Kriegerdenkmalsaversiontun & lassen

Helmut Kraus, Peter Wagner, Wolfram Kastner, Josef Schützenhöfer etc. haben was gemeinsam:

Österreich ist übersät mit „Heldendenkmälern“. Manche würdigen die Gefallenen des Ersten Weltkriegs (natürlich nur die „Unseren“), die meisten die Gefallenen beider Weltkriege (natürlich nur die „Unseren“). Eine der Botschaften solcher Denkmäler lautet: Wer sich der „Heldenpflicht“ entzog, etwa durch Desertion, war ein Feigling – milde ausgedrückt. Der Wiener Lehrer Helmut Kraus versuchte, ein in seinem Gymnasium unhinterfragt überdauendes Denkmal dieser Art durch beigefügte Info-Tafeln inhaltlich „umzudrehen“. Sein Projekt reiht sich ein in eine Serie von Initiativen, Kriegerdenkmäler zu entschärfen.Unbekannte Täter haben in Kobersdorf (Bez. Oberpullendorf) die Rückseite des Kriegerdenkmales mit schwarzer Farbe besprüht. Auf die Steinblöcke wurden mehrere Schimpfworte gesprüht. Der Sachschaden beträgt 1500 Euro.  Berichte über „vandalistische“ Vorfälle dieser Art findet man in Österreichs Zeitungen selten. Und wenn es zu solchen Graffiti-Aktionen kommt, sind vermutlich selbst Menschen, die den landläufigen Soldatenkult aus kritischer Distanz betrachten, oft empört über die zumeist unbekannt bleibenden „Vandalen“. Um die fragwürdige Erinnerungskultur der Kriegerdenkmal-Inflation zu thematisieren, stehen tatsächlich geeignetere Methoden der (auch aktionistischen) Kritik zur Verfügung.

Geht es doch darum, eine nach wie vor wie „selbstverständlich“ gepflegte Erinnerungskultur anzugreifen, eine von den meisten bedenkenlos akzeptierte architektonische Banalität im Zentrum der Gemeinden oder der Friedhöfe, jedenfalls etwas Gehöriges und jedem Ort unbesehen Geziemendes in Frage zu stellen. Von Kriegerdenkmälern geht nach wie vor Identitätsstiftendes aus. Regionalzeitungen und Gemeindenachrichten sind voll von Notizen dieser Art: „Feier vor dem Kriegerdenkmal. Traditionelle Feier, zu der die Bevölkerung recht herzlich eingeladen ist. Die Vereine und Organisationen treffen sich um 16.30 Uhr vor dem Schloss zum gemeinsamen Abmarsch zum Kriegerdenkmal. Veranstaltungsort: Kriegerdenkmal Groß-Siegharts.“

Kriegerdenkmäler besiegen Widerstandsdenkmäler

Die HistorikerInnen Elenore Lappin und Winfried Garscha vom „Verein zur Erforschung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen und ihrer Aufarbeitung“ beschrieben, wie das Gefallenengedenken als identitätsstiftende Erinnerungskultur in den 50er Jahren das antifaschistische Widerstandsgedenken in den Hintergrund drängte. Die Kriegerdenkmäler fungierten außerhalb Wiens gewissermaßen als Norm kollektiven Erinnerns, wurde doch im Laufe der Zeit in fast jeder österreichischen Gemeinde ein solches Denkmal errichtet bzw. jenes des Ersten Weltkrieges erweitert, eine Tendenz, die nach Abschluss des Staatsvertrages noch verstärkt wurde, wie den Forschern auffiel. Träger dieser Gedenkkultur war der Kameradschaftsbund, Widerstandsgedenken wurde zur Sache der „Kommunisten“, die aber am Land immer weniger präsent waren. WiderstandskämpferInnen wurden in die Nähe von VerräterInnen gerückt, während die Pflichterfüllung der Wehrmachtssoldaten zur Norm ehrenvollen Handelns wurde. Die Soldaten wurden nun nicht mehr als Opfer des Krieges, sondern als „Helden der Pflichterfüllung und der Tapferkeit“ dargestellt.

Ab den 70er Jahren gibt es Versuche, Kriegerdenkmäler mit Mitteln der Kunst oder im Rahmen politischer Aktionen „zu entschärfen“. Im Folgenden ein älteres und zwei jüngere Beispiele.

Im Zuge des Subkulturfestivals „Ausnahmsweise Oberwart“ wurde im Sommer dem Kriegerdenkmal dieser südburgenländischen Bezirkshauptstadt ein temporäres „Zigeunerdenkmal“ zur Seite gestellt. Nachdem Peter Wagner, einer der Initiatoren, auf erhebliche Schwierigkeiten gestoßen war, vom Bürgermeister die Erlaubnis für die Aktion zu erhalten, wurde die Denkmalsattrappe schon in der ersten Nacht mit weißer Farbe übergossen. Die Veranstalter erstatteten Anzeige gegen Unbekannt bei der örtlichen Gendarmerie. Obwohl die Täter in einem bekannten Lokal ihre heldenmütige Tat lauthals und prahlerisch feierten und sie auch sonst jeder in der Stadt kannte, wurde niemand jemals zur Verantwortung gezogen. Menschen, die mit der Methode des „Gegendenkmals“ die Erinnerung an die in den Konzentrationslagern ermordeten Oberwarter Roma lebendig lassen wollten, galten damals bestenfalls als Spinner.

Die Salzburger Scherenschnitte

Im November 1989 bemerkte der Münchner Aktionskünstler Wolfram Kastner erstmals, dass auf dem Salzburger Kommunalfriedhof am 1. November jedes Jahres ein stattlicher Kranz vor dem Kriegerdenkmal mit der Aufschrift „Unseren gefallenen Kameraden der Waffen-SS“ abgelegt wird. „Der Bischof geht voraus, die FPÖ marschiert hinterher“, notierte Kastner. Aus Potest schnitt er einfach die Schleife ab – erstmals 1994, dann in den Jahren 1999, 2001, 2003, 2004 und 2005: „… in der Hoffnung, den gefährlichen Irrsinn so sichtbar zu machen, dass er endlich unterbunden wird.“

Die SS-Mannen erstatteten Anzeige gegen den Aktionskünstler. Alle Strafverfahren wegen Sachbeschädigung wurden in Österreich eingestellt. Dagegen erfand ein deutscher Staatsanwalt im Jahr 2005 von sich aus ein besonderes deutsches Strafverfolgungsinteresse wegen des Scherenschnitts von 2003. Ein deutsches Amtsgericht verurteilte Kastner wegen Sachbeschädigung. Dagegen legte er Revision ein. Das zuständige bayerische Oberlandesgericht bestätigte im Februar 2006 das Urteil und beschloss, dass die SS-Kranzschleife eine Sache wie jede andere und durch das Eigentumsgrundrecht geschützt sei.

In der oststeirischen Gemeinde Pöllau verunziert das Kriegerdenkmal einen Innenhof des Stiftes. In einem Trakt des Stiftes hat der Maler Josef Schützenhöfer sein Atelier. Auch er schlägt nicht vor, das Kriegerdenkmal abzutragen – aber er arbeitet an einem „Nachtrag“ des Denkmals in Form von großformatigen Tafelbildern. Diese Bilder sollen im Zugang zum Kriegerdenkmal, der wie ein liebloser Schlauch wirkt, befestigt werden. Eines davon ist dem amerikanischen Piloten Harry Moore gewidmet, einer von der Besatzung des B-24-Bombers „Ramp Tramp“, der bei einem Absturz bei Pöllau ums Leben kam. Schützenhöfers Abneigung gegen die Melange von österreichischem Patriotismus und deutschem Nationalismus, die die Heldendenkmalflut ideologisch begründet, ist schon in seiner Biografie angelegt. Während seines langjährigen Amerikaaufenthalts war der steirische Künstler und Querkopf temporär Zahntechniker der US-Navy (weswegen ihm übrigens die österreichische Staatsbürgerschaft aberkannt wurde: Das Innenministerium konnte zwischen Bombe und Plombe nicht unterscheiden).

Die schriftlichen Projektansuchen und -beschreibungen wurden nie beantwortet; stattdessen ließen Pöllaus SP-Bürgermeister Flicker und SP-Vizebürgermeister Hirschegger dem Maler via Wirthaustisch ausrichten, seine Initiative sei höchst unerwünscht. Die lokale SP-Spitze geht, so Josef Schützenhöfer zum Augustin, mit dem Kameradschaftsbund konform, was die nachhaltige Pflege des Feindbilds betrifft: „Hirschegger hat mir ins Gesicht gesagt, dass er die Amis als Gegner betrachte“.

Helmut Kraus, der Zeichenlehrer als Störenfried

Das Heldendenkmal im Foyer des Gymnasiums Henriettenplatz (in Wien 15), auf dem ein Racheengel der im Ersten Weltkrieg gefallenen Schüler und Lehrer der Schule gedenkt, ist wenigstens kein Schauplatz militaristischer Zeremonien mehr. Ab es stand unkommentiert da, weil auch die sozialdemokratischen Schulleiter keinen Erklärungsbedarf erkennen konnten. Auch hier war die Kriegsverherrlichung eine „Selbstverständlichkeit“ geworden. Bis Helmut Kraus, Professor für Bildnerische Erziehung, den Rahmen seines Faches ungehörig überschritt, indem er auf seine Art für die nötige Kommentierung sorgte. Vor etwa einem Jahr montierte er mit seinen SchülerInnen vier Tafeln mit kritischen Texten an die rechte und linke Seite des Denkmals aus dem Jahre 1935. Die Texte hatte er zuvor der Direktion, dem Landesschulinspektor und der Leiterin des Dokumentationsarchivs vorgelegt, die Angelegenheit war jedoch schubladisiert worden.

Am Tag nach der Anbringung der Tafeln bekam die Lehrperson von der Direktion die schriftliche Weisung zur sofortigen Demontage – die der kämpferische Zeichenprofessor nicht befolgte. „Am 6. März 2006 wurde ich zu einem amtlichen Gespräch mit dem Landesschulinspektor Dr. Karl Blüml in den Stadtschulrat geladen. Dort wurde mir eine Rüge wegen Missachtung einer Weisung ausgesprochen. Erst nach einer schriftlichen Androhung eines Disziplinarverfahrens habe ich drei Wochen nach der Montage die Tafeln wieder demontiert. In der Zwischenzeit wurde auf Initiative des Landesschulinspektors eine „moderate“ Lösung ins Auge gefasst, und es sollte eine breite Auseinandersetzung mit anderen Gegenvorschlägen zu meinen Texten und Tafeln initiiert werden. Niemand hat sich aber an diesem pseudodemokratischen Spiel beteiligt. Es gibt also bis dato nur meinen Vorschlag und sonst das Präsentationsverbot meiner Tafeln durch den Stadtschulrat“, so Helmut Kraus im Augustin-Gespräch.

Es sei ihm bewusst, dass gegen diese Text-Foto-Tafeln formale oder inhaltliche Einwände vorgebracht werden können, meint Kraus. Die Historikerin Brigitte Bailer vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands habe etwa den überschüssigen Emotionsgehalt der Aufklärungstexte kritisiert, der in Formulierungen wie „Monster des Naziterrors“ zum Ausdruck käme – als ob nicht „ganz normale Männer“ den Terror am Laufen hielten. Er, Kraus, sehe die Tafeln nicht als endgültige Antwort auf die Provokation der „Heldenverehrung“ an. Er fordert jedoch Direktion und Landesschulbehörde auf, die Anbringung der Tafeln in der Übergangszeit zuzulassen – bis dem klerikalfaschistischen Denkmal ein demokratisches Contra zur Seite gestellt wird, das von der Kollegenschaft akzeptiert wird und dennoch klar Stellung bezieht.

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