kind in der Volksschule fremd gefühlt habe. «Fremd fühlt man sich, wenn jemand einen ganz anders sieht, als man ist», sagt eine der Porträtierten. Dennoch: «Es war sehr erfreulich zu sehen, wie viele Menschen einen sehr positiven Zugang zur Welt haben», zieht Livia Klingl eine hoffnungsvolle Erkenntnis aus ihrer Beschäftigung mit dem Thema – nachzulesen in ihrem beeindruckenden Buch.
Livia Klingl: Lauter Fremde! Wie der gesellschaftliche Zusammenhalt zerbricht
Kremayr & Scheriau 2017
208 Seiten, 22 Euro
Ein Interview mit Livia Klingl hören Sie am 22. Mai um 15 Uhr in
Radio Augustin.