Klingende LandpartieArtistin

Musikarbeiter unterwegs … ins niederösterreichische Scheibbs

Die Intertonale #4 ist ein Seminar für Musik. Künstler_innen wie Alicia Edelweiss, Bernhard Hammer (Elektro Guzzi) und Monobrother gestalten dabei Workshops. Text: Rainer Krispel, Foto: Mario Lang

«Es ist eine schöne Bahn­strecke», sagt die Musikerin Sara Zlanabitnig über einen möglichen Weg von Wien nach Scheibbs, in die von 4.132 Menschen belebte Bezirkshauptstadt in Niederösterreich, von Georg Danzer in einem Lied mit Nebraska verbunden. Zlanabitnig suchte für ihr Duo Lionoir mit Gloria Amesbauer eine Gelegenheit, außerhalb Wiens zu proben. Ihr ehemaliger Studienkollege Tobias Pöcksteiner brachte Scheibbs ins Spiel, dort hat und stellt der Verein Proberaum Scheibbs in einem ehemaligen Schülerheim im Speisesaal einen solchen zur Verfügung. Heute gehört sie mit Pöcksteiner zum 8-köpfigen Team (Schorsch Feierfell, Fabian Ressl, Arnold Zamerin, Jakob Wallner und Alexandra Woller), das, geleitet von Gerald Zagler, für die 4. Intertonale verantwortlich zeichnet. Die findet vom 6. bis 12. Juli in Scheibbs parallel zu den die kleine Stadt ebenso belebenden Aktionstagen statt.

Eine klasse Geschichte. Je mehr die Musikerin, die mir beim Gespräch die von ihr kuratierte CD Fraufeld Vol. 2 übergibt («increasing the visibility of female musicians», erschienen bei arooo.records, Präsentation 18. 6. in der Sargfabrik, www.fraufeld.at) und Arnold Zamerin, der seit 2016 als musikalischer Leiter des Workshop-Festivals fungiert und mit dem Saxophonquartett Phoen im Februar eine CD veröffentlichte, von der Intertonale erzählen, desto verlockender ist ein Ausflug ins Mostviertel. Melde ich mich gar für den Workshop Lyricism & Producing von Monobrother und B.Visible an? Bis zum 24. Juni haben ich und andere Interessierte dafür noch Gelegenheit, Kostenpunkt 240 Euro. (Dafür etwas zu lernen soll es ja nie zu spät sein, wenn auch die innenpolitische Landschaft und das Wähler_innenverhalten gerade massiv Gegenteiliges vermuten lassen.) Neben meinem potenziellen Workshop of Choice bietet Alicia Edelweiss Einblicke ins Songwriting, der Klarinettist Vincent Pongracz gehört zu den originärsten Köpfen des zeitgenössischen Jazz und bearbeitet in Scheibbs das Feld Music Invention, die in Slowenien geborene Musikerin und Komponistin Kaja Draksler teilt ihren Zugang zu Improvisation und Bernhard Hammer von Elektro Guzzi stürzt sich mit den Teilnehmer_innen – die Teilnahme ist für jeweils höchstens 10 Menschen ab sechzehn pro Workshop möglich – into Rhythm + Sound. Umrahmt werden die Workshops von einem Eröffnungskonzert am Rathausplatz am 6. 7., dabei spielen Monobrother featuring B.Visible, Alicia Edelweiss, Synesthetic 4 (das Quartett von Vincent Pongracz) sowie der lokale Chor Agua Voigas mit Arrangements von Arnold Zamarin (legendär schon jetzt scheint das Zusammentreffen von Leyya mit einer lokalen Blasmusik im Vorjahr!). Am 12. 7. werden die Ergebnisse der Workshops bei einem Abschlusskonzert präsentiert, während der Intertonale finden Daily Sessions statt, eröffnet mit Kurzauftritten der jeweiligen Ensemble-Leiter_innen. Dazu sind während dieser dichten Klangtage noch die Artists In Residence Julia Tazreiter und Hui Ye in Scheibbs unterwegs.

Landmusik. Schon bastelt sich das harmoniesierige Musikarbeiter-Hirn im Kopf ein kleines temporäres Musiktopia Scheibbs zusammen. Was Arnold und Sara dazu erzählen, verleiht dem durchaus Wirklichkeit. Immer gut und schön – die kulturelle Wiederbelebung eines sonst ungenutzten Gebäudes, die Gelegenheit zum Campen, als eine Art mildes kollektives Zusammenleben (dazu hat der betreibende Verein die noch vorhandenen lokalen Pensionsunterkünfte reserviert, im Schulheim gibt es Betten), samt Rückkoppelung ins kleinstädtische Leben, wenn an der Wursttheke des lokalen Lebensmittel-Grossisten plötzlich über Musik gesprochen wird. Den Verein Proberaum Scheibbs («Offenheit, Kooperation und ein respektvoller Umgang sind unsere Grundprinzipien») gibt es seit 2008, wenn ich das richtig verstehe, zusammenhängend und herausgewachsen aus dem Jazzseminar Scheibbs. Von Jazz, Musik und Kunst als wichtigen Inseln anderer Lebensmöglichkeiten und -entwürfe «am Land» wäre im Land mit dem A viel zu schreiben (Nickelsdorf, Ulrichsberg, Schrattenberg, Kleinreifling, Ebensee …), als geborener Linzer (im Grunde ein Dorf …) dabei die Skepsis ins Spiel bringend, dass sich oft die niemals schlafenden Kleinstadt- und Bundesland- Marketing-Menschen auf so etwas draufsetzen und das Freie, Mögliche, sich für sich erst Formende gängig formatieren möchten. Dazu sind die Intertonale und Scheibbs wohl zu klein und im positiven Sinne eigen, dabei ohne großes Konzeptsprech entspannt auf der Höhe der Zeit, die großen, bösen Worte wie «Jazz» und «Avantgarde» und«Improvisation» unmittelbar und lustvoll zugänglich machend. Nicht zuletzt, wir reden in Wien mit Wahl-Wiener_innen über eine Woche in NÖ, braucht die Musik «das Land». Und das Land die Musik.

Intertonale #4
6.–12. 7. 2019
Scheibbs/NÖ.
www.INTERTONALE.at

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