Augustin-Interview mit Howard Marks alias «Mr. Nice»: starker Tobak
Viel Feind, viel Ehr und ein Verbot. Der Hanf als gemeinsamer Gegner und natürliche Bedrohung. Seit dem Schulterschluss der Lobbyisten von Tabak, Baumwolle, Papier, Kunststoff und Pharma ist der Hanf (mit wissenschaftlichem Namen Cannabis sativa) als Droge geächtet und somit verboten. Stellt sich nur die Frage: wie lange noch?Howard Marks widmete sich der Verbreitung des Wirkstoffes THC, dessen Straßenverkaufspreis/Marktwert seit dem Verbot (in Österreich 1961) um etwa 8000 Prozent zulegte. Dafür wurde er illegalisiert wie der Hanf und kriminalisiert als Drogendealer, obwohl Marks nie Gewalt anwendete oder wie die Pharma-Industrie mit harten chemischen, besonders abhängig machenden Drogen dealte. Da ihm weder Mord noch Totschlag, nicht einmal Körperverletzung, nachgewiesen werden konnte, wurde er mit dem Mafia-Paragraphen «Bildung einer kriminellen Vereinigung» in den USA angeklagt.
Die Drug Enforcement Administration (DEA) wies ihm geschmuggelte 20 bis 30 Tonnen nach. Die US-Staatsanwaltschaft forderte 40 Jahre. 1988 wurde er zu 25 Jahren Haftstrafe verurteilt. Seit 1995 ist er wieder frei und tourt als Ikone des Hippietums und des ungeahndeten Hasch-Konsums durch die Lande, promotet Bücher und verkauft seinen Hanfsamen.
Der Hanf ist eine der ältesten Kultur- und Nutzpflanzen der Menschheit, seit mehr als 5000 Jahren, jedoch behördlich verboten im 20. Jahrhundert. In Kalifornien bestand die Chance, per Volksentscheid einen Dammbruch in der westlichen Welt vorzunehmen.
Ich hege Hoffnung, dass endlich Bewegung in die Debatte kommt. Ich war erstaunt, dass ausgerechnet die USA hier die Vorreiterrolle übernehmen. Eine höchst angenehme Überraschung und eine freudige Entwicklung. (Anmerkung der Redaktion: Der Gesetzentwurf, der es Personen ab 21 Jahren erlaubt hätte, bis zu 28 Gramm Marihuana zu besitzen und an nicht öffentlichen Plätzen zu konsumieren, ist von einer freilich nicht erdrückenden Mehrheit der KalifornierInnen abgelehnt worden. Der negative Ausgang des Volksentscheids hat dramatische Konsequenzen. Müsste der Staat Kalifornien keine Kiffer oder Dealer mehr in den Gefängnissen versorgen, könnte er 200 Millionen Dollar im Jahr sparen ein riesiges Entlastungspotenzial in der Zeit der Krise!)
Viele Fans sehen Sie als Vorkämpfer und Märtyrer. Wurde Sie doch zu 25 Jahren Haft verurteilt, von denen Sie 7 Jahre absitzen mussten. Bezeichnend auch, dass Gouverneur Schwarzenegger, der in Kalifornien das Volk entscheiden ließ, es in Österreich nicht einmal zu einer ehrlichen Debatte, geschweige zu einer Volksabstimmung, gebracht hätte.
Hier zeichnet sich eine Veränderung, ein willkommener Wandel ab. Kalifornien ist und war immer schon liberaler eingestellt. Aber wenn es einmal freigegeben ist, dann wird jedes Land in der restlichen Welt ernsthaft darüber nachdenken. Das kann nur einen positiven Effekt haben, die Richtung ist vorgegeben.
«Ich bin ja kein Gärtner!»
Sie schreiben, dass es Ihr Menschenrecht ist, jede in der Natur vorkommende Pflanze anbauen und frei konsumieren zu können. Nun, andere sehen das nicht so.
Man braucht sich ja nur anzuschauen, wer sich fürs Verbot eingesetzt hat: die Kunststoff-Erzeugung, die Pharma-Industrie, ja sogar die Alkohol-Lobby hat sich auf den höheren moralischen Standpunkt gestellt. Inzwischen denken schon mehr Leute darüber nach und erkennen die Hintergründe. Es ist ein soziales Experiment, aber zeitlich begrenzt und die Zeit dafür ist so gut wie abgelaufen.
Eine der ersten Forderungen der Sozialdemokratie war, jedem Arbeiter sein Recht auf zeitweise Berauschung zuzugestehen. Selbst der Kampf gegen den Alkohol während der US-Prohibition zielte in Wirklichkeit auf die Kneipen und Lokale ab, damit die Arbeiter nicht zusammenkamen und im Suff umstürzlerische oder gar gewerkschaftliche Pläne schmiedeten.
Um nicht verrückt zu werden, zeitweise. Wenn man sich das Arbeitsleben anschaut, wird man darauf getrimmt zu funktionieren, um stupide und monotone Arbeiten, die wir alle erledigen müssen, effizient erfüllen zu können. Da kann man schon auf Marihuana angewiesen sein, um weiter funktionieren können, als Beruhigungsmittel und als Hilfsmittel.
Der medizinische Nutzen ist unbestritten und liegt in der Beruhigung, der Anfallslinderung und der Krampflösung. Wenn man sich die Nebenwirkungen der pharmazeutischen Mittel anschaut, wird einem angst und bange.
Besonders wenn man sich anschaut, wie viel es braucht, damit ein Mittel wirkt. Und wie wenig es braucht, damit ein Mittel tödlich wirkt. Und wenn diese beiden Werte zu nahe beieinander liegen, ergibt das eine wirklich tödliche Droge. Versuche das mal mit Rauchen. Man kann sich mit Marihuana nicht zu Tode rauchen, zumindest nicht binnen kurzer Zeit. Das braucht schon eine Weile
Sie waren während Ihrer aktiven Zeit auf der Liste der Top-Verbrecher der USA, nach denen weltweit gefahndet wurde. War es ein weiter Weg von Kenfig Hill in Wales nach Oxford als Student, um dann den entscheidenden Schritt ins weltweite Business des Haschischschmuggels zu machen?
Das ist gleichwertig zu sehen aber ich wollte garantiert nicht der größte Drogenschmuggler werden! Jedoch, wie so vieles im Leben, passieren solche Dinge, die alles komplett verändern, zufällig und geschehen völlig unabsichtlich, indem sie sich einfach mit der passenden Gelegenheit ergeben.
Wer anbauen will, muss die männlichen Samen von den weiblichen trennen, dann produzieren diese das Harz. Und je höher die Lage, desto näher zur Sonne, wobei Harz als Sonnenschutz produziert wird. Dazu dient in den Grow-Boxen, die hier haufenweise angeboten werden, das UV-Licht zur Stimulation. Haben Sie selber auch angebaut, Hanfpflanzen eigenhändig gezogen?
Ich habe keinen grünen Daumen, ich bin und war immer nur am fertigen Produkt interessiert, was sonst? Da gibt es andere, die das besser können, ich bin ja kein Gärtner.
USA, China, Australien Einreiseverbot in vielen Ländern
Hanf ist selbst in unseren Breiten noch im Sprachgebrauch verwurzelt: Hanf als Tabakersatz war «starker Tobak». Und heute rauchen Sie noch immer und greifen zu Hanfgebäck, Hasch-Cookies?
Ja ja, freilich rauche ich auch weiterhin, warum sollte ich es nicht tun? Manchmal mag ich Cookies, hie und da greife ich zu. Aber wenn ich Hanf-Cookies esse, dauert es recht lange für mich, mich davon zu erholen. Vielleicht eine Altersfrage? Am besten, wenn ich diese vor dem Schlafengehen esse aus Entspannungsgründen.
Sie wurden 1988 in Spanien von der US-Behörde gekidnappt und verschleppt, vor den Augen Ihrer Frau und im Beisein Ihrer Kinder. Wenn Sie Widerstand geleistet hätten, wäre Ihre Frau auch verhaftet worden, schreiben Sie. Leben Sie noch in Spanien? Und gibt es Probleme, wenn Sie im Zuge Ihrer Vortragstätigkeit auf Reisen gehen?
Ja, so war das damals. Nein, ich bin weggezogen. Seit 8 Jahren lebe ich in Leeds in England. Probleme habe ich inzwischen nicht mehr. Nun gut, ich kann nicht in jedes Land einreisen, mit meiner Vergangenheit. Ich kann definitiv nicht in die USA, um zum Beispiel medizinisches Marihuana zu bekommen. Auch China lässt mich nicht mehr ins Land. Und Australien Weil ich deren Gesetze gebrochen habe, bin ich bei denen unerwünscht. Nun denn!
Während Ihrer kriminellen oder besser gesagt: kriminalisierten Laufbahn brachten Sie es auf 43 falsche Identitäten, 89 aktive Telefonnummern in der Vor-Händy-Ära und 25 Import-Export-Gesellschaften, die dem einzigen Zweck dienten: der Verbreitung. Und nun verbreitet sich ein Film über Sie. Schockiert es, wenn man sich als Figur auf der Leinwand sieht?
Verstörend eher! Ich mag es, und es ist eine Ehre, sein Leben verfilmt zu sehen. Am Buch habe ich 9 Monate geschrieben. Ich finde, alle guten Dinge, die man macht, sollten 9 Monate brauchen. Bei meinem Leben habe ich keinen Ghostwriter benötigt.
Nun sind Sie 65 Jahre alt, sehen aus wie ein «Rolling Stone», haben 4 erwachsene Kinder. Gibts noch Erwartungen, und wie ist das Feedback Ihrer Kinder?
Nein, nix mehr, weitere 25 Jahre Knast gehen sich ja nicht mehr aus Die Kinder sind erwachsen. Ich bin auch nicht mehr verheiratet. Manchmal sind sie stolz auf ihren mehr oder weniger berühmten Vater, zum Beispiel auf einem Festival, oder wenn sie in einen Club in London reinwollen. Dann berufen sie sich auf ihren alten Vater.
Und zieht man dann generationenübergreifend gemeinsam einen Ofen durch?
Nein, da mische ich mich definitiv nicht ein. Ich berate sie vielleicht, wenn sie darauf Wert legen sollten. Aber ich brauche sie weder zu ermutigen noch zu entmutigen. Das tut schon die Gesellschaft selbst.