Klein und gerade darum feinArtistin

Unabhängig(e) Bücher verlegen

Im eigenen Kleinverlag steckt nicht das große Geld, aber sehr viel ­Arbeit. Nach den Motiven und den Arbeitsweisen von Verlagsgründer_innen hat sich ­­Julia Grillmayr erkundigt und erfahren, warum es eine schwierige, aber auch großartige und wichtige Tätigkeit ist.

Foto: Magdalena Fischer

(Bildtext: Andrea Hörandner veröffentlicht mit Jürgen Schütz im Kleinverlag Septime www.septime-verlag.at vor allem internationale Literatur. Ihr Büro ist derzeit noch das Café Rüdigerhof.)

«In Österreich sind selbst die größten Verlage klein», sagt Clemens ­Ettenauer, Leiter des Wiener Holzbaum-Verlags. «Was in Deutschland Mindestauflage ist, ist in Österreich schon ein Bestseller», zieht er einen launigen Vergleich. Es gibt natürlich auch österreichische Verlage, etwa Residenz und Czernin, die bei den großen mitspielen, aber selbst die sind im Vergleich zu vielen internationalen Verlagen klein.

Wenn man nun von Klein- und Independent-Verlagen spricht, so ist damit vor allem die Unabhängigkeit von großen Konglomeraten und Konzernen gemeint. Darüber hinaus aber auch ein gewisses Selbstverständnis, wie man Bücher macht – und welche. «Kleinverlage richten sich nicht nur nach dem Markt, sondern machen Bücher, die sie selbst interessieren», sagt Ettenauer, der gerade mitten in den Vorbereitungen für das BuchQuartier steckt. Diese Buchmesse der Klein- und Independent-Verlage findet am 9. und 10. Dezember im Wiener Museumsquartiert statt.

Freies Gewerbe.

Ettenauer organisiert die Messe heuer zum fünften Mal. Im Gegensatz zu den konventionellen großen Buchmessen herrscht hier freier Eintritt und eine gewisse Fairness, wie er betont: «Bei uns ist jeder Verlag gleich sichtbar, und alles findet auf einer Ebene statt.» Auch sei die Auswahl viel diverser. Anstatt des hundertsten Wiener Kochbuchs mit Schnitzel-Cover, entdecke man hier mehr kleine Kostbarkeiten, die sich auch mit der Form des Buches spielen – etwa wurden schon mal Buchrollen ausgestellt.

Das Verlegen ist in Österreich ein freies Gewerbe. Das bedeutet, dass jede und jeder jederzeit einen Verlag gründen und ISBN-Nummern für Bücher erwerben kann. Und das sogar recht unbürokratisch. Man geht, ohne Anmeldung, mit seinen Unterlagen zum «Gründerservice» der Österreichischen Wirtschaftskammer (WKO), lässt sich beraten und meldet den eigenen Verlag an. Durch das Neugründungsförderungsgesetz fallen dafür normalerweise keine Gebühren an. Die letzten Zahlen der WKO verzeichnen 1.620 Unternehmen in der Sparte Buch- und Medienhandel und 1.496 im Berufszweig Buch-, Kunst- und Musikalienverlag.

Ein Kleinverlag wird selten aus rein kommerziellen Interessen gegründet. Denn in der Regel steckt in einem solchen nicht das große Geld, aber dafür sehr viel Arbeit: Langfristiges, oft langjähriges Arbeiten an Texten, viel organisatorische Tätigkeit, etwa was die Vermarktung der Bücher betrifft, und auch ein kleinschrittiges Aufbauen von Vertriebsstrukturen, die die Bücher schließlich an die geneigten Leser_innen bringen.

Nicole Alecu de Flers und Katja Langmaier ist dies mit ihrem Verlag Zaglossus sehr gut gelungen. Ihre Inspiration, 2009 einen eigenen Verlag zu gründen, war das gemeinsame inhaltliche Interesse: Zaglossus legt einen Schwerpunkt auf queer-feministische Themen. Acht bis zehn Bücher werden inzwischen pro Jahr produziert. Der Verlag hat sowohl Theorie also auch Literatur im Programm, wobei die Grenzen zwischen den beiden Bereichen verschwimmen. «Kunst, Kultur, Theorie und Aktivismus sind gerade in diesem Kontext nicht zu trennen», sagt de Flers. Aktuell ist etwa «Inter_Körper_Text» erschienen, in dem die Germanistin Angelika Baier intergeschlechtliche Erzählweisen in deutschsprachiger Literatur analysiert. Ebenfalls neu im Programm: «Anti*Colonial Fantasies», ein Buch, das de-koloniale Strategien von verschiedenen Künstler_nnen versammelt.

Nischenprogramm?

Diese inhaltliche Auseinandersetzung bestimmt die Verlegerinnen-Praxis. «In jedem Begriff steckt viel Arbeit. Wir wollen gut lesbar sein, ohne eine gewisse Haltung aufzugeben», erklärt Langmaier. So werde in langen Diskussionen über Begrifflichkeiten nachgedacht, Zaglossus will beispielsweise keine Sprache verbreiten, die Gewalt transportiert. Und auch die Auswahl des Verlagsprogramms erfolgt mit politischer Sensibilität: «Wir wollen Platz schaffen für Stimmen und Menschen, die sonst keinen Platz haben», erklärt de Flers.

Zaglossus ist seit seiner Gründung sehr schnell gewachsen. Die Konzentration auf das Themenfeld Queerfeminismus habe dazu sicherlich beigetragen. «Ich habe den Eindruck, die Schere zwischen großen und kleinen Verlagen ist in den letzten Jahren noch weiter aufgegangen», sagt Langmaier. «Die großen haben an Masse gewonnen, und die kleinen haben sich Nischen gefunden.»

Auch der Literatur-Verlag ­Septime, 2009 von Jürgen Schütz gegründet, hat seinen Platz in der Branche gefunden. Über 60 Septime-Bücher sind bisher erschienen, nächstes Jahr werden zwölf neue dazukommen. «In Deutschland glaubt niemand, dass ich neben dem Verlagsjob noch arbeiten gehe», erzählt Schütz. Auf das Verlagsprogramm blickend, würden sich die Leute eher ein Büro mit vier Mitarbeiter_innen vorstellen. Tatsächlich arbeitet Schütz Vollzeit bei einer Autofirma, und einstweilen dient das Wiener Café Rüdigerhof als Verlagsbüro. Dort treffen wir ihn gemeinsam mit Andrea Hörandner, die für den Verlag die Pressearbeit macht. Ziel ist es, im nächsten Jahr ein Büro zu mieten und auch Arbeitsplätze zu schaffen. Denn derzeit arbeiten die Mitarbeiter_innen ehrenamtlich.

Frechheit statt Budget.

Septime veröffentlicht Erstlingswerke von österreichischen Autor_innen, etwa von Jürgen Bauer und Gudrun Büchler. Vor allem wird aber internationale Literatur verlegt – Nona Fernández aus Chile, Jan Kjærstad aus Norwegen, oder Ryū Murakami aus Japan, um nur einige zu nennen. Ein großer Coup gelang früh in der Verlagsgeschichte mit der amerikanischen Autorin Alice Sheldon, die unter dem Pseudonym James Tiptree Junior vor allem Science-Fiction-Literatur schrieb. Seit 2011 erscheint bei Septime ihr Gesamtwerk.

«Wir haben den richtigen Riecher und die Wiener Frechheit, alle Türen einzurennen», sagt Schütz. Zwar habe man nicht so viel Budget wie große Verlage, aber sei umso geschickter darin, pfiffige Angebote zu machen. So biete Septime den Autor_innen beispielsweise eine längerfristige Zusammenarbeit an, anstatt sich nur für ihr bestverkäufliches Buch zu interessieren.

«Es ist kein Spaziergang», resümiert Schütz allerdings über das Aufbauen eines eigenen Verlags. Was ihn besonders ärgert, sind gewisse Mechanismen des Buchmarktes, etwa die Schnelllebigkeit. Man bereite in langjähriger Arbeit eine Publikation vor, die womöglich Jahrzehnte auf ihre Übersetzung ins Deutsche wartete, und nach sechs Monaten sei es in den Augen des Feuilletons schon veraltet. «Jede Streichwurst hält länger. Das ist eine Beleidigung. Dagegen kämpft Septime an. Die Big Player würden oftmals nur für Spitzentitel werben und die weniger bekannten auf gut Glück und für die Tonne produziert. «Bei uns hingegen geht es um jeden einzelnen Titel», betont Andrea Hörandner.

Auch Katja Langmaier und Nicole Alecu de Flers verdienen ihren Lebensunterhalt nicht allein durch Zaglossus. Beide arbeiten darüber hinaus an der Universität Wien. Wichtig ist ihnen, dass sich der Verlag selbst trägt und dass die Beteiligten, die sehr viel Arbeit leisten, gut betreut sind – auch finanziell. Ein wichtiger Beitrag dazu: die Verlagsförderung, die zweimal im Jahr beim Österreichischen Bundeskanzleramt beantragt werden kann.

Neben der Motivation, Bücher mit Haltung zu machen, bedeutet Zaglossus für die Verlegerinnen auch ein Plattform, um sich zu organisieren. «Wir haben in den letzten acht Jahren viele Verbindungen und Netzwerke geschaffen», sagt Langmaier. «Das wird noch wichtiger werden, wenn der Wind von rechts immer stärker weht.»

Translate »