#KlappeAuf statt SchweigenArtistin

Kurzfilme gegen Rechts

Ein «Mehr an Solidarität» und gegen Verhetzung – das ist der Anspruch der jungen Initiative #KlappeAuf. Deren Kurzfilme sind im Sommer und darüber hinaus an diversen Orten Wiens zu sehen. Veronika Krenn (Text und Foto) hat die Filmemacherinnen Lotte

Schreiber und Tina Leisch zum Gespräch getroffen.

«Trotz tendenziellem Pessimismus versuche ich», sagt Lotte Schreiber, «mir bei diesen politischen Zuständen allen verfügbaren Optimismus zu bewahren. Es ist nicht die Zeit, den Kopf in den Sand zu stecken: Ich appelliere an alle: Nicht zuschauen, nicht geschehen lassen! Klappe auf!» Das Treffen mit Lotte Schreiber und Tina Leisch, zwei der #KlappeAuf-Filmemacherinnen, fand im Juli am Schauplatz von «Kino unter Sternen» am Karlsplatz statt. #KlappeAuf ist eine Initiative gegen Verhetzung, gegen das «Gift der Spaltung» und für ein «Mehr an Solidarität» (so die Selbstbeschreibung), die von Filmschaffenden als Widerstand gegen die rechten Agenden der Regierung ins Leben gerufen wurde. Insgesamt sind es schon über 30 Mitstreiter_innen, die Kurzfilme zur aktuellen politischen Lage in Österreich für #KlappeAuf zur Verfügung gestellt oder sogar eigens dafür produziert haben. Dazu kommen noch rund 100 Unterstützer_

innen, die Ressourcen bereitstellen.

Wahr und witzig.

Am Beginn sei der Wunsch gestanden, die digitalen Medien mit regierungskritischen Kürzestfilmen zu bombardieren, erzählt Leisch. Sehr viele Leute würden sich nur noch online informieren und unseriösen Quellen auf den Leim gehen. Qualitätsmedien, die journalistischen Kriterien gehorchen, könne man vor den Presserat zitieren, wenn es Fehlverhalten gäbe. Bei Social-Media-Blasen bestünde hingegen keinerlei Verpflichtung zur Wahrhaftigkeit. «Deshalb wollen wir auf diesen Online-Kanälen Videobeiträge streuen, die wahr und witzig, intelligent und unterhaltsam, kritisch und überraschend sind. Und damit hoffentlich Leute erreichen, die vielleicht für differenzierte Betrachtungen sonst kaum mehr offen sind und sie damit aus dem rechten Eck ziehen, in das so viele auf Druck der sozialen Medien gerückt sind.» Es gehe darum, Gedankenframes zu verschieben, so Leisch. «Wir wollen mit der vollen Bandbreite filmischer Strategien und Techniken arbeiten, mit Animationen, Kurz-Dokus, journalistischen und künstlerischen, experimentellen und pädagogischen Beiträgen.» Die Vorgabe: nicht länger als drei Minuten, umso knapper, umso besser. Das Redaktionsteam erlaubt sich auch Verbesserungsvorschläge für eingereichte Clips zu machen. «Bis jetzt wurden die zum Glück immer positiv aufgenommen.»

«Im Dezember, Jänner, als klar war, welche Regierung wir bekommen», erzählt Tina Leisch, «haben sich die Filmemacher_innen gefragt: Was tun?» Da sei das monatliche Widerstandskino entstanden – eine Filmreihe im Stadtkino, kuratiert von Anja Salomonowitz und Mirjam Unger –, und es habe sich eine Gruppe um Schauspieler Lukas Miko, Kameramann Gerald Kerkletz und Regisseurin Ruth Beckermann zur #KlappeAuf-Initiative zusammengeschlossen, um anlässlich der Verleihung des Österreichischen Filmpreises einen Appell gegen die Burschenschafter in der Regierung, gegen Verhetzung und Entsolidarisierung zu veröffentlichen. Tina Leisch, Lotte Schreiber, Annja Krautgasser, Markus Wailand und andere brüteten die Idee einer regierungskritischen Wochenschau aus. Die beiden Gruppen schlossen sich dann zur #KlappeAuf-Wochenschau zusammen. Die Initiative will bewusst unabhängig sein und sich weder von Politik noch von Sponsor_innen vereinnahmen lassen. Darum werden auch keine Fördergelder genommen.

Beim Widerstandskinoabend am 26.

April konnte man die ersten 27 Kurzfilme sehen. Nach und nach werden immer mehr Beiträge produziert, inzwischen ist der Filmpool auf 45 angewachsen.

Raus aus der Blase.

Die Clips können aufgrund der begrenzten Ressourcen eines ehrenamtlich arbeitenden Teams zwar nicht tagesaktuell sein, aber sie können vielleicht zu einer grundsätzlichen Verschiebung von verfestigten Gedankenframes beitragen. «Im Moment kommunizieren viele auf Facebook nur mit Headline und drei Schlagworten. Im Stile von «Flüchtling – Vergewaltiger – Abschieben» oder «Arbeitslose – soziale Hängematte – Arbeitslosengeld streichen», hat Leisch beobachtet. Es bliebe bei Kurzschlüssen und Gedankenketten nach Reiz-Reaktions-Schema. «Wir suchen Leute, die Lust haben, sich der Herausforderung zu stellen, in ganz kurzen Filmen Lust auf ganz differenziertes Denken zu machen», sagt Leisch. «Wenn wir es schaffen, dass nur ein einziger dieser Clips viral geht», ergänzt Schreiber, «heraus aus unserer Blase und Menschen erreicht, berührt und zum Nachdenken anregt, dann haben wir schon was erreicht.» Ein Beispiel für so eine Frameverschiebung ist ihr Film Vaterland, der mit einer Gruppe von Vätern und Kindern den Begriff humorvoll umdeutet.

Im September wird #KlappeAuf beginnen, die sozialen Medien wöchentlich mit audiovisuellen Denkanstößen zu befeuern und hofft auf viele Likes und Shares. Aber schon im Sommer werden etliche «Real Life»-Stätten bespielt: Kino wie noch nie im Augarten zeigt im August #KlappeAuf-Filme als Vorfilme zum Programm: Regenbogen von Adnan Popović und Stefanie Sargnagel etwa, Immer wieder Österreich von Ruth Beckermann, Stolperstein von Doris Kittler und einige mehr. Zwölf Filme spielt das dotdotdot-Open-Air-Kurzfilmfestival im Schönbornpark jeweils vor dem Hauptprogramm, darunter Lotte Schreibers Vaterland und ihr Stop Deportation. Eine Auswahl zeigt auch das Volxkino.

Und am 22. November werden im Rahmen des Widerstandskinos im Stadtkino alle bis dahin produzierten #KlappeAuf-Clips auf der großen Leinwand zu sehen sein.

www.klappeauf.at

www.dotdotdot.at/programm/klappeauf

www.stadtkinowien.at/news/296

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