Konzerne wollen Schlaraffenlandtun & lassen

Raiffeisen und Wirtschafts-NATO

Transatlantic Free Trade Area (TAFTA), die transatlantische Freihandelszone, soll ab Mitte 2015 den Handel und vieles mehr zwischen Europa und Nordamerika neu regeln. Kritiker_innen nennen das geplante Vertragsgebilde auch «Wirtschafts-NATO». Und Raiffeisen? Steht verlässlich auf jener Seite, die Interessen von Großkonzernen und Investoren schützt.Schwer geheim starteten im Sommer in Washington die Verhandlungen zur angestrebten «Transatlantic Trade and Investment Partnership», jenes Vertragswerkes, das die TAFTA begründen soll. Es ist dies der zweite Anlauf zu einem Vorhaben, das bereits vor fünfzehn Jahren für Aufregung sorgte. Damals wurde per «Multilateralem Investitionsabkommen» versucht, die Spielmöglichkeiten von international tätigen Großkonzernen extrem auszuweiten. Allein, der Plan scheiterte an eigenwilligen nationalen Parlamenten und einer aufmerksamen Öffentlichkeit. Nun wird ein zweiter Anlauf genommen: Derzeit wird das TTIP verhandelt, die «Transatlantic Trade and Investment Partnership». Wie so oft in derartigen Situationen, kommt der zweite Versuch, ein Ziel zu erreichen, mit noch schärferen Forderungen daher. Und dazugelernt haben die Verhandler_innen: Der Deal soll streng geheim verhandelt werden! Denn für Konsument_innen unschöne Projekte, wie die Möglichkeit von Großkonzernen, nationale Regierungen auf Schadenersatz klagen zu können, müssen nicht unbedingt öffentlich debattiert werden. Der Plan sieht vor, dass das Vertragswerk weit über den Handelsverkehr zwischen Europa und Nordamerika hinausgeht und Themen wie Internet, die Nutzung von Land und Rohstoffen, Grenzwerte toxischer Substanzen, Gesundheitswesen, Rechte und Arbeitsmöglichkeiten von Immigrant_innen und vieles mehr von der Konvention betroffen sind. Und über allem schwebt die Überschrift, dass Investor_innenrecht vor nationalem Recht geht. In Folge eines Vertragsabschlusses des TTIP müssten nationale Gesetze dem Vertragswerk angepasst werden.

Rechtssprechung auf Absurdistanisch

Beispiel Schadenersatzrecht: Angestrebt ist eine Regelung, die es Großkonzernen ermöglicht, von nationalen Regierungen Schadenersatz zu fordern. Und zwar in dem Falle, dass ein nationales Gesetz, beispielsweise Saatgut oder Agrotechnik betreffend, die Gewinnmöglichkeit eines Konzerns behindert. Die Situation in Absurdistan könnte dann so aussehen: Die Abgeordneten eines nationalen Parlaments haben eine Regelung beschlossen, die beispielsweise die Geschäfte eines Chemiekonzernes einschränken. Der Vorstand des Konzerns wendet sich rechtzeitig vor einer fälligen Bilanzerstellung an die Regierung jenes Landes, das die entsprechende gesetzliche Regelung beschlossen hat und argumentiert, das Gesetz hätte eine realistische Gewinnerzielung der Summe X verhindert und begehrt Schadenersatz. Die Steuerzahler_innen jenes Landes, deren Repräsentant_innen im Parlament als Souverän das Gesetz beschlossen haben, dürfen per Steuerzahlung den «Verlust» des Konzerns ausgleichen und die Dividende servieren.

Auch in einem weiteren Punkt haben die Verhandler_innen dazugelernt: Das Vertragswerk soll zementiert, künftige Änderungen sollen nahezu unmöglich gemacht werden: Für Änderungen sämtlicher einzelner Vertragsteile ist die Zustimmung aller Mitgliedsstaaten der Konvention notwendig. Wer sich erinnert, wie langwierig sich Vertragsänderungen im EU-Recht gestalten, weiß, was dies bedeutet.

Und Raiffeisen? In diversen Meldungen wird dem österreichischen Publikum mitgeteilt, der Handel über den Atlantik könne ausgeweitet werden. Amerikanische Konsument_innen für heimische Produkte gewonnen werden. Worüber weniger berichtet wird: Aus heutiger Sicht wären auf Europas Tellern US-Hühner möglich, die vor ihrer Reise über den Atlantik mit Chlor gewaschen wurden. Guten Appetit!

Die besondere Situation von Raiffeisen in Österreich mit Raiffeisen-Abgeordneten im Nationalrat führt zu Folgendem: Die Raiffeisen-Abgeordneten werden nach Verhandlungsabschluss Gelegenheit haben, zu demonstrieren, zu wessen Gunsten sie abstimmen. Zugunsten von Geschäftspartner_innen wie beispielsweise Monsanto oder zu Gunsten eines österreichischen Nebenerwerbsbauern, der mit zwanzig Kühen versucht, über die Runden zu kommen.

Darüber hinaus stellt sich eine prinzipielle Frage: TAFTA ist das Gegenteil von «downsizing», das Gegenteil vom Versuch, Industrie und Handel auf ein sozial und ökologisch erträgliches Maß zurückzuführen. Wie bringt das oberste Leitungsgremium von Raiffeisen, der «Österreichische Raiffeisenverband» das Ansinnen von TAFTA mit den Grundprinzipien der Raiffeisen-Genossenschaftsbewegung unter einen Hut?

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