«20 Jahre Augustin» Jahrgang 2000: Der öffentliche Verkehr und Raum wurde fokussiert
Der Slogan «Recht auf die Stadt» wurde im Augustin bereits vor 15 Jahren explizit behandelt. Im Grunde genommen auch nicht verwunderlich, dass bei diesem Thema gerade eine Straßenzeitung eine Vorreiterrolle eingenommen hat, findet Reinhold Schachner, der zu seiner Schande gestehen muss, vor 15 Jahren noch nicht einmal Augustin-Leser gewesen zu sein.
Foto: Mario Lang
Im fünften Jahr des Bestehens expandierte der Augustin recht ordentlich: Die Erscheinungsfrequenz wurde im April 2000 von einmal auf zweimal pro Monat gesteigert. Dafür musste einerseits das Personal aufgestockt werden, andererseits galt es auch, neue Themenfelder zu erschließen bzw. zu intensivieren, wie z. B. das Medium Radio mit der Doppelseite «Ohrwurm» (Näheres dazu in der Veranstaltungsbeilage «Strawanzerin»). Oder die ausführliche und lobbyierende Berichterstattung über die Öffi-Aktionen der Augustin-Verkäufer_innen. Bereits im Jahre 1999 damit beginnend fuhren an jedem 13. des Monats Kolporteur_innen im Bunde mit (musizierenden) Sympathisant_innen demonstrativ ohne Fahrschein mit der Bim zum Rathaus. Diese Aktionsreihe trug den Titel «Tag der freien Fahrt» und wurde initiiert, weil Sozialhilfeempfänger_innen keinen Anspruch auf ermäßigte Fahrscheine hatten. Und ganz zu schweigen von Freifahrt für Mittellose.
Nun, 15 Jahre später ist der Begriff «Sozialhilfe» Geschichte, heutzutage spricht man von bedarfsorientierter Mindestsicherung und glücklicherweise änderte sich nicht nur die Bezeichnung für die Unterstützung, sondern auch Inhalte. Mit dem eingeführten Mobilpass erhalten Bezieher_innen der Mindestsicherung zumindest Ermäßigungen für die Wiener Linien, aber von der Freifahrt ist (trotz Stadtregierungsbeteiligung der Grünen) beschämender Weise noch immer nicht die Rede (Näheres dazu in der aktuellen Ausgabe von Augustin TV, die in der Mediathek von okto.tv abgerufen werden kann.)
Recht auf die Stadt
Den zweiten großen Themenkreis des Jahres 2000 betraf den öffentlichen Raum, dem zusehends der «öffentliche» Charakter untergraben wurde und natürlich noch immer wird. Mit der Ausgabe «Juni 2/2000» wurde am Titelblatt die Frage gestellt, «Wem gehört die Stadt?». Die Story dazu beschrieb «Permanent Breakfast», ein Projekt des Künstlers und Dokumentarfilmers Friedemann Derschmidt, wo es galt, im öffentlichen Raum zu frühstücken, u.z. auf einem gedeckten Tisch, denn es handle sich eben um ein Frühstück und nicht um ein Picknick. «Die ästethische Inszenierung macht das Kraut fett», sagte damals Friedemann Derschmidt zum Augustin.
In vielen ausführlichen Beiträgen galt es, ein «Recht auf die Stadt» für nicht-kommerzielle und/oder nicht konsumierende Nutzer_innen einzufordern. Wiederholt wurde die Gürtelsanierung nördlich des Westbahnhofs besprochen, da sie ein gutes Beispiel dafür ablieferte, wie sogenannten Randgruppenangehörigen beispielsweise durch bauliche Maßnahmen hinterrücks ihr Recht auf die Stadt torpediert wurde. Dazu ein Gustostückerl aus der Ausgabe «September 2/2000» über die «Sitzverhinderungsmaßnahme» vor der JOSI, dem Tageszentrum für Obdachlose bei der U6-Station Josefstädter Straße. Die mit der Neugestaltung des erwähnten Gürtelabschnitts beauftragte Architektin Silja Tillner hielt fest: «In der ursprünglichen Planung war vorgesehen, die erhöhte Baumeinfassung mit einem Holzlattenrost zu belegen. Vor dem Bogen 37–38 (Musiklokal Rhiz, Anm.) wurde dies auch so ausgeführt. Vor der U6-Station Josefstädter Straße wurde während des Baus plötzlich ein Baustopp verhängt, obwohl die Betonmauer bereits errichtet und die Lattenroste bestellt waren. […] Auch der Vorschlag, die Betonmauer ohne Holzrost auszuführen, wurde abgelehnt (von der MA 12, Anm.), da dies ja noch immer zum Sitzen einladen könne, dieses jedoch unbedingt verhindert werden müsse.»
Der für die Architektin «traurige Kompromiss» bestand in Form einer dicken Stange, die wenigstens ein kurzes Hinsetzen erlaubte. Diese besteht noch immer, doch vor dem Rhiz hat sich etwas getan: Bei der zum Radweg liegenden Seite der Baumeinfassung ist in der Zwischenzeit eine wirkungsvolle «Sitzverhinderungsmaßnahme», wie es im MA-12-Sprech so schön heißt, in Form eines hässlichen Metallzauns, der durch Kletterpflanzen behübscht werden soll, montiert worden. – Schikane oder Schutzmaßnahme in Anbetracht des knapp vorbeiführenden Radweges, das ist hier die Frage.
Info:
Augustin-Mitarbeiter_innen machen sich im Frühjahr drei Mal hochoffiziell im öffentlichen Raum sichtbar und möchten mit Passant_innen Konversation führen bzw. Sport ausüben:
«Augustin nimmt Platz»
Di., 21.4., 15 bis 18 Uhr am Karlsplatz
«Augustin Breakfast»
Do., 21.5., 10.30 Uhr Mariahilfer Straße, geplant Höhe Stiftgasse
«Gustl-Olympiade» oder der 5 K(r)ampf der Boulevard-Disziplinen
Fr., 19.6., 12 bis 16 Uhr, Siebenbrunnenplatz, Wien 5