Boulevard-Blog vom 08.03.2023
Am vergangenen Freitag wurde bereits zum sechsten Mal weltweit gestreikt, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen. Auch in Wien gingen am 3. März 25.000 Menschen im Zuge des «Fridays For Future» Protests auf die Straße. Während die Protestformen fürs Klima immer vielfältiger werden, sind ihre Organisator:innen und Leitfiguren nach wie vor besonders eines: weiblich.
Wie sich Fridays for Future verändert hat
2019 konnte Fridays For Future (FFF) laut eigenen Angaben noch 80.000 Menschen auf die Straßen Wiens bringen. Dieses Jahr waren es mit 25.000 Teilnehmenden weit weniger. Grund dafür seien einerseits die Corona-Lockdowns, andererseits aber auch die Verschiebung von Prioritäten. Die Formen des Klimaprotests sind in den vergangenen Jahren aber auch vielfältiger geworden. Das heißt: Streiken allein ist vielen zu wenig. Es gründeten sich zahlreiche neue, vergleichsweise radikalere Protestgruppen.
«Aber immerhin sind es doppelt so viele Teilnehmende wie letzten Herbst», sagt Klara König, Pressesprecherin von Fridays For Future Vienna, als sie am 3. März mit ihrem Protestplakat neben dem Demowagen am Ballhausplatz steht. «Und wir sind vielfältiger geworden», fügt sie hinzu. Mit «wir» meint sie Fridays For Future Österreich. Die Bewegung kann fünf Jahre nach der Gründung nicht nur Schüler:innen, sondern auch viele andere Personengruppen mobilisieren, da ist sie sich sicher: «Heute sind bestimmt viele Menschen über 18 da, vielleicht auch Menschen über 80. Ich sehe da etwa Parents und Seniors for Future sowie die Omas gegen Rechts. Und das ist gut so, denn es geht ja nicht nur um unsere Zukunft, sondern auch um Anliegen älterer Menschen. Diese leiden ja z. B. in Wien besonders unter der steigenden Hitze im Sommer. Die überlegen sich dann an heißen Sommertagen, ob sie überhaupt noch rausgehen können. Das ist nicht nur ‹unser› Problem in der Zukunft, sondern es trifft alle in der Gesellschaft, wenn die Regierung zu wenig gegen die Klimakrise unternimmt.»
In der Organisation von Fridays for Future zeige sich aber klar: Die aktivste Gruppe ist jene der jungen Frauen. «Bei uns sind natürlich auch Ältere und auch Männer oder nicht binäre Personen willkommen. Aber es sind tatsächlich verstärkt junge Frauen, die da an der Front kämpfen, ja», so Klara König. Und damit spiegelt sich ein Phänomen wider, das auch wissenschaftlich bestätigt ist.
Der Frauenanteil ist hoch
Inspiriert von Greta Thunbergs «Skolstrejk för Klimatet» in Schweden bildeten sich seit 2018 zahlreiche Gruppierungen, die Schulstreiks und Proteste für globale Klimagerechtigkeit und das Einhalten des Pariser Klimaabkommens organisieren. Seit Beginn ist Fridays For Future dabei eine wesentlich von jungen Frauen mitgetragene Bewegung. Die Entwicklungsforscherin Antje Daniel und die Sozialwissenschafterin Anna Deutschmann von der Uni Wien haben 2020 die demographische Struktur von Fridays For Future untersucht. Das Ergebnis: Die hohe Mobilisierung der Bewegung sei nicht nur aufgrund der Altersstruktur, sondern auch aufgrund der Geschlechterverhältnisse bemerkenswert – wurden politische Proteste in der Vergangenheit doch häufig als Männerdomäne bezeichnet. Im Mai 2019 zeigte sich am Global Earth Strike in Wien ein bis dato recht untypisches Bild: Der Frauenanteil lag laut den beiden Forscherinnen bei 62 Prozent.
Warum sich Frauen eher im Klimaschutz engagieren
Für den hohen Anteil junger Frauen an den Klimaprotesten gibt es laut den Forscherinnen mehrere Gründe. Viele Frauen würden Umweltschutz mit familiärer Fürsorge verbinden. «Das zeigt sich daran, dass sich auch zunehmend junge Mütter beteiligen, die die Sorge um die Zukunft ihrer Kinder mit der um die Menschheit als Ganzes verknüpfen. Andere hingegen setzen die Ausbeutung der Natur mit der Unterdrückung von Frauen gleich und machen den Kapitalismus für beides verantwortlich», so Antje Daniel. Auch die Funktion von Greta Thunberg und ihre Wirkung auf junge Frauen sei nicht zu unterschätzen. Frauen werden mit etwa 52,7 Prozent deutlich stärker von ihr beeinflusst als Männer mit 42,9 Prozent.
In der Organisation von Fridays For Future Wien gilt Geschlechterparität als selbstverständlich. Neben der 23-jährigen Klara König ist auch die 17-jährige Paula Dorten Sprecherin der Bewegung. Sie meint, die Gründe für das vermehrte Engagement von Frauen in der Klimabewegung liegen auf der Hand: «Wir Frauen haben durch das Aufwachsen in einer patriarchalen Welt natürlich mehr Bewusstsein für die Ungerechtigkeiten, weil wir selbst direkt damit konfrontiert sind.» Und weil Frauen noch immer gesellschaftlich diskriminiert werden, würden sie vielleicht generell mehr Gefühl dafür haben, wie es in der Welt zugeht. «Außerdem sind Frauen auch stärker von der Klimakrise betroffen. Bei uns im globalen Norden ist das natürlich weit weniger spürbar, aber im globalen Süden sind es vor allem Frauen, die unter den Klimaveränderungen leiden.» Und wer selbst betroffen ist, engagiere sich dann auch eher, so die Klimaaktivistin: «Feminismus und Klimaschutz gehören für uns definitiv zusammen.»
Andere mitbeinbeziehen
«Uns wäre es natürlich am liebsten, wenn alle mit uns gegen die Klimablockierer ÖVP, WKO und Co. protestieren würden», sagt Paula Dorten. Herauszufinden, warum die Fridays For Future Bewegung und ihre Forderungen manche Personengruppen nicht anspricht, sei eine der größten Herausforderungen für die Aktivist:innen.
Selbiges zeigt auch die Untersuchung der Uni Wien, in der Antje Daniel und Anna Deutschmann zu dem Schluss kommen, dass «obwohl die FFF-Bewegung alle gesellschaftlichen Schichten zu erreichen versucht, ein Erfolg dieses Bestrebens bislang noch nicht erkennbar ist.» Die unterschiedlichen Ansichten verschiedener Altersgruppen – also der sogenannte Generationenkonflikt – seien dabei aber eher weniger das Problem. Ihre Eltern und Großeltern erreichen die Prostierenden sehr wohl. Das Problem sei eher die Schwierigkeit, die eigene gesellschaftliche Bubble, die gut gebildete Mittelschicht, zu verlassen, um so bildungsfernere, weniger privilegierte Personengruppen zu erweitern.
Um solche Gruppen mehr miteinzubeziehen, sei es vor allem wichtig, das gemeinsame Gespräch zu suchen, meint Paula Dorten. «Bei vielen ist die Klimakrise auf der Prioritätenliste nicht ganz oben. Was auch verständlich ist. Es ist ja ein Privileg, überhaupt die zeitlichen Ressourcen zu haben, sich damit auseinanderzusetzen. Außerdem erscheint die Klimakrise, die natürlich auch existenziell bedrohlich ist, für viele auch sehr abstrakt.» Den Spalt von Lebensrealitäten – sei es zwischen den Geschlechtern, Generationen oder gesellschaftlichen Milieus – den gilt es in der Klimabewegung jedenfalls noch zu überwinden, so Paula Dorten.
Weiterführende Links:
Fridays for Future Wien: fridaysforfuture.at
Forschungsarbeit Antje Daniel/ Anna Deutschmann: researchgate.net