Koste es, was es wolletun & lassen

Ein neuer Parkplatz für das Schloss Schönbrunn

Parken direkt am Schlosspark. Die aktuelle Großparkplatz-Baustelle vor dem Schloss Schönbrunn ist sehr sachte umstritten. Dabei sollte die Einsicht, was und wie viel hier aus wessen Haushalt zu wessen Gunsten geplündert wird, stürmische Emotionen hervorrufen, meint Robert Sommer.

Illu: Much

Der Streit um den Großparkplatz vor dem Schloss Schönbrunn wurde bisher vor allem auf ästhetischem oder kulturhistorischem Feld ausgetragen: Verträgt die kulturelle Welterbestätte eine Betonfläche an ihrer Seite? Wer so fragt, hat sich schon harmlos gemacht. Er oder sie hat mit dieser Frage höchstens eine Debatte der verschiedenen Geschmäcker eingeleitet. Notwendig wäre aber eine radikale Polemik, an deren Beginn die Frage steht: Wer macht eigentlich Stadtplanung in Wien? Die dafür ausgebildeten öffentlichen Beamt_innen in den entsprechenden Magistratsabteilungen des Rathauses – oder private Investor_innen und der Strabag-Asfinag-Porr-Komplex?

Stadt ohne Utopie.

Der letzte große kommunale Stadtplaner, der sich quer zur Neoliberalisierung der Stadtpolitik stellte, war der 1986 auf der Rax verunglückte Willi Kainrath. Für ihn war Stadtplanung noch eine städtische Angelegenheit. Sie sollte den Interessen der Stadtbenützer_innen dienen und nicht denen der Investor_innen. Kainrath war Stadtplanungsverantwortlicher im Klub der SPÖ-Gemeinderäte und arbeitete zum Schluss im Koordinationsbüro der Magistratsdirektion – ein mit Utopien angefüllter Beamter.

Heute bringen wenige Expert_innen in Wien die Selbstentmachtung einer angemessenen Bürokratie so auf den Punkt wie der kritische Stadtplaner und Buchautor Reinhard Seiß. In einem AUGUSTIN-Gespräch skizziert er die schleichende Machtübergabe, gegen die es kaum Widerstand gibt, leider auch nicht seitens der Grünen. «Obwohl Wien durchaus vorbildliche urbanistische Strategien und Projekte wie die sanfte Stadterneuerung – übrigens eine der ‹Erfindungen› Kainraths – vorzuweisen hat, beherrschen auch in unserer Stadt zunehmend ökonomische Interessen die Stadtentwicklung. Die Planungspolitik zieht sich aus ihrer Verantwortung zurück.» Ein Großteil der planerischen Entscheidungen würden zugunsten spekulativer Einzelinteressen getroffen – und zu Ungunsten der räumlichen Qualität der Stadt. «Das Interesse der Allgemeinheit muss gegen kurzsichtige Begehrlichkeiten verteidigt werden.»

Sydney goes Vienna.

Am Beispiel des komplett überteuerten Parkplatzes vor dem Schloss Schönbrunn lässt sich dieser Triumph der nicht bevölkerungsorientierten Begehrlichkeiten auf doppelte Weise definieren.

Erstens kann das Projekt als eine Absage an die formulierte offizielle Verkehrspolitik betrachtet werden. Allen ist klar: Wien verträgt keinen zusätzlichen PKW-, LKW- und Busverkehr innerhalb der Stadt. Dennoch werden im Interesse der Baufirmen und der Tourismus-Eliten immer neue Parkplätze angeboten, die den entsprechenden Verkehr in die Stadt saugen. Im «Fall Schönbrunn» ist die Parkplatz-Entscheidung geradezu letztklassig. Denn das Schloss Schönbrunn liegt direkt an einer U4-Station. Das Schloss hat schon heute 10.000 Besucher_innen pro Tag. Anderswo wäre es vorstellbar, dass die Alarmglocken klingelten und Obergrenzen der Belastbarkeit beschlossen würden. Die reisefreudige Mittelklasse verdoppelt sich in manchen planetarischen Regionen innerhalb von zwanzig Jahren. Diese Menschen werden auf ihr Recht, europäische Kulturerbe-Objekte zu bereisen, nicht verzichten.

Zweitens erhärtet sich am Beispiel des für 230 PKW- und Busparkplätze konzipierten Schönbrunn-Projekts der Verdacht, dass es sich um eine Baustelle handelt, die in erster Linie als Umverteilungsmaschine von öffentlich zu privat funktioniert. Bei Baustellen, die von öffentlicher Hand beauftragt werden, sind Kostenexplosionen die Regel; das Krankenhaus Nord in Wien-Floridsdorf ist ein Paradebeispiel dafür. Vor kurzem wurde bekannt, dass einem externen Dienstleister fast 20.000 Euro bezahlt wurden – einzig und allein dafür, dass er Kaffee-Automaten testete, die für das neue Spital in Frage kämen. Das «Sydney-Paradigma» ist zu einem verallgemeinerbaren Phänomen in der Welt der Großprojekte geworden: Die Regionalregierung schrieb 1957 den Bau eines Opernhauses im Hafen von Sydney aus – heute so bekannt wie die australischen Kängurus. Zehn Millionen Dollar sollte der Bau kosten, in sechs Jahren sollte er fertig sein. Aus den sechs Jahren wurden vierzehn Jahre, aus den zehn Millionen hundert Millionen. Die Plünderung der öffentlichen Budgets erreichte Ausmaße, angesichts derer es sich für das Baukapital schon lohnt, Partner von öffentlichen Auftragsgebern zu sein.

Ein 15-Millionen-Euro-Parkplatz.

Nicht ganz so groß ist die Spanne zwischen ursprünglich genannten Kosten und dem schlussendlich realistischen Betrag im Falle des Schloss-Parkplatzes. 2015 hieß es, fünf Millionen Euro wären zu investieren. Nun stellt sich heraus, dass der Parkplatz samt Besucher_innenzentrum 15 Millionen kosten wird. Auftraggeberin ist die Schönbrunner Kultur- und Betriebsgesellschaft. Sie gehört zu hundert Prozent dem Bund, also auch ein Molekülchen mir & dir. Uns würde es nicht überraschen, wenn die Öffentlichkeit zum Schaden nicht auch den Spott hätte. Denn die angepassten Medien sind geübt in Zornableitung. Die Kostenüberschreitungen, belehren sie uns, seien der beste Beweis dafür, dass öffentliche Bauherrn nicht über die sachliche Kompetenz verfügten, um Bauprojekte problemlos zum Abschluss zu bringen.

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