Konfiszierung jüdischer Schicksaletun & lassen

Maria Fekter ein österreichisches Gesamtkunstwerk

Gäbe es Maria Fekter nicht, niemand hätte sie erfinden können. Denn zu so viel Mut zum Stereotyp wagt sich nicht einmal die Fantasie des Blockbuster-Kinos herab.Wollte man für Kinder tendenziös und propagandistisch die Grauslichkeiten politischer Verhältnisse personalisieren, wer wäre hierfür besser gecastet als diese Baba Jaga der zentraloberösterreichischen Steppe, diese Mater dolosa des rechten Ressentiments, ehe sie später lernen, die komplexeren Zusammenhänge jener Verhältnisse zu erfassen. Doch siehe da: Die machen in Österreich auch den Heranwachsenden nicht den Gefallen, deren politisches Bewusstsein an ihrer Komplexität zu schulen, sondern zeigen sich klar geschnitten wie die Züge der Maria Fekter: zwei Brauen, kühn aufsteigend wie manipulierte Aktienkurse, darunter ein Blick, so exakt das Gegenteil jener «Rehlein-Augen», für die sie keine Gnade kannte, und ein Mund, der dermaßen unbefangen aus der Schule plaudert, dass es eine Freude ist. Ja, Maria Fekter ist ein nicht mehr für möglich gehaltener Glücksfall. Denn sie tritt nicht, wie die übliche Fekter-Kritik insinuiert, ständig ins Fettnäpfchen, sie ist das Fettnäpfchen, woraus, nachdem das christlich-soziale Über-Ich verdunstet ist, das ranzige Schnitzifett der rechten Ressentiments spritzt. Dafür müsste man ihr dankbar sein. Denn überall wo ein Michael Fleischhacker den Deckel der neoliberalen Ethik draufpresst, geht anderswo die Wahrheit hoch. Und diese undichte Stelle ist und bleibt Maria Fekter.

Wirft der Chefredakteur der «Presse» noch allen, die die Politik zugunsten der «Banker, Reichen und Vermögenden» (Fekter) beim Namen nennen, Populismus vor, will die Finanzministerin diesen neuerdings den Davidstern annähen. Dass sie sich bei ihrer Täter-Opfer-Umkehr des Vergleichs mit dem Antisemitismus bedient, und nicht des um einiges Treffenderen mit dem Kommunismus, mag noch vom alten bürgerlichen Schutzzauber herrühren, den Teufel nicht beim Namen zu nennen. Der Kommunismus verfolgte das Kapital wirklich, der Nationalsozialismus schaltete bloß jüdische Konkurrenz und sozialistische Kritik aus, damit auf dem freien Markt viel Platz und Geld für weitere Anständige und Tüchtige frei wurde, die vor allem per Rüstungsindustrie und Sklavenarbeit der Konjunktur kräftige Schübe verschafften.

Frechheit siegte historisch immer


Die Gelassenen mögen nun einwenden, die Finanzministerin habe sich gar nichts dabei gedacht, sondern nur zur üblichen Dummheit gegriffen, jegliche Form von Diskriminierung ob eingebildet oder nicht mit der antisemitischen zu vergleichen, gefolgt von haarsträubender zeitgeschichtlicher Unbildung, nämlich der Herleitung des Zweiten und vor allem des Ersten Weltkriegs aus der Verfolgung von Juden oder aber Reichen, einer intellektuellen Ungeheuerlichkeit, die bei einem Staatsbürgerschaftstest ihre sofortige Abschiebung nach Attnang-Puchheim inklusive Mundpflaster provozieren würde. Doch Einfalt als Entschuldigung für Niedertracht ist ein österreichisches Spezifikum. Und mehr als bloß den Umstand, dass sie sich noch gar nicht viele Gedanken über diese Zeit gemacht haben dürfte, enthüllt Frau Fekters Memento. Eine Aussage, die am Strafbestand der Verharmlosung nationalsozialistischer Verbrechen nur wegen ihrer vagen Ausdrucksweise knapp vorbeischrammt, liegt in folgendem Satz: «Damals wars dann verbrämt gegen die Juden, aber gemeint waren damals ähnliche Gruppierungen …» Es reicht nicht, von den Armen zu nehmen und den Reichen zu geben, die Finanzministerin konfisziert zu deren Gunsten auch das Schicksal sechs Millionen massenindustriell vernichteter jüdischer Menschen! Denn schließlich war der Antisemitismus haben wir sie richtig verstanden, Frau Fekter? nicht primär gegen die Juden gerichtet, sondern nur der hinter dem Vorurteil gegens raffende Kapital verborgene Auftakt zur Hetzjagd auf die Reichen. Auf die Firmen Thyssen und Krupp also, aber auch General Motors und Ford, die in deutschen Filialen versklavte Juden für sich arbeiten ließen. Ein unstatthafter Kniefall vor diesem zeitgeschichtlichen Verständnis wäre der Hinweis, dass ein Großteil der ermordeten Juden keineswegs reich war.

«So etwas hatten wir schon einmal, und es hat zwei Mal in einem Krieg geendet.» Nein, Frau Fekter, es hat nur einmal geendet, mit dem Holocaust, auch wenn Sie und ihresgleichen im notwendigen Kampf der Alliierten gegen unsere Eltern und Großeltern das Äußerste an Leid vermuten!

Dass die schwarz-blaue Plünderökonomie nicht eine unschöne Abweichung vom hehren Wettbewerb der freien Marktkräfte war, wie die Redakteure der «Presse» nicht müde werden zu beschwören, sondern die logische Konsequenz eines freien Marktes, dem weder Gesetze noch sozialer Widerstand bremsen, dringt allmählich ins Bewusstsein der Massen. Doch da Frechheit bislang immer gesiegt hat, setzt man die aufdräuende Gegenwehr mit Judenverfolgung gleich. Frau Fekter braucht sich ums Wohlergehen der europäischen Banker sowie unserer Mensdorff-Pouillys und Grassers nicht zu sorgen, vorsorglich hat man die zuständigen Bankenaufsichtsbehörden und Justizausschüsse mit gleichgesinnten Raoul Wallenbergs bestückt, die das Schlimmste schon abwenden werden. Ihr selbst ist allerdings nicht mehr zu helfen. Nicht einmal eine Verurteilung zu Gedenkdienst im KZ Mauthausen könnte dieses Ausmaß an Unwissen und Gemeinheit mildern. So bleibt sie uns zumindest als abschreckendes, aber lehrreiches Guckloch ins rechtskonservative Unterbewusstsein erhalten.

Hexe der russischen Märchenwelt

dolosus, -a, -um (lat.): heimtückisch, arglistig, böse