Mit viel Beton erbaut zur Erbauung
Vier Hietzinger Gotteshäuser aus der Generation der Nachkriegsmoderne erkundete Stadtflaneur Karl Weidinger (Text und Fotos).
Foto: Pfarre St. Hemma (erbaut 1964), 13., Wattmanngasse 105
Gottes Schiff oder sein Schwan?
Glass rules
Von der Straßenseite schaut es wie ein Wikingerschiff aus, mit einiger Phantasie. Das Gottesschiff mit dem hohen Steildach hat seitliche Ausflachungen wie angelegte Flügel. Mit dem dreieckigen, stirnseitig aufragenden Kirchturm samt Glockenstuhl sieht der Bau auch einem Schnabeltierkopf ähnlich. Oder einem schwimmenden Schwan. Die voll verglaste Giebelfront ist über eine Freitreppe erreichbar. Der Kirchenbau symbolisiert mit dem hohen Steildach das «Zelt Gottes unter den Menschen», wie ein Zitat aus dem Buch der Offenbarung, Offb 21,2 belegt. Der Bau von Erich Plevan entsteht 1964 unter der Schirmherrschaft der Invalidenhauskirche St. Johann am Fasangarten. Ein Mosaikfenster von Ruth C. Mannhart zeigt die heilige Hemma von Gurk als gütige Helferin und Stifterin. Die Pfarrkirche ist der Hl. Hemma von Gurk geweiht, deren Gedenktag am 27. Juni begangen wird.
Die Pfarrpatronin, die Hl. Hemma, wird in den letzten Jahren des ersten Jahrtausends (995) geboren. Frömmigkeit und Nächstenliebe zeigen sich in früher Jugend. Auch Kenntnis über die Anwendung von Heilkräutern, über die Krankenpflege und ihre Freigiebigkeit lassen die Heilige zur Helferin ihrer Mitmenschen, besonders der Kranken und Schwachen, werden. Im Juni 1045 stirbt Hemma von Gurk und wird 1247 seliggesprochen. Ihre Heiligsprechung erfolgt zwar erst 1938, aber immerhin Frauenanteil und Quote in der Kirche, hallo.
Pallottihaus, gleich hinterm Café Dommayer
Der heilige Vinzenz Pallotti gründet 1835 in Rom eine Gesellschaft, die sich der Vermittlung von wissensmäßiger Bildung widmet. Daher erwirbt die Kongregation 1949 das Objekt in der Auhofstraße als Exerzitienhaus. Da aber das Gebäude nicht den Erfordernissen entspricht und darüber hinaus baulich gefährdet ist, entschließt man sich zum Bau einer öffentlich zugänglichen Kirche, welche die bisherige Hauskapelle ersetzen soll. Mit der Planung wird Robert Kramreiter betraut. Die Grundsteinlegung zur Kirche gleich hinter dem Café Dommayer erfolgt 1958, Baubeginn ist im Frühjahr 1959 und Einweihung 1969.
Bis 1992 nagt der Zahn der Zeit am Gotteshaus, und es kommt zu einer Renovierung. Seit 1993 firmiert das Haus unter dem feudalen Titel Königin der Apostel. Die Kirche wird für Stille und Begegnung mit Gott und fallweise auch für Vorträge mit entsprechender Themenstellung für einen großen Teilnehmer_innenkreis verwendet.
Gottesdienst ist jeden Samstag um 18 Uhr und jeden Sonn- und Feiertag um 10.30 Uhr.
Workshops für Kunst, Kultur, Hobby und Freizeit sowie Veranstaltungen zu Kirchen, Religion und Weltanschauung haben hier ein Zuhause.
«Wir wollen die Berufung zum vollen Christsein durch Exerzitien und Bildungsarbeit im pallottinischen Geist fördern: geprägt vom Sendungsauftrag aller für eine Kirche aller Getauften. Unser Anliegen: in tiefer Begegnung mit Gott und den Menschen zur leib-seelischen Erholung finden.»
Heiliger Sichtbeton, unterm Rotenberg
Die Metapher «zum guten Hirten» ist aus der Mode gekommen. Ist ein Hirte überhaupt vegan, oder isst er seine Schafe? Das juvenile Klientel wird von den Gottesdienstleister_innen ohnehin nicht mehr bedient. Höchstens in den Schuleinrichtungen und Kinderverwahrstellen des Nobelbezirks ringsum.
Über dem Eingang prangt eine namensgebende Statue von Otokar Čičatka, ergänzt von der Bronzeplastik Der Fischfang von Gianluigi Giudici an der Fassade aus Sichtbeton.
1963 wird mit dem Bau begonnen. Das Ordenshaus (Lanterihaus) öffnet 1964, 1967 errichtet Kardinal König die Pfarrexpositur Zum Guten Hirten, erst zu Beginn des Jahres 1990 erfolgt die Erhebung zur Pfarre. Der freistehende Sichtbetonbau mit unregelmäßigem Grundriss und dreieckig hervorstehendem Chor sowie Eingang entsteht nach Plänen von Ceno Kosak und Herta Kosak, für die Statik zeichnet Robert Krapfenbauer verantwortlich.
Nachdem ein ursprünglich geplanter Glockenturm Sparmaßnahmen zum Opfer fällt, wird westseitig ein Glockenträger mit der Zementstatue Christus als guter Hirte des slowakischen Bildhauers Otokar Čičatka aufgebaut. Die drei Glocken sind auf A, Cis, E gestimmt. Aus finanziellen Gründen ertönt statt einer Pfeifenorgel eine elektronische Johannes-Orgel zur höheren Ehre. Hauskapelle, Bibliothek, Kindergarten und Sozialräume sind im Gottesbunker aus schönstem Sichtbeton bestens integriert.
Im Sommer ist es kühl, im Winter auch. Die Kongregation der Oblaten der Jungfrau Maria (OMV) engagiert sich seit 1955 vor allem in der Krankenhausseelsorge, kein Wunder beim Bezirk mit der ältesten Bevölkerung.
Gottes Bunker in Lainz, in ORF-Nähe
Das Hietzinger ORF-Zentrum ist ein Gebäude höchster Schönheit, auch asbestbereinigt. Wie auch die Konzilsgedächtniskirche an der Ecke Lainzer Straße zur Jagdschlossgasse.
Der Bau zur Ehre des Allmächtigen zeigt nicht nur im Spätherbst sein schönstes, einladendes Betongesicht. Der Gottesbunker wird 1967 mit Mischbeton angerührt. Vorher müssen noch die Jesuiten dem Abbruch ihrer Ordenskapelle zustimmen. Denn bis zu diesem Zeitpunkt stand auf dem Platz eine relativ schlichte neuromanische Kirche aus dem Jahr 1885. Diese jesuitische Ordens- und Kollegiumskirche wird 1965 für die neue Kirche auf der Höhe der Zeit abgerissen.
Beim eingeschränkten Architekt_innenwettbewerb bleiben Josef Lackner und Ottokar Uhl siegreich, mit einem gesplitteten zweiten Platz. Ein erster Platz wird nicht vergeben.
Den Auftrag erhält dann Lackner. Das Gebäude erscheint als breit gelagerter, niedriger Kubus und ist ein quadratischer Zentralbau von gediegener Schönheit im Stil des Brutalismus. Architektonisch auffallend sind die vier in den Gebäudeecken eingefügten Eingänge (hätte man die vergessen, wäre der Bunker wohl geschlossen geblieben). Die Fassade ist mit fünf Reihen Leca-Betonsteinen gestaltet. Durch die feine, glatte Betonstruktur kommt man Gott gleich viel näher.
Zuständig ist die Pfarre auch fürs Orthopädische Spital Speising und die Hummelkapelle auf dem Küniglberg, was quasi die rayonsmäßig zuständige ORF-Kirche (mit der Kapelle zur Hl. Familie) darstellt, wenn man den göttlichen Instanzenweg einhalten möchte.