«Keine Gründe, eine Pflanze zu verbieten»vorstadt

Aufregung im Uhudlerland: Siegen die Erben Zweigelts?

Was in der Wachau die Marille und im Bregenzer Wald der Alpkäse, ist im Südburgenland der Uhudler. Es sind regionaltypische Produkte, die zu Entwicklungsfaktoren geworden sind. Der Gedanke, die EU könnte in der Wachau die Marillen verbieten, scheint abwegig zu sein. Das Brüsseler Njet zum Uhudler ist, wenn auch rätselhafte, Realität. Robert Sommer (Text) und Mehmet Emir (Fotos) nach einem Ausflug ins Uhudlerland.Augustin-Fotograf Mehmet Emir ist hingerissen. Im Kellerviertel der südburgenländischen Gemeinde Heiligenbrunn hat der Weinbau derartig die Landschaft geformt, dass jeder Blick durch die Kamera ein brauchbares Motiv abgibt. Auch das ist also Österreich, höre ich Mehmet immer wieder sagen, während er zwischen den zum Teil aus dem frühen 18. Jahrhundert stammenden Kellerhäusern aus dem Staunen nicht herauskommt. Rund die Hälfte der 125 «Kellerstöckl» haben ein Strohdach, der Boden ist aus gestampftem Lehm, und mit Lehm sind auch die Holzblockwände verschmiert. Das Weinkellerviertel von Heiligenbrunn zählt nicht zu den Weltwundern, aber es ist das inoffizielle Energiezentrum des Uhudlertums, die Heimat einer Rarität, die zur Geschichte des österreichischen Weinbaus das abenteuerlichste und legendärste Kapitel beigetragen hat. Das gerettete Kellerviertel und der mythische Uhudler – das ist eine Kombination, ohne die das Dorf an der ungarischen Grenze das Schicksal der Ortschaften an der tschechischen Grenze teilen würde: Abwanderung, Perspektivlosigkeit, Verfall.

Vom «Diktat aus Brüssel» ist oft die Rede. Das ist oft populistisch dahergeredet. Denn in manchen europäischen Verordnungen, die sich Österreich zu übernehmen verpflichtet hat, steckt mehr ökologisches Denken als in heimischen Regelungen. Den Zwang, die Uhudlerproduktion sukzessive einzustellen, bis im Jahre 2030 der letzte Uhudlerweingarten gerodet sein muss, zählt aber nicht zu den nachvollziehbaren EU-Maßnahmen.

Der Obmann – ein Krimineller?

Österreichs Landwirtschaftspolitik hat ihr Okay zum Brüsseler Anspruch gegeben, die nationalen Tafelweinbestimmungen an das EU-Recht anzupassen. Für die südburgenländischen Uhudler-Erzeuger_innen hat das doppelte Konsequenzen: Erstens ist jede Neuanpflanzung von Uhudler-Reben verboten. Zweitens ächtet die europäische Sortenverordnung die im Burgenland gebräuchlichen und beliebten Uhudler-Sorten Concordia, Elvira, Ripatella und Delaware. Die ebenso gängigen und wohlklingenden Sorten Othella, Isabella und Noah werden von den europäischen Weinbürokraten vorübergehend toleriert. Dass die einen verboten, die anderen noch erlaubt sind, ist auch für Harald Kaiser, den Obmann des 320 Produzent_innen umfassenden «Vereins der Freunde des Uhudler» eine Differenzierung, die nur Kopfschütteln hervorrufen kann.

Wir treffen Harald Kaiser in seiner Buschenschank in Hagensdorf, Gemeinde Heiligenbrunn. Er zeigt uns den bezirksamtlichen Rodungsbescheid. Demzufolge muss er den auf einer Fläche von 2500 Quadratmeter neu ausgepflanzten Uhudler bis 30. Juni gerodet haben. Kaiser ist einer der rund 30 Uhudlerwinzer_innen, die das Neupflanzverbot nicht befolgt haben. «Nicht befolgen können», betont der Obmann, «weil vielen von uns, die sich auf die Selbstvermarktung von Uhudler spezialisiert haben, aufgrund der steigenden Nachfrage im Vorjahr bereits im August die Ware ausgegangen ist». Längst wird der Uhudler nicht nur zu Wein verarbeitet, sondern auch zu Bränden, Likören, zu Sekt und zu Marmeladen. Statt der hastigen Vorbereitung einer Revolte gegen die Rodungsbescheide gibt der Chef der Uhudlerproduzent_innen die Devise «Abwarten» aus. Niemand im südlichen Burgenland vermag sich wirklich vorzustellen, dass die Agrarbehörde Bagger schickt und ernst macht mit der Ausrottung des Uhudlers. Zumal der burgenländische Agrarlandesrat Andreas Liegenfeld (ÖVP) auf die Pauke haute: «Wir werden uns dieses südburgenländische Kulturgut nicht von einem EU-Diktat nehmen lassen. Ich werde mich mit voller Kraft gegen das drohende Verbot der Reben einsetzen.»

Die 70 Hektar Rebfläche, auf denen Uhudler angebaut werden, sind für den großen internationalen Weinmarkt eine nicht einmal annähernd relevante Dimension. Sie seien aber wichtig für die Identität einer Region, so Liegenfeld. Um die notwendigen fundierten Unterlagen zu bekommen, die die Haltung der EU zum Uhudler korrigieren könnten, habe er eine Studie in Auftrag gegeben. Dabei gehe es auch darum, die alten Vorwürfe gegenüber dem «gesundheitsschädlichen» Uhudler auszuräumen. Inzwischen hat der Obmann des Uhudler-Vereins das Wiener Rechtsanwaltsbüro Fellner Wratzfeld & Partner beauftragt, die südburgenländischen Interessen zu wahren und die Hintergründe der kuriosen Prohibitions-Politik zu recherchieren.

(zwiti) Ein Gerücht ohne Anführungszeichen

Was sofort ins Auge fällt, ist eine Überregulierung, die auf eine Entmündigung der einzelnen Weinproduzent_innen hinausläuft. Die EU-Verordnung «zur gemeinsamen Marktorganisation für Wein» aus dem Jahr 1999 enthält unter anderem folgende «Befehle», die für Weinbäuerinnen, die besser als weit vom Schuss agierende Bürokrat_innen wissen, was vermarktbar ist und was nicht, nur als Zumutung empfunden werden können: «Nur die in der Klassifizierung aufgeführten Rebsorten dürfen in der Gemeinschaft zum Zwecke der Weinherstellung angepflanzt, wiederangepflanzt oder veredelt werden. Flächen, die mit nicht in der Rebsortenklassifizierung aufgeführten Sorten für die Weinherstellung bepflanzt sind, müssen gerodet werden, sofern die Erzeugung auf diesen Flächen nicht ausschließlich für den Verbrauch der Familie des Weinbauers bestimmt ist. Die Mitgliedstaaten treffen die zur Überwachung dieser Ausnahmeregelung notwendigen Maßnahmen. Werden Sorten aus der Klassifizierung gestrichen, so sind die betreffenden Flächen innerhalb von 15 Jahren nach deren Streichung zu roden.» Etc., etc. Dass eine EU, die solch vormundschaftliches Regime aufzieht, in gewissen Weinregionen nicht sehr beliebt ist, liegt auf der Hand.

Dass die Täter in der Causa Uhudler-Verbot nicht nur in Brüssel sitzen, ist spätestens durch die nun gehäuft auftretenden anonymen Anzeigen gegen die Uhudler-Winzer_innen evident. Wer steckt dahinter? Wen stören die wenigen Hektare dieses Weines? Der Unterloisdorfer Biobauer Walter Eckhart erklärte dazu dem Augustin, er habe «aus berufenem Munde» ein «Gerücht ohne Anführungszeichen» gehört. Demnach hätten einige «Edelweinproduzenten» aus Niederösterreich und der Steiermark den Uhudler-Vermehrern den Kampf angesagt. Formell, weil Delikte gegen das Neupflanzverbot sanktioniert gehörten, in der Realität aber aus Konkurrenzneid: «Ein konventioneller Zweigelt-Winzer muss teuer produzieren, weil er für die gespritzte Chemie im Weingarten viel Geld ausgeben muss, während ein Uhudlergarten keine Spritzungen braucht. Dazu kommt, dass der Uhudler, eben weil er eine regionale Rarität ist, gute Preise pro Flasche erzielt», erläutert Eckhart.

Er habe sich dem Kampf gegen die Diskriminierung jeglicher lebendiger Dinge verschworen, wird Eckhart pathetisch. «Es gibt keine Gründe, eine Pflanze zu verbieten.» Dass die Feinde des Kultgetränks wieder auf das Niveau des österreichischen Weinpapstes Fritz Zweigelt zurückfallen, mache ihn fassungslos, sagt der Biobauer, der auch für seine Veredelungen alter, aussterbender Obstsorten bekannt ist. Zweigelt, schon vor dem «Anschluss» Mitglied der NSDAP und ab 1938 Direktor der Klosterneuburger Weinschule, hatte bereits in den 20er Jahren behauptet, der Uhudler trage nur zur «Füllung der Irrenhäuser» bei. Damit die Erben Zweigelts nicht erneut schaffen, was dem alten Zweigelt gelang, nämlich den Uhudler zu ächten, bräuchte das Land viele Kaisers und Eckharts – die übrigens gegen ein Glaserl Zweigelt nicht das geringste Ressentiment hegen.

Was ist Uhudler?

Uhudler ist die ostösterreichische Bezeichnung für Direktträgerweine. Solche Weine wurde nach der großen Reblauskatastrophe um 1860 aus Amerika nach Europa gebracht, weil sie gegen den ebenfalls aus Amerika eingeschleppten Schädling resistent waren, und mittels Aufpfropfung heimischer Sorten veredelt. Manche Weinbaubetriebe verzichteten auf das Aufpfropfen und ließen die amerikanischen Stöcke ihre eigenen Trauben ausbilden – darum «Direktträger». 1985 wurde der Uhudler verboten und 1992 im Weingesetz wieder erlaubt. Das Standardwerk zum Uhudler: «Uhudlerlegende» von Walter Eckhart und Robert Sommer, Mandelbaum Verlag, 2008