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Im Jahr 2004 hat die Stadt Wien den letzten Gemeindebau übergeben. In Favoriten sollen nun schon im Herbst Mieter_innen in die ersten seither errichteten Wohnungen einziehen. Ob das wirklich der Beginn einer neuen Ära ist, ist offen. Von Christian Bunke
Illu: Much
«Barbara-Prammer-Hof» ist der Name der auf dem Gelände der ehemaligen AUA-Zentrale in der Nähe der U1-Station Oberlaa entstandenen Anlage. Er ist nach der 2014 verstorbenen Nationalratspräsidentin benannt. 120 Wohnungen sollen es werden, wenn alles fertig ist. Sie sind laut Darstellungen der Stadt Wien zwischen 40 und 100 Quadratmeter groß, 90 Prozent sind «speziell für Singles und Paare jeden Alters, Alleinerzieherinnen beziehungsweise Alleinerzieher mit bis zu 2 Kindern sowie Paare mit einem Kind geeignet. Mehr als 40 Prozent der Wohnungen bieten 1 oder 2 Zimmer. Mit der JungwienerInnen-Vormerkung haben Singles bis 30 die Möglichkeit, auch eine 2-Zimmer-Wohnung zu erhalten.» Daneben werden allerlei Annehmlichkeiten versprochen. Es gibt drei Höfe, Kellerabteile, Waschsalon, Kinderwagen- und Fahrradabstellräume, eine Fahrradreparaturwerkstatt und eine Sammelgarage. Hinzu kommen ein Wintergarten, Hausbetreuung und eine Dachterrasse.
Insgesamt sollen bis zum Ende des Jahres 2020 an verschiedenen Orten Wiens 4000 neue Gemeindewohnungen entstehen. Diese Initiative geht auf den Gemeinderatswahlkampf des Jahres 2015 zurück, als die regierende SPÖ kurzerhand den «Gemeindebau Neu» aus dem Hut zauberte. Mit der Errichtung des bislang letzten Gemeindebaus wurde im Jahr 2002 begonnen. Er steht in der Rösslergasse 15 in Liesing und wurde im Jahr 2004 an die Bewohner_innen übergeben.
Geliehenes Know-how.
Nach der Verkündung des neuen Bauprogramms zogen erst einmal zwei Jahre ins Land. Erst 2017 wurde ernsthaft mit Planungen begonnen. Es brauchte eine gewisse Zeit, damit die Stadt wieder die nötige Infrastruktur aufstellen konnte. Diese existiert in Form der WIGEBA, einer ausgegliederten Baugesellschaft, welche sich zu 51 % im Eigentum der GESIBA und somit der Wien Holding sowie zu 49 % im Eigentum von Wiener Wohnen befindet. «Die Stadt Wien holt sich damit die Erfahrung einer Genossenschaft», sagt die Architektin und Stadtplanerin Gabu Heindl. «In dieser Hinsicht ist das mit den ursprünglichen Gemeindebauten aus den 1920er-Jahren nicht direkt vergleichbar. Es war ein Fehler, 2004 mit dem Bau von Gemeindewohnungen aufzuhören, denn jetzt muss das Know-how erst wieder mühsam aufgebaut werden.»
Gegenüber herkömmlichen Genossenschaftswohnungen haben jene der WIGEBA jedoch wesentliche Unterschiede. Es werden keine Eigenmittelanteile und keine Kaution verlangt. Die Miete liegt bei 7,50 Euro brutto-warm pro Quadratmeter, und es gibt keine Befristungen. Die Vergabe erfolgt durch Wiener Wohnen. Es gelten die für den Zugang zum Wiener Gemeindebau üblichen und in den vergangenen Jahren deutlich verschärften Vergabekriterien.
Zuckerl oder nachhaltige Strategie?
In Wien stehen derzeit rund 19.000 Menschen auf der Warteliste für eine Gemeindewohnung. Hieran zeigt sich, dass die 4000 Wohnungen bloß ein Tropfen auf den heißen Stein sind. Verschärfend kommt hinzu, dass zwei von drei in Wien abgeschlossenen Mietverträgen im privaten Wohnungsmarkt sind, die große Mehrheit von diesen ist befristet. Im Segment des Gemeindebaus herrschen harte Zugangsbeschränkungen. Nur wer die Erfordernisse des Wohntickets erfüllt und für zwei Jahre ununterbrochen in Wien gemeldet ist, hat eine Chance. Schon 2015 sagte der damalige Wohnbaustadtrat Ludwig in einem Interview für Die Presse: «Wer neu ist, muss sich hinten anstellen.»
Hier stellt sich nun die Frage, ob die «neuen» Gemeindewohnungen Teil einer Gesamtstrategie für eine nachhaltige Errichtung weiterer Gemeindebauten sind, oder ob es sich hier eher um ein wahltaktisches Zuckerl handelt, welches mit Ende 2020 abgewickelt sein wird. Die Wiener Stadtpolitik hält sich bei dem Thema bedeckt. Weder Wohnbaustadträtin Gaal noch Bürgermeister Ludwig äußern sich in die eine oder die andere Richtung. «Es wäre fatal, wenn es sich nur um ein Gimmick handeln würde», sagt die Architektin Heindl. «Es muss dringend viel mehr günstiger Wohnraum geschaffen werden. Das Rote Wien hat in knapp zehn Jahren 64.000 Gemeindewohnungen gebaut.» Davon ist man heute noch sehr weit entfernt.
Stolz auf den Gemeindebau.
Weil der ursprünglich als Wahlkampfmaßnahme erdachte «neue Gemeindebau» sehr kurzfristig aus dem Boden gestampft wurde, bleiben auch andere Fragen offen. Wie sieht es zum Beispiel mit deren Zugänglichkeit für Wohnformen jenseits von Kleinfamilienstrukturen aus? Was ist mit demokratischen Mitspracherechten? Ermöglichen die neuen Gemeindebauten ein Leben und Arbeiten vor Ort? «Oder anders gesagt: Was ist die Waschküche des 21. Jahrhunderts? Was der Ort für Solidarität? Dass Menschen sich Wohnraum leisten können, das sollte ein grundsätzliches Ziel von Politik sein», sagt Heindl. «Darüber hinaus sollten wir uns 100 Jahre nach dem Roten Wien aber zum Ziel setzen, dass Menschen nicht im neuen Gemeindebau landen, weil es das Einzige ist, was sie sich leisten können, sondern dass sie stolz sein können, dort zu wohnen.»