Im Stadl knisterte das Heu. Der wunderbare Duft und die Wärme erfüllten die Luft. Ich wollte dir den Nachwuchs meiner Katze zeigen, die sich hier irgendwo von den Strapazen ihrer Geburt von fünf Katzenjungen erholte. Die Katzen fanden wir nicht gleich, doch wir fanden uns, um uns gleich wieder zu verlieren.Du gingst in meine Parallelklasse der Höheren Schule. Manchmal hast du mich im Gang oder im Schulhof angelächelt, manchmal mich, zwar nicht ganz zärtlich, immer wieder berührt. Du dachtest dir, ja, die ist leicht zu haben, oder vielleicht war es deine jugendliche Neugierde, wie das wohl wäre mit mir? Ein bisschen hast du mir schon gefallen, aber dafür gleich aufs Ganze gehen? Mit unseren 16 Jahren? Heute im Heu bietet sich die Gelegenheit, doch ich weiß, was ich will und was ich nicht will. Du greifst mich an, berührst mich dort, wo mich noch niemand berührt hat. Beschämt lass ich es zu. Ja, das gefällt mir, doch was willst du? Einmal – und das war´s. Das spürte ich. Für einen Augenblick genieße ich und mein langes Haar fällt auf die Schulter, als du versuchst, mich zu küssen. Zaghaft öffne ich meine vollen Lippen, wende meinen Kopf dann ab, und energisch stehe ich auf.
Da höre ich ein Miauen neben mir, und ich sage: «Schau, da sind sie ja, die lieben Katzen.» Mein Bekannter ist ein bisschen verwirrt und schaut sprachlos auf die Katzenmutter, die voll Stolz schnurrt und ihre Babys säugt. Wir stapfen durchs Heu und springen Hand in Hand hinunter auf einen großen Heuhaufen. Somit war dieser Tag gelaufen. Alles war gelaufen, ich sah diesen Jüngling dann immer im Schulhof. Die schönsten Mädchen buhlten um seine Gunst. Ich schrieb ihm einen Brief. Er antwortete nicht. Er beachtete mich kaum noch, und ich war ein wenig enttäuscht. Kurz hatte ich einen Traum gelebt. Den Traum von der ersten Liebe. Romantisch war nur die Kulisse gewesen. Dennoch tat es mir leid, dass nicht die Neugierde und die Unbeschwertheit von uns beiden auf das erste Mal gesiegt hatten, sondern damals schon das Warten auf die erste große Liebe. Aber vielleicht habe ich mir dadurch einen noch größeren Katzenjammer erspart.
Aus: Heidemarie Ithaler-Muster: «Dornen küsst man nicht. Prosa und Lyrik in Wort und Bild»
Graz 2016. 29,90 Euro. Bestellungen über heidemarie-ithaler@gmx.at