Klassenkampf in Pinktun & lassen

oder Erinnerungen an eine bessere Zeit

«foodora Fahrer sind die freundlichsten und großartigsten Lieferexperten in deiner Stadt. Als foodora Fahrer wirst du stets interessante Leute treffen und wirst belohnt für deinen Service.» Was klingt wie der holprig übersetzte Text eines japanischen Glückskekses, ist ein Versprechen an zukünftige Mitarbeiter_innen. Über die Realität hat sich Martin Birkner mit foodora-Betriebsrätin Adele Siegl unterhalten.

Illu: Much

Seit diesem Frühjahr gibt es einen Betriebsrat bei foodora. Dies ist beachtlich, gelten Fahrradbot_innen doch als schwer organisierbar. Das Essenszustell-Unternehmen foodora – die Fahrer_innen sind ob ­ihrer penetranten neonpinken Arbeitskleidung im Stadtbild nicht zu übersehen – beliefert seit Sommer 2015 Wiener Haushalte mit Essen. An die 300 Fahrer_innen gibt es derzeit.

Adele Siegl, Sie sind seit dem Frühjahr Betriebsrätin bei foodora. Was sind im Moment ihre zentralen Tätigkeitsfelder?

Wir setzen uns für Verbesserungen für die Fahrer_innen ein, wie Zuschläge in der Wintersaison, in der die Fahrten deutlich anstrengender und gefährlicher sind: Nässe, Kälte und die frühe Dunkelheit. Darüber hinaus sind wir ständig in Kontakt mit der Gewerkschaft Vida, die derzeit einen Kollektivvertrag für unser Gewerbe erarbeitet. Der gilt allerdings nur für die angestellten Fahrer_innen, während momentan fast ausschließlich freie Dienstnehmer_innen eingestellt werden. Die Frage ist allerdings, ob dies angesichts der identischen Tätigkeiten zulässig ist.

Die Betriebsratsgründung war auch eine Antwort auf eure Unzufriedenheit, oder?

Ja, bereits im Winter 2015/2016 veränderte sich die anfangs sehr kollegiale und solidarische Stimmung im Betrieb. Unsere «Garage» – ein beheizter Raum, in dem wir uns treffen konnten, plaudern, was trinken oder unsere Räder reparieren – wurde geschlossen. Das war ein klarer Vorstoß gegen die Gemeinschaft unter den Fahrer_innen. Außerdem waren wir bis Anfang 2016 alle angestellt. Dies hat sich seither stark verändert. Nicht zuletzt daraus wurde auch die Idee eines Betriebsrats geboren.

Es gab ja auch einige Kündigungen, just zur Zeit der Betriebsratsgründung. Wie ist das Betriebsklima derzeit?

Ja, damals wurden an einem einzigen Tag 70 Leute gekündigt! Zum Teil wurden auch Leute gekündigt, die schon länger für foodora fuhren – als ob mit ihnen die Erinnerungen an eine bessere Zeit ausgelöscht werden sollte. Heute ist das Klima ganz anders, da sich wenige Fahrer_innen überhaupt untereinander kennen.

Es mangelt derzeit an vielem, vor allem eine Pausenregelung bei über 35 Grad ist gefragt, sowie Zuschläge für den Winter oder am Wochenende. Im Winter benötigt foodora mehr Fahrer_innen, da die Leute wegen dem kalten Wetter nicht so gerne Essen gehen. Vielen im Herbst eingestellten Fahrer_innen wird dies aber nicht kommuniziert und im Frühjahr werden sie dann vor vollendete Tatsachen gestellt und müssen gehen. Dagegen müssen wir uns wehren.


Welche unterschiedlichen Arbeitsverhältnisse gibt es bei foodora und wie wirkt sich das auf die Betriebsratstätigkeit aus?


Rund ein Viertel der Beschäftigten sind Angestellte, der Rest freie Dienstnehmer_innen. Von Rechts wegen sind wir zwar nur für die Angestellten zuständig, wir versuchen aber selbstverständlich alle zu vertreten. Bei geplanten Kündigungen beispielsweise haben wir jedoch nur bei Angestellten etwas mitzureden. In unserem Kommunikations-Chat, in dem wir über Probleme und mögliche Interventionen diskutieren, sind auch freie Dienstnehmer_innen aktiv.

Müssen bei foodora Beschäftigte ihren Rucksack tatsächlich selber kaufen?

Nein, das ist ein hartnäckiges Gerücht. Es ist lediglich eine Kaution zu hinterlegen, der Rucksack wird vom Betrieb zur Verfügung gestellt. Ganz anders allerdings als die Fahrräder und Smartphones, die von den Fahrer_innen selbst eingebracht werden. Wir rufen die Kund_innen also von unseren privaten Handys an. Das sollte sich – nicht zuletzt aus Datenschutzgründen – ändern!

Wie ist das Verhältnis zur Geschäftsführung?

Es war schon mal besser. Seit im Frühjahr die Geschäftsführung verschlankt und ausgetauscht wurde, ist einiges unpersönlicher und oberflächlicher geworden.

Gibt es Kontakte zu Beschäftigten bei anderen Essenszusteller_innen? Werden diese eher als Kolleg_innen wahrgenommen oder als Konkurrenz?

Als Kolleg_innen. Wir grüßen uns selbstverständlich auf der Straße, wenn Zeit ist, wird etwas geplaudert – auch über Arbeitsbedingungen. Eine engere Vernetzung wäre aber sicher wünschenswert. Vielleicht entwickelt sich ja aus den Kollektivvertragsbestrebungen dahingehend etwas.

Lassen Sie sich selber Essen nachhause liefern?

Manchmal schon. Das Problem ist halt, dass wenn ich nach der Arbeit nach Hause komme, foodora nicht mehr liefert.