Krieg den Pools, ­Friede den Freibäderntun & lassen

CO2-intensive Hobbys, Kochen mit Deckel oder ­klimafreundliche Infrastruktur – was schadet, was hilft? (Bild: Lisa bolyos)

Reichtum ist ein Klimakiller. Doch statt die enorme Energieverschwendung der Reichen zu thematisieren, richtet die Politik Appelle zum Kochen mit Deckel an die Bevölkerung.

 

Wir wissen seit Langem, dass wir den Energieverbrauch senken müssen, um die Klimaziele zu erreichen und unsere Lebensgrundlagen zu erhalten. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine und der darauf folgenden Energiekrise ist Energiesparen wieder zentrales Thema. Dabei wird oft vergessen, welche sozialen Ungleichheiten hinter dem Energieverbrauch und damit auch hinter den klimaschädlichen Emissionen stecken – nicht nur global, sondern auch in Österreich.

Die Reichen und ihr CO2

«Grundsätzlich kann man sagen, dass es einen eindeutig positiven Zusammenhang gibt zwischen Reichtum, Einkommen und Konsum und daraus entstehenden CO2-Emissionen. Konsum hat mit Abstand den größten Einfluss auf verschiedene Umweltindikatoren, nicht nur auf Emissionen, sondern auch auf Luftverschmutzung und Biodiversität.» Xenia Miklin von der Wirtschaftsuniversität Wien ist Mitverfasserin des Berichts Strukturen für ein klimafreundliches Leben, der vom Austrian Panel on Climate Change (APCC) vorgelegt wurde. Der APCC veröffentlicht regelmäßig das ­kondensierte Wissen einer Vielzahl von österreichischen Forscher:innen zum Thema Klimaschutz.
Für den aktuellen APCC-Bericht ­haben rund achtzig Autor:innen drei Jahre lang nahezu alle Bereiche des täglichen Lebens untersucht: Wohnen, ­Ernährung, Mobilität, Arbeit und Haushalt, Urlaubsgewohnheiten und Reisen. Zusammengefasst lässt sich sagen: In allen diesen

Sektoren verursachen reiche Menschen ungleich mehr CO2-Emissionen als arme. «Die reichsten Haushalte – also die einkommens- und vermögensstärksten Gruppen, die auch am meisten konsumieren – sind auch für den Großteil der globalen CO2-Emissionen verantwortlich», sagt ­Xenia Miklin. «In Österreich emittieren die reichsten zehn Prozent der Haushalte mehr als viermal so viel CO2 wie die ärmsten zehn Prozent und mehr als doppelt so viel wie der Median.» Allein im Sektor Mobilität und Freizeit stoßen die reichsten zehn Prozent der Österreicher:innen genauso viel CO2 aus wie die ärmsten zehn Prozent in all ihren Lebensbereichen zusammen.

Dort produziert, hier konsumiert

Obwohl China mittlerweile die meisten CO2-Emissionen weltweit verursacht, leben dort noch immer viele Menschen in Armut. Hinzu kommt, dass viele Emissionen, die in ­China anfallen, mit dem Konsum chinesischer Produkte in Europa und anderen Weltgegenden zu tun haben. Der Studienmitarbeiter Hans Volmary von der Wirtschaftsuniversität Wien betont: «Die Zahlen, die wir im Bericht präsentieren, sind konsumbedingte Emissionen, im Gegensatz zu produktionsbasierten. Dabei werden Emissionen entlang der Wertschöpfungskette berücksichtigt. Das, was in Österreich konsumiert, aber in China produziert wird, wird anteilig dem Konsum in Österreich zugerechnet. Wenn man sich diese Zahlen anschaut, wird klar: Der Treiber hinter den hohen Emissionen, die in der Produktion in China anfallen, ist der Konsum in Österreich beziehungsweise in Europa.»
Ein Großteil der Bevölkerung in Öster­reich nutzt tagtäglich Gegenstände, die aus China oder anderen Ländern importiert wurden und verursacht auf diese Weise klimaschädliche Emissionen. Dazu zählen elektronische Geräte, Textilien oder Spielwaren. Bei reichen Menschen kommt der Besitz von Jachten, Sportwägen, großen Wohnungen und Villen dazu. Ein ­anschauliches Beispiel: Bei Privatjet-Flügen liegt Österreich EU-weit an sechster Stelle. Ein Flug mit dem Privatjet von Wien nach St. Tropez verbraucht in etwa 80 Prozent des durchschnittlichen CO2-Ausstoßes, den ein:e Österreicher:in in ­einem Jahr verursacht.
Der größte Teil der CO2-Emissionen, die reiche Menschen verursachen, entsteht laut Wirtschaftsforscher Volmary allerdings nicht durch den Gebrauch ihrer Luxusgüter, sondern durch ihre Investitionen. «Wenn man über das Problem Überreichtum und Klimakrise spricht, ist oft von Jachten und Privatjets die Rede. Sieht man sich die extremen Emissionen der Superreichen an, ist der Großteil aber Resultat aus Investitionstätigkeiten: Beteiligungen an Unternehmen, Finanzprodukte und dergleichen. Aus diesen Investitionen entstehen indirekte Emissionen. Und die werden im öffentlichen Diskurs kaum besprochen.»

Unbesteuert reich

Während in Österreich zwar die Einkommen nicht so weit auseinanderklaffen wie beispielsweise in den USA, sind die Vermögen extrem ­ungleich verteilt. Ein wesentlicher Grund, warum große Vermögen sich ständig weiter vermehren, liegt in der Steuerpolitik. So ist die Körperschaftssteuer in Österreich nicht einmal halb so hoch wie noch vor 40 Jahren; im Jahr 1993 wurde die Vermögenssteuer abgeschafft, im Jahr 2008 die Erbschaftssteuer. Menschen, die Geld anhäufen, ­wurde mit diesen politischen Maßnahmen sozusagen eine noch ­größere Schaufel in die Hand gegeben. «Der Vermögensanteil des reichsten Prozent ist ungefähr 30 Prozent vom Gesamtvermögen, während der der unteren 50 Prozent nur bei drei Prozent liegt. Das ist vergleichbar mit den USA», so Studienautor ­Jürgen ­Essletzbichler, Leiter des Instituts für Wirtschaftsgeographie und Geoinformatik an der Wirtschaftsuniversität Wien: «Reichtum führt zu höherem Konsum und dadurch zu klimaschädlichem Verhalten. Erbschaftssteuern und Vermögenssteuern wären hier eine relativ einfache Möglichkeit, Ungleichheiten zu mildern, weil es den Großteil der Bevölkerung einfach überhaupt nicht betrifft.»

Mobile Emissionen

Der Verkehr ist in Öster­reich seit langer Zeit das größte Sorgenkind der Klimapolitik: Seit dem Jahr 1990 sind die Emissionen hier um 74 Prozent gestiegen. Der größte Anteil entfällt dabei auf den motorisierten Individualverkehr. Obwohl die österreichische ­Gesellschaft insgesamt stark motorisiert ist, lassen sich auch in diesem Bereich einkommensbedingte Unterschiede feststellen. «Es zeigt sich zum Beispiel, dass im obersten Einkommensquartil knapp 90 Prozent einen PKW besitzen, im untersten – und das ist immer noch viel –nur 60 Prozent», so die Ökonomin Xenia Miklin. Für gering verdienende Menschen in ländlichen Regionen oder in Bezirken, die schlecht ans öffentliche Verkehrsnetz ­angebunden sind, ist die Abhängigkeit vom Auto zunehmend ein finanzielles Problem, das aktuell aufgrund der Energie- und Teuerungskrise noch verschärft wird. Neben dem Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel vor allem in ländlichen Regionen oder peripheren Bezirken empfiehlt die Studie auch eine Reihe gezielter steuerlicher Maßnahmen: «Ein wichtiger Punkt betrifft die Pendlerpauschale in Öster­reich, die nicht sozial gerecht gestaltet ist. ­Aktuell wird der Arbeitsweg mit dem Auto steuerlich stärker entlastet als das Pendeln mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Und ­davon profitieren wieder Besserverdienende überdurchschnittlich. 38 Prozent gehen an Haushalte im obersten Einkommensviertel, während nur drei Prozent an das unterste Einkommensviertel gehen.»

Freibäder für alle

Wenn die ­Klimakrise überwunden werden soll, müssen Ungleichheiten zum Thema gemacht und verschwenderischer Luxuskonsum reduziert werden, betont Jürgen Essletzbichler: «Die Zahlen zeigen eindeutig, dass Einkommen über Konsumverhalten und Investitionen ein wichtiger Treiber der CO2-Emissionen sind. Die Reduktion der höchsten Einkommen hat einen größeren Einfluss auf die Reduktion der CO2-Emissionen als das kürzere Duschen und das Benützen von Kochdeckeln in ärmeren Haushalten.»
Klimafreundlich und sozial zugleich wäre zudem eine stark ausgeweitete Grundversorgung: Gesundheit, Pflege, Bildung oder öffentlicher Verkehr müssen leistbar, für alle zugänglich und ökologisch sein. Denn auch wenn einkommensschwache Menschen in Österreich weit weniger zur Klimakrise beitragen als reiche Menschen, so leben auch Arme aufgrund der ­unzureichend ausgebauten ökologischen Infrastruktur aktuell noch immer auf Kosten des Klimas. «Davon ausgehend kann man für eine Abkehr von privatem und indi­vidualisiertem Konsum hin zu öffentlichem, kollektivem Konsum argumentieren», sagt Hans Volmary. «Denn auch die einkommensschwächste Bevölkerungsgruppe in Österreich übersteigt die Emissionsgrenze, die in den Pariser Klimazielen definiert ist. Es braucht die zusätzliche ­Bereitstellung öffentlicher Güter, die für alle zugänglich ist. Private Swimmingpools für die gesamte Bevölkerung gehen sich nicht aus, aber dass insgesamt alle in öffentlichen Freibädern baden können, schon.»

Eine Langfassung dieses Beitrags wurde unter dem Titel «Klimakiller Reichtum» in der Ö1-Sendereihe «Dimensionen» gesendet.

 

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