Rathaus schickte vermummte Polizei gegen ein Stück konkrete Utopie
Anfang Oktober war diese unwirtliche Ecke an der Tangente etwas freundlicher: Die Triester Straße 114 war hell erleuchtet, mit viel Liebe hatten die Hausprojektleute ein bisschen Gemütlichkeit geschaffen. Es gab Kaffee und Kuchen im Kostnixcafé, Theater- und Filmvorführungen im Kostnixkino, Workshops und Diskussionsveranstaltungen, gemeinsame Abendessen, gemütliche Lagerfeuer im verwunschenen Garten und natürlich das tägliche Plenum. Nicht nur BewohnerInnen des nahe gelegenen Schöpfwerks kamen auf Besuch, auch eine Delegation der ÖVP-Ortsgruppe Favoriten war auf Kaffee und Kuchen da und gestand nach Besichtigung des Projekts und Gesprächen mit den BewohnerInnen, positiv überrascht zu sein.
Seit zwei Jahren steht das Haus, ein Überbleibsel der Wienerberger Ziegelwerke, bereits leer. Eigentümerin ist die Stadt Wien gute Voraussetzungen für die Verwirklichung des alternativen Projekts, sollte mensch meinen. Ich glaube, dass es realistisch ist, hier das Hausprojekt zu machen, denn es gibt aufgrund der unattraktiven Lage keine Spekulanten und auch keine unmittelbaren Nachbarn, die sich gestört fühlen könnten, so Stefan Schmal von der Gruppe. Doch er irrte sich leider. Anstatt solidarische Projekte zu unterstützen und damit auch sozialen Problemen Lösungsmöglichkeiten zu bieten, setzt man in der Bundeshauptstadt lieber auf Polizei, die die Krisenkriminalität bekämpfen soll. Mit der Räumung der Triester Straße wurde das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung beauftragt.
Wir haben schon zig Mal unser Konzept an den zuständigen Wohnbaustadtrat Ludwig geschickt, aber noch nie eine konstruktive Antwort bekommen, obwohl es in Wien mehr als 80.000 leer stehende Wohnungen gibt, so Emma G. von der Gruppe Hausprojekt. Die Leistungen, die wir im Hausprojekt selbst organisieren, muss die Stadt für gewöhnlich mit hohen Beträgen subventionieren, wir wollen nicht mal Subventionen, sondern nur den Raum. Sogar die Presse bewunderte die gute Organisation und das ausgereifte Konzept der AktivistInnen. Die Stadtverwaltung schickte Mediator Florianschütz: Wir haben viel mit ihm geredet, ohne Erfolg, der Mediator darf nix, kann nix und tut nix, außer uns hinzuhalten und uns zu erklären, dass er Verhandlungspartner für uns sucht, die dann doch nicht mit uns redeten, erzählt Emma G.
Wienerberg braucht Grätzelbelebung
Für das Projekt arbeitet die Gruppe schon seit einigen Jahren. Die Hausprojektgrundsätze wurden gemeinsam entwickelt und bilden die Basis, um die Vorstellungen und Utopien der Gruppe umsetzen zu können. Es ist ja schon oft passiert, das Gruppen mit hohen Ansprüchen letztendlich in der Kommerzialisierung gelandet sind, weil es nicht leicht ist, in diesem System aufzuhören, kapitalistisch zu agieren. Meist haben die Gruppen auch ihre Autonomie verloren, weil sie Subventionen erhalten haben und von Stadt, Staat und Politik vereinnahmt wurden, so Stefan Schmal. Aber genau davor sollen die Grundsätze schützen: In und um das Haus darf es keine kommerzielle Verwertung und keine Lohnarbeit geben, Fixkosten werden solidarisch und kollektiv aufgeteilt, und wer etwas isst oder trinkt, der zahlt einen Preis nach eigenem Ermessen. Autonomie und Selbstbestimmung spielen eine wichtige Rolle. Wer im Haus wohnt, nützt den zeitlichen Freiraum, den er/sie dadurch hat (weil nicht für die Miete gearbeitet werden muss), für die Organisation der offenen Werkstätten, der Kindergruppe, des Kostnixladens, des Antirassismuscafés, der offenen Bibliothek und so weiter. Herrschaftsformen, Sachzwänge und verinnerlichte Denk- und Handlungsmuster sollen erkannt und dagegen vorgegangen werden, was wiederum das hierarchiefreie Zusammenleben erleichtert. Entscheidungen werden stets auf Konsensbasis getroffen.
Nachdem das Haus am 12. Oktober von vermummten PolizistInnen gestürmt und geräumt wurde, sind etwa 30 HausprojektaktivistInnen ins Büro des Wohnbaustadtrats gegangen, um das zu suchen, was ihnen oft versprochen, aber nie ermöglicht wurde: ein Gespräch mit dem zuständigen Stadtrat. Michael Ludwig stellte gleich klar, dass er keine Verhandlung, sondern nur ein Gespräch führen werde. Den Bedarf für ein selbst verwaltetes Haus sehe er nicht, denn es gebe schließlich das WUK, die Arena und das Amerlinghaus. Dass diese Häuser großteils kommerzialisiert sind, bzw. dort, wo sies nicht sind, aus allen Nähten platzen, ließ Ludwig ebenso wenig gelten wie das Argument, dass das Hausprojekt vom ersten Tag an beständig wuchs und von AnrainerInnen sehr positiv aufgenommen wurde. Er versprach allerdings, in den nächsten ein bis zwei Wochen eine für das Projekt zuständige Person zu verlautbaren. Was auch geschah. Doch es war wieder Mediator Florianschütz, den die Hausprojektleute bereits gut kannten.
Das Hausprojekt wäre für den Wienerberg, der mit der missglückten Schlafburg Wienerbergcity, der Verkehrsbelastung und den Industriegebieten alles andere ist als eine Gegend, wo mensch sich gerne aufhält, eine enorme und für die Stadt sogar kostengünstige Bereicherung. Engagierte, von der Stadtverwaltung vorerst abgelehnte Projekte haben schon oft gezeigt, wie aus einer No Go Area eine belebte Gegend wird, wo mensch sich sicher fühlt und gerne aufhält.