Kluger HofnarrDichter Innenteil

Ein Märchen von Razmik A. Gevondyan

König Franz veranstaltete jeden Sonntag ein Bankett, zu dem alle seine Minister mit ihren Frauen eingeladen wurden.

Während eines solchen Banketts tanzten alle. Musik wurde gespielt und der königliche Hofnarr Edgar amüsierte alle Anwesenden mit seinen witzigen Geschichten. Auf einem solchen Bankett wandte sich König Franz an seinen Hofnarren: «Mein geliebter Edgar, warum schweigst du heute? Erzähl uns etwas Lustiges!»

«Eure Majestät! Ich erzähle immer lustige Geschichten. Alle Eure Minister lachen mit Euch. Ihr, Majestät, dankt mir für meine Witze mit Geld; aber Eure Minister geben mir keinen Cent. Heute erzähle ich Euch eine sehr lustige Geschichte, aber leise, damit sie sonst niemand hört.»

Der König lachte und sagte: «Edgar, sprich laut! Ich denke, die Minister werden dir danken.»

«Dann hört zu! Ein Mann betrat sein Haus und sah, dass sein Sohn am Tisch saß und etwas durchblätterte. Er schlich sich von hinten an ihn an und sah, dass der Sohn eine Zeugnismappe betrachtete. Dort waren nur schlechte Noten. Der Vater wurde wütend, ergriff das Ohr seines Sohnes und sagte voller Zorn: ‹Ah, du bist ein Faulpelz! Warum hast du nur schlechte Noten?› Der Sohn antwortete seinem Vater leise: ‹Papa, lass mein Ohr los! Das ist nicht meine Zeugnismappe.› ‹Ach so? Und wem gehört sie?›, fragte der Vater. ‹Das ist deine Zeugnismappe, ich habe sie in einer alten Truhe auf dem Dachboden gefunden.›»

Der König und alle Anwesenden lachten. Dann wurde es still und alle Minister begannen, sich Edgar zu nähern und ihm eine Goldmünze zu geben. Der Hofnarr steckte alle Münzen in die Tasche und sagte seinem König: «Mein Schutzpatron, Eure Minister sind ein bisschen klüger geworden und haben verstanden, dass sie für alles, auch für das Lachen, bezahlen müssen.»

Das Bankett war sehr lustig. Alle gingen müde, aber glücklich schlafen.

Beim nächsten Bankett fragte Edgar den Minister für Bildung und Wissenschaft: «Sagen Sie mir, lieber Minister, wie viele Sterne am Himmel sind?»

«Niemand weiß das.»

«Ich weiß es. Es gibt genau eine Million und neunzigtausend Sterne am Himmel.»

«Das kann nicht sein!», rief der Minister aus.

«Nun, wenn Sie es nicht glauben, zählen Sie selbst!»

Der König und alle Anwesenden lachten.

Etwas später wandte sich Edgar an den König: «Mein König, ich sitze seit zehn Jahren bei Euch und in dieser Zeit hat niemand unser Land angegriffen. Wisst Ihr, warum die Nachbarländer Angst haben, unser Land anzugreifen?»

«Edgar, ich habe eine große Armee, gut bewaffnet und sehr professionell, deshalb haben alle Angst, uns anzugreifen.»

«Oh König, die anderen Könige haben keine Angst vor Eurer Armee. Sie haben Angst vor mir.»

Da rief der Minister der Streitkräfte empört aus: «Eure Majestät, der Hofnarr spricht dummes Zeug. Wie können sie Angst vor einem Hofnarren haben?»

Edgar lächelte und sagte: «Wenn jemand mit seiner Armee in unser Land eindringt, würde ich zur feindlichen Armee gehen und anfangen, ihnen meine lustigen Geschichten zu erzählen, und sie würden aus dem Lachen nicht mehr herauskommen und könnten nicht kämpfen. Deshalb wagt es niemand, unser Land anzugreifen.»

Alle lachten sehr laut. Der König bekam nasse Augen und vergoss Tränen vor Lachen.

In diesem Moment betrat ein sehr reicher Kaufmann die Halle, verneigte sich vor dem König und sagte: «Lieber König, ich möchte Euch ein Geschenk machen.» Er überreichte dem König eine große Schachtel mit 10 diamantbesetzten Goldringen und zwei Golddiademen mit Edelsteinen.

Edgar lief zum Kaufmann, sah sich die Juwelen an und sagte: «Mein König, nehmt diese Schätze des Händlers nicht an. Sagt ihm, dass er das alles mir geben soll.»

«Warum dir?», fragte der König.

«Wenn Ihr diese Juwelen nehmt, kommt der Händler zurück und bittet Euch um ein Grundstück oder ein Schloss. Mich wird er nicht darum bitten.»

Der König lachte und sagte dem Händler: «Du hast es gehört, gib diese Juwelen meinem Hofnarren!»

Der Händler wurde gezwungen, die Juwelen dem Narren zu geben, dann verneigte er sich und verließ verzweifelt den Saal.

Als der Händler weg war, legte Edgar die Schmuckschatulle vor dem König auf den Tisch und sagte: «Mein König, solche Juwelen sollten von der Königin und der Prinzessin getragen werden. Ein Hofnarr braucht keine Juwelen.»

«Edgar, du bist ein kluger Hofnarr.»

«Um Leute zu unterhalten, muss man klug sein.»

Nach dem Bankett ging Edgar in sein Zimmer und legte sich in sein Bett.

Am nächsten Morgen wachte er auf, sah die Schmuckschatulle auf seinem Tisch und dachte: «… und trotzdem ist mein König freundlich und großzügig, was bei Königen selten ist.»

Aus: Für die Eltern ist die Tochter näher als der Sohn. Neue Märchen für Kinder und Erwachsene von Razmik A. Gevondyan. Aus dem Russischen übersetzt von Alisa Ryzhychenka. Wien 2020. 70 Seiten

Razmik A. Gevondyan wurde 1935 in Baku in der damaligen Sowjetunion geboren. Seit 2005 lebt er in Wien, wo er den AUGUSTIN verkauft. Seine Märchen erzählte er zunächst seinem Enkel, 1997 begann er sie aufzuschreiben. Seit einigen Jahren bringt er fast jährlich einen Märchenband heraus. **Für die Eltern ist die Tochter näher als der Sohn** ist sein 7. Märchenbuch. Kaufen können Sie es beim Autor an seinem AUGUSTIN-Verkaufsplatz vor dem Supermarkt in der Kaiserstraße 92 im 7. Bezirk.

 

Cover: Michael Gallo

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