Speakers' Corner (22. November 2023)
Neulich haben P. und ich den WANDAPANDA & TIGER Fahrradanhänger in die Diversothek gebracht, eine super Bibliothek mit Literatur, «die den Blick auf Diversität und die Welt eröffnet». Es ist ein perfektes neues Zuhause für unser Archiv der asiatischen Diaspora, mit dem wir diesen Sommer durch Wien getourt sind. Nach getaner Arbeit frage ich P., ob wir noch gemeinsam Mittag essen, er sagt, er geht zu seiner Mutter, die gleich ums Eck wohnt, aber ich kann gern mitkommen.
Es gab immer genug Essen für unerwartete Gäste
Als wir fünf Minuten später die Stufen zu ihrer Wohnung hochgehen, muss ich schmunzeln, weil es mich an die Schulzeit erinnert, wo ich mit Freundinnen spontan nach Hause gegangen bin und es immer genug Essen für unerwartete Gäste gab. Während wir Rettich-Zucchini-Fischsuppe löffeln, fragt mich P.s Mutter ob ich 길림 kenne. Ich schaue sie fragend an und sie zeichnet mit ihrem Finger am Tisch chinesische Zeichen nach: 吉林 – «Ah du meinst Jilin!» «Ja, genau! Nach dem Krieg ist eine Tante von mir nach China gegangen. Korea war damals sehr arm, es gab nicht genug zu essen, aber in 길림 gab es viel Ackerland, dort mussten die Leute nicht Hunger leiden. Vor dem Krieg mussten meine Eltern in Japan arbeiten, sie haben in der Nähe von Hiroshima gelebt. Sie waren auch dort, als die Atombombe abgeworfen wurde. Danach wurden sie nicht mehr in den Metallverarbeitungsfabriken gebraucht und wurden aus Japan vertrieben. Sie mussten ihr ganzes Hab und Gut zurücklassen und konnten nie mehr zurückkehren.»
Hier schreiben abwechselnd Nadine Kegele, Grace Marta Latigo und Weina Zhao nichts als die Wahrheit.