Keine Geburtstagsgeschenke für die KinderDichter Innenteil

Die Abenteuer des Herrn Hüseyin (9)

Im Türkischen sagt man: «Der Fuchs landet beim Kürschner.» So ist es auch beim Herrn Hüseyin, wo auch immer er eingeladen ist, besucht er seinen nicht echt-griechischen Gastronomen-Freund im ersten Bezirk.

An der Bar sind ähnliche Menschen wie unser Hüseyin. Als Erstes bekommen sie ein großes Bier, dazu gleich ein Glas Ouzo oder Metaxa. Das passiert automatisch. Die Kellnerinnen kennen diese Kunden schon. Inzwischen ist Herr Hüseyin gut befreundet mit ihnen. Einer von denen an der Bar kam immer mit einem Zweiten in das Restaurant. Dem Hüseyin fiel auf, dass einer sich immer Speisen für zwei bestellte, dann aß er das Ganze allein. Gyros auf einem Riesenteller. Berge von Fleisch. Aber der kommt seit langem nicht mehr in unsere Kneipe. Herr Hüseyin führt mit dem anderen ein Gespräch und fragt ihn, warum denn sein Freund nicht mehr in das Lokal komme. Da erfährt Herr Hüseyin über seinen Gesprächspartner einiges mehr. Sie reden über die Arbeit. Er und sein Freund waren bei einer Leihfirma. Jetzt ist er arbeitslos. Für ihn ist es wichtig, eine Arbeit und eine Wohnung zu haben, antwortet er dem Hüseyin. Das ist das Wichtigste für ihn im Leben. Eine Arbeit und eine Wohnung. Vor kurzem hat ihn seine Frau aus Asien verlassen. Er ist deswegen sehr traurig. Dazu schweigt Herr Hüseyin. Zwar lebt Hüseyins Familie mit acht Kindern in Kurdien, aber zu ihnen hat er sehr wenig Kontakt. So viele Jahre hat er selber im Ausland, also in Österreich, verbracht. Er hat nie zu den Geburtstagen der eigenen Kinder Geschenke nach Hause geschickt. Wie denn auch. Bei so vielen Kindern in so einer wirtschaftlichen Situation. Lieber hat er jahrelang den gleichen Anzug angehabt. Außerdem hat Herr Hüseyin sich nie die Geburtstage der vielen Kinder gemerkt. Auch sein eigener Geburtstag wurde von seinen Eltern nie gefeiert.

 

Die Tanzsäle waren immer verdunkelt, daher sah man nicht, dass Herr Hüseyin immer den gleichen speckigen Anzug anhatte. Dafür hat er viele Felder in seiner Gegend aufgekauft. Dort ist er schon angesehen. Aber wie Herr Hüseyin in Wien lebt? Die Frage stellt ihm in seinem Dorf keiner. Die Verwandten luden ihn immer zum Essen zu sich ein. Natürlich waren diese Einladungen immer mit irgendwelchen Gegengeschäften verbunden. Alle wollten von ihm Geld haben. Aber keiner fragte ihn, ob er Geld hatte. Wie könne es sein, dass Herr Hüseyin die Bedürfnisse der Verwandten abweise! Die Kinder waren alle groß, die Töchter sind alle verheiratet. Für sämtliche Hochzeiten – sie fanden immer im letzten Sommermonat statt – konnte Herr Hüseyin keinen Urlaub bekommen. Dafür war der ältere Bruder Hüseyins zuständig. Er kassierte das Brautgeld. Davon sah Herr Hüseyin keinen Cent. Wenn Herr Hüseyin mit einem Wiener sich so unterhält, kommt ihm seine eigene Lage nicht unbedingt sehr rosig vor. Jedes Jahr, in dem er die Nachricht bekam, wieder Vater geworden zu sein, bedeutete das für ihn mehr zu arbeiten und mehr Geld nach Hause zu schicken. Aber Herr Hüseyin vergisst für einen Moment an sich zu denken und hört dem Wiener Kollegen zu. Der Wiener will die Leihfirma unterstützen, damit sie erfolgreich ist und er seinen Job behalten kann.

 

Herr Hüseyin wird auch bald seinen Job verlassen und wird wie in den Achtzigern in eine kleine Wohnung umziehen. Er möchte nicht mehr nur für Rechnungen arbeiten, sondern auch zumindest für eine bestimmte Zeit das Leben in Wien genießen. Es ist Frühling, die Vögel zwitschern, und bald muss der Hüseyin wieder einmal zum Zahnarzt.

Ihr Herr Hüseyin