Konnte immer sehr ehrlich seintun & lassen

Erika Parzer – Mitbegründerin des Augustin

Ich war Späteinsteigerin auf der Sozialakademie (Sozak). Zur Ausbildung auf der Sozak gehörte, dass man ein Projekt machen muss. Zufällig erzählte mir Robert Sommer, dass er und Max Wachter beabsichtigen, eine Straßenzeitung zu gründen. Ich habe gesagt: «Ihr könnt die Obdachlosen ja nicht ohne irgendeine Betreuung auf die Straße zum Verkaufen schicken.» So ist der Augustin als gemeinsames Projekt von Robert Sommer, Max Wachter und acht Sozak-Schüler_innen entstanden.

Foto: Mario Lang

Die ersten Verkäufer_innen bekamen wir dadurch, dass wir im Jahr 94 Sozialeinrichtungen besuchten und unsere Idee vorgestellt haben. Anfangs sind wir auf eine hohe Welle des Misstrauens gestoßen. In den Einrichtungen konnte man sich nicht vorstellen, dass man sich nicht auf ihre Kosten bereichert. Ein Jahr später, als der Augustin dann als Zeitung erschienen war, hat sich das total verändert. Damals habe ich viel gelernt: alles ohne einschlägige Erfahrung zu entwickeln, sich zu erarbeiten.

Von Anfang an waren die drei Säulen klar: Keine Gruppe von Menschen wird ausgeschlossen, wir nehmen keine Subventionen, und drittens, jede_r, die/der es aus finanziellen Gründen nötig hat, darf den Augustin verkaufen, ohne dass Fragen gestellt werden.

Wir haben wenig Grundsätzliches diskutiert, sondern einfach getan.

Ich war damals die Obfrau des Trägervereins Sand und Zeit, und ich wollte das immer ehrenamtlich machen.

Wir hatten zuerst zwei Männer als Sozialarbeiter, und haben dann jemand dritten gesucht. In meinem Job hat es für mich nicht mehr so gepasst, also habe ich dann doch hauptberuflich als Sozialarbeiterin beim Augustin begonnen, und überraschenderweise vom ersten Augenblick an gewusst: Das ist meine berufliche Heimat.

Zum ersten Mal ein nicht-hierarchischer Betrieb. Ich habe die Verkäufer_innen alle gekannt, wir waren ja klein und fein. Ich habe es sehr genossen. Hier lernte ich eine ganz andere Form der Kommunikation kennen. Wir reden viel miteinander, wir müssen uns mehr überlegen, wie wir zu Kompromissen kommen, sowohl inhaltlich als auch organisatorisch. Das war etwas ganz Neues für mich. Ich habe die Arbeit geliebt, weil ich hier ganz authentisch sein konnte. Ich konnte immer sehr ehrlich sein.

Am meisten haben mich die Phasen belastet, wo wir viele Menschen nicht mehr aufnehmen konnten.

Beim Volksstimmefest 2000 habe ich mit Mario die halbe Nacht lang durchgesungen, von Volkslieder- über Arbeiterlieder bis zu Schlager. Da hatten wir die Idee, einen Chor zu gründen. Am nächsten Tag habe ich ein Plakat im Augustin-Büro aufgehängt, und es haben sich sofort interessierte Sänger_innen gemeldet. So ist das Stimmgewitter Augustin entstanden.

Auch wenn ich jetzt in Pension gehe, werde ich mich innerlich nicht vom Augustin trennen.