Kinder ohne Krankenversicherungtun & lassen

Illustration: Thomas Kriebaum

Eing'Schenkt (6. November 2024)

Obwohl der Krankenversicherungsschutz in Österreich relativ umfassend ausgestaltet ist, fallen an den Rändern des Systems Personen in außergewöhnlichen Lebenslagen und Übergängen aus dem Schutzbereich der Versicherung. Gemeinsam ist ihnen allen, dass sie geringes Einkommen haben.
Rund 30.000 Menschen sind in Österreich nicht krankenversichert, wie wir aus verfügbaren Daten aus einer Studie von 2018 wissen. Da ist Frau K. in prekärer Beschäftigung, da ist Herr G. in ­einer schweren psychischen Krise, da sind Hilfesuchende wie Frau L., die ihren Mindestsicherungsanspruch aus Scham nicht einlösen, da ist Herr G., der hier unangemeldet am Bau arbeitet, da ist Frau M., die nach längerem Auslandsaufenthalt zurückkehrt.
Nach Schätzungen sind in Österreich aktuell auch rund 2.000 Kinder und Jugendliche ohne Krankenversicherung. Minderjährige haben in Österreich keinen eigenen Rechtsanspruch auf eine Krankenversicherung. Sie werden in der Regel nur mitversichert – die Mitversicherung erfolgt über einen Elternteil bzw. über einen Hauptversicherten im gemeinsamen Haushalt. Wenn also die Eltern nicht versichert sind, ist es das Kind auch nicht. Oder der Antrag auf Kinderbetreuungsgeld sowie auf andere Titel ist in Bearbeitung. Oder die Mitversicherung ist nur über einen von beiden Elternteilen möglich, diese aber nicht durchsetzbar.
Die UN-Kinderrechtskonvention formuliert ein Recht auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung des Kindes. Der effektive und diskriminierungsfreie Zugang zur Gesundheitsversorgung ist dafür ein wichtiger Faktor. Es besteht offensichtlich eine Gesetzeslücke im Sinne der bestehenden menschenrechtlichen Verpflichtungen.
Um diese Lücke zu schließen, könnten wir die Krankenversicherung an den Kindergarten- bzw. Schulbesuch binden. Kinder ohne Krankenversicherung wären dann über ihren Schul- und Kindergartenbesuch ins Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG) einbezogen. Die Anbindung der Pflichtversicherung an Elementarpädagogik und Schulbesuch bietet sich als gute Lösung an, weil sie einerseits eine sehr große Gruppe von Kindern und Jugendlichen erfasst und andererseits auch auf den dauernden Aufenthalt abstellt.
Da geht es auch darum, böse Folgen zu Lasten des Kindes zu verhindern. Wenn Kinder mit erhöhtem medizinischen Betreuungsbedarf oder chronischen Erkrankungen keinen Zugang zu adäquater Gesundheitsversorgung und Therapien haben, ist das Kindeswohl massiv gefährdet.
Ambulanzen für Menschen ohne Krankenversi­cherung wie AmberMed können diesen Bedarf ­alleine aber nicht abdecken. Bei medizinischen Notfällen sind Krankenhäuser und Ärzt:innen verpflichtet, Hilfe zu leisten; die Kosten für die Behandlungen werden aber in Rechnung gestellt. Diese Kosten können von armutsgefährdeten Familien – die sich keine Selbstversicherung leisten können – unmöglich beglichen werden. Schulkinder und Jugendliche können ohne aufrechte Krankenversicherung nur erschwert an schulischen Ausflügen teilnehmen. Oftmals wird ihnen eine Teilnahme seitens der Schule verwehrt. Ebenso dürfen sie ohne Versicherung nicht bei Feriencamps oder schulischen Projekttagen dabei sein.
Die Lösung wäre so einfach: die Krankenversicherung an den Schul- und Kindergartenbesuch binden.

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