Das Überwachungspaket schlägt ein neues Kapitel umfassender Kontrolle auf
Betroffen sind wir alle. Das Überwachungspaket der Bundesregierung bringt eine ganze Reihe neuer Bespitzelungsmaßnahmen. Dabei liegt die Gesetzesreform voll im internationalen Trend, meint Liese Kuttin.
Während einer Demonstration gegen Regierungsmaßnahmen fischt ein Gerät der Polizei nach den Telefonnummern aller Anwesenden. Auch Wertkartenhandy-Besitzer_innen werden identifiziert, weil sie sich beim Kauf ihres Guthabens registrieren mussten. Nach der Demo verfolgen Überwachungskameras den Weg eines Verdächtigen. Selbst wenn er auf der Autobahn davonfährt, kann seine Fahrtroute dank Videoaufnahmegeräten, die Autokennzeichen auslesen, nachvollzogen werden. Dieses Szenario ist noch fiktiv, aber bald Realität. Die Regierung hat trotz heftiger Proteste aus der Zivilgesellschaft ein weitreichendes Überwachungspaket durch den Nationalrat gebracht, dessen Bestandteile bis 2020 schrittweise realisiert werden.
Argumentiert wird die Verschärfung der Überwachungsmaßnahmen mit dem Kampf gegen schwere Kriminalität und Terrorismus. Doch die Gesetzesreform hat Auswirkungen auf alle Bürger_innen. Vor allem die Kombination der einzelnen Bestandteile des Überwachungspakets erlaubt eine umfassende Kontrolle vieler Lebensaspekte. So werden auch unbescholtene Bürger_innen von den Videokameras gefilmt, auf die die Ermittler ab 2019 zugreifen dürfen. Dabei handelt es sich um Überwachungskameras von öffentlichen Stellen oder privaten Unternehmen mit öffentlicher Funktion.
Schonungslos.
Die Polizei darf dann Aufzeichnungen von Überwachungskameras auf Bahnhöfen und Flughäfen oder von Behörden auf öffentlichen Plätzen einsehen. Dasselbe gilt für die Autokennzeichenerfassung. Zwar werden schon jetzt an wenigen Punkten Nummerntafeln überwacht, das funktioniert jedoch nach einer datenschutzrechtlich schonenden Methode: Kennzeichen werden sofort an eine Datenbank gemeldet, in der gestohlene Autos registriert sind. Gibt es einen Treffer, wird die Aufnahme gespeichert; andernfalls wird sie gelöscht. Künftig sollen Daten über Kennzeichen jedoch zwei Wochen lang gespeichert werden, außerdem werden Fotos vom oder von der Fahrzeuglenker_in angefertigt.
Gemeinsam mit der Speicherung von Daten über Flugzeug-Passagier_innen können Behörden künftig also Reisebewegungen nachvollziehen. Es wird nahezu unmöglich sein, Wien unbemerkt zu verlassen, da Flugreisen jahrelang gespeichert, Autokennzeichen registriert und Bahnhöfe videoüberwacht werden.
Der zweite große Teil des Überwachungspakets zielt auf die Kommunikation von Verdächtigen ab. Überwiegend geht es dabei um elektronische Kommunikation, aber auch klassische Postsendungen sind betroffen. So können Behörden künftig das Briefgeheimnis aushebeln und Pakete von oder an Verdächtige öffnen, wenn sie beispielsweise einen Versand von Drogen vermuten – der AUGUSTIN berichtete.
Herzstück Bundestrojaner.
Digitale Kommunikationsakte können ab Juni «eingefroren» werden. Telekom-Firmen speichern schon jetzt zu Rechnungszwecken große Datenmengen, etwa wer wann wo mit wem telefoniert hat. Diese Informationen werden nach Begleichung der Rechnung und einer Einspruchsfrist – also etwa nach drei Monaten – wieder gelöscht. Künftig können Ermittler_innen genau das verhindern. Die Speicherung kann auf bis zu zwölf Monate ausgedehnt werden, für den Zugriff auf diese Daten ist eine richterliche Bewilligung nötig.
Das Herzstück des Überwachungspakets ist zweifelsohne der sogenannte Bundestrojaner. Dabei handelt es sich um eine Spionagesoftware, die in Smartphones oder Computer von Verdächtigen eingeschleust wird. Sie blickt dem Verdächtigen dann über die Schulter und gibt jegliche Eingaben im Internet, also Gespräche oder Seitenaufrufe, an die Ermittler_innen weiter.
Kritiker_innen der Maßnahme weisen darauf hin, dass für die Installation dieses Überwachungsprogramms schwerwiegende Sicherheitslücken auf den Geräten der Zielpersonen ausgenutzt werden müssen. Es wäre für die Allgemeinheit, die ja dieselben Geräte benutzt, sinnvoller, diese Lücken zu schließen. Denn auch Kriminelle oder ausländische Geheimdienste greifen auf diese Einfallstore zurück.
Im Trend.
Außerdem gilt diese Form der elektronischen Überwachung als unverhältnismäßig teuer. Das Innenministerium prognostiziert, dass die Beschaffung und Wartung des Trojaners mehrere Millionen Euro kosten wird. Ein Betrag, der an anderer Stelle zweifelsfrei besser eingesetzt wäre. Die Regierungsparteien zeigten sich davon allerdings unbeeindruckt. Als Oppositionspartei hatte die FPÖ noch laut gegen die geplanten Maßnahmen protestiert, der damalige FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl sprach im Sommer 2017 etwa von einer drohenden «DDR 4.0». Die SPÖ ließ damals aus verfassungsrechtlichen Bedenken das von der ÖVP forcierte Überwachungspaket platzen. Mit dem neuen Koalitionspartner FPÖ erhält die Volkspartei endlich ihre Überwachungswünsche. Als Innenminister verteidigt Kickl das Paket nun vorbehaltlos.
Dabei ist zu vermuten, dass zumindest einzelne Bestandteile der Gesetzesnovelle vor dem Verfassungsgerichtshof landen werden. Die umfassende Videoüberwachung oder der Bundestrojaner könnten wieder aufgehoben werden. Die österreichische Regierung liegt mit ihren Plänen allerdings im internationalen Trend. In Deutschland oder Frankreich sind ähnliche Maßnahmen bereits im Einsatz.