Eine Studie belegt: Im Kunstbetrieb ist die Krise vorweggenommen
Walther Soyka, Knopfharmonikaspieler
Gleich vorneweg: Selten konnte ich ein so angenehmes und ruhig verlaufendes Gespräch mit so viel Behutsamkeit und gegenseitiger Aufmerksamkeit mit einem Interviewpartner führen, der als einer der besten Akkordeonisten Österreichs gilt. Es fand in Walther Soykas Tonstudio statt, einem Kellerlokal in der Laimgrubengasse im 6. Wiener Gemeindebezirk. Es ist ein schlichter, einfacher Raum, heizbar nur dank eines kleinen Radiators. Durch das niedrige Fenster sieht und hört man die Schritte der Vorbeieilenden. Ins Auge fällt dem Besucher sofort eine Wand, die bis zum Plafond vollgestellt ist mit Harmonikas und Akkordeons unterschiedlichen Alters, vielfältiger Provenienz.
Während unseres Gespräches bin ich immer wieder überrascht, wie ganz anders Walther Soyka über seine Lebens- und Arbeitsbedingungen als Musiker spricht als all die anderen Künstler, die mir bisher für ein Gespräch zur Verfügung standen, wie anders sich überhaupt seine Auffassung von Kunst anhört. Liegt es vielleicht auch an dem ungewöhnlichen persönlichen und künstlerischen Werdegang Walther Soykas?
Seine deutsche Mutter lernt als Chorleiterin während des Krieges alpenländische Volksmusik kennen und wandert aus Interesse an dieser, genau genommen, vorchristlichen Kultur nach Wien aus. Beim Schwimmen in der Lobau begegnet sie Walther Soykas späterem Vater. Walther wird 1965 als jüngstes von acht Kindern geboren. Sie alle musizieren mit der Mutter, und so sind seine ersten Lebensäußerungen ganz natürlich gesungen. Der Vater kommt aus Wien und geht den umgekehrten Weg. Schließlich wird er in Norddeutschland landen. Als Spross der Reformbewegungen der Zwischenkriegszeit bekämpft er ab 1967 die Atomindustrie, die er sehr klar und lautstark als bewusst lebensfeindlich diagnostiziert. In diesem Umfeld, täglich konfrontiert mit der Erfahrung und dem Wissen von Schönheit wie auch Zerstörungskraft menschlicher Kreativität, entwickelt Walther Soyka nicht den Wunsch nach Karriere, sondern den, die Welt harmonischer zu gestalten.
Zunächst Cellist, Kontrabassist und Geiger, entdeckt er mit 15 Jahren die Steirische Harmonika und mit ihr die Möglichkeit, Menschen in Tanzlaune zu versetzen. Von der Wiener Innenstadt, wo er als Straßenmusikant mit jungen Geigerinnen auftritt, wird er zu Festen und Tanzveranstaltungen in Ober- und Niederösterreich eingeladen
Das ist seine glücklichste Zeit als Musiker.
Als 18-Jähriger wird er von den Extremschrammeln entdeckt. Dem Bandleader Roland Neuwirth dient er 20 Jahre lang, ist dort für alles zuständig, vom Aufbau der Bühne bis zum Musizieren. Dauerstress. 1500 Konzerte. Walther Soyka steht jederzeit zur Verfügung. Reich wird er dabei nicht, lebt immer am Rande des Existenzminimums, ist mit Roland Neuwirth enger verheiratet als mit seiner Frau (mit ihr hat er inzwischen 3 Kinder). 2003 Abschied von den Extremschrammeln. Ohne Abfertigung. Ist jetzt als freischaffender Künstler sein eigener kleiner Unternehmer, spielt mit einem 4-köpfigen Ensemble (Harmonika, Geige, Zither, ein Gitarrist aus Sibirien ist auch dabei) bei einem Heurigen in Ober St. Veit. Es reicht nicht einmal fürs Existenzminimum. Die finanziellen Außenstände häufen sich, eine Räumungsklage von 4000 Euro rückt bedrohlich nahe. Wäre er nicht Beirat der Austro Mechana, die hilfreich einspringt, hätte er kein Dach mehr überm Kopf.
Ich möchte nichts wegen des Geldes machen, meint er. Diese Überwindung, mich als Notleidender zu deklarieren, schaffe ich nicht.
Was er sich wünscht? Befreit zu sein vom Erstellen von Steuererklärungen, ihm zu ersparen, sich mit Ziffern am Finanzamt herumzuschlagen. Er verlangt vom Staat nichts, keine Förderung, nur eine Entspannung von der Notwendigkeit, als Musiker, als Künstler Einkünfte nachweisen zu müssen, um dann womöglich eine minimale finanzielle Abfertigung zu erhalten. Ungern redet er mit Menschen, mit denen man Verträge machen muss. Und: Ich kann meine künstlerische Kapazität nicht in die Vergangenheit oder in den Zukunft auslagern. Ich lebe heute.
Er möchte nur Musik machen. Seine Musik. Und das sind Altwiener Tänze. Keine konzertante Musik. Musik für Menschen, die sich dazu bewegen, tanzen. Ohne Texte.
Und dieses Geschenk machte Walther Soyka z. B beim kleinen Wiener Neujahrskonzert im Bockkeller in Ottakring. Gemeinsam mit Clemens Fabry (Geige), Peter Havlicek (Kontragitarre) und Traude Holzer (Gesang).
Zwei edle Formationen rund um den begabten Knopfharmonikaspieler Walther Soyka werden uns am ersten Kalendertag 2009 leichtfüßig ins Neue Jahr tänzeln lassen, steht im Programm.
Und daneben liest man: Eintritt frei/Spenden
Lieber Walther Soyka, vielleicht hätte Ihnen ein Weihnachtsengerl doch einen liebevollen, großzügigen und vor allem kompetenten Manager schicken sollen?
Barbara Kohlbauer, Gestalterin
Sie ist so vielseitig in ihrer künstlerischen Gestaltungskraft, dass es nicht einfach ist, ihre Arbeiten einer bestimmten Kunstrichtung zuzuordnen. Sie kann so ziemlich alles. Was ihr in die Hände fällt, erhält eine künstlerische Gestalt.
In Westberlin geboren, studiert sie dort Malerei und Sozialpädagogik. Geld ist nicht viel im Haus, Modellstehen bringt etwas ein zum Überleben. Ein Wiener kreuzt ihren Weg, Umzug nach Österreich. Ehe. Scheidung. Zweite Ehe mit einem bildenden Künstler. Mit diesem lebt sie in dürftigen Wohnverhältnissen in der niederösterreichischen Provinz, versucht ausschließlich von der Malerei zu leben. Das erweist sich bald als nicht realisierbar.
In Wien findet sie Kontakt zu Künstlerkreisen, ist voll Einsatz mit dabei, die Kinderbühne Lilarum aufzubauen, lernt dabei viel von Bühnenbildnerei kennen und spielt manchmal bei Aufführungen selbst mit. Der eine oder andere Ankauf eines ihrer Bilder durch die niederösterreichische Landesregierung macht das Kraut auch nicht fett.
Sie sucht nach weiteren Möglichkeiten, Leben und Kunst so zu verbinden, dass ihr Leben nicht zu sehr entfremdend wird. In den während der 80er Jahre entstehenden Kindergruppen (Eltern, Pädagogen und Kinder leisten gemeinsame Arbeit) bietet Barbara Kohlbauer kreatives Gestalten an. Das wird jetzt ihr zweites Standbein. Inzwischen lebt sie alleine in einem alten Forsthaus in Dörfles bei Ernstbrunn. Hier kann sie sich autark ernähren durch Anbau von Gemüse und Obst, das sie einem Bioladen zum Verkauf anbietet; hier beginnt sie mit dem Färben von Schafwolle (im Sommer) und dessen Verarbeitung (im Winter) zu fantasievollen, bühnenreifen Gewändern. Diese fröhlichen, bunten Roben stellt sie in einigen Galerien aus.
20 Jahre lebt sie in Dörfles, ist zufrieden in der Einsamkeit ihres abgelegenen Refugiums, arbeitet hart und viel.
Neue Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten eröffnen sich, als sie an einer Ausschreibung des Landes Niederösterreich, Kunst am Bau, teilnimmt. In Zusammenarbeit mit Architekten und Bildhauern geht sie in Werkstätten, entwirft sakrale Kirchenfenster, erlernt das Schneiden von Glas und dessen Verankerung in Bleirahmen, restauriert alte Wegkreuze. Sie gewinnt einen künstlerischen Wettbewerb für die Innengestaltung des Kulturhauses in Mistelbach. Dessen Architekt, Anton Schweighofer, beauftragt sie mit der textilen Ausgestaltung der Innenräume. Drei große Wandteppiche entstehen, der größte von ihnen erstreckt sich über zwei Stockwerke und hat ein Ausmaß von 32 Meter. Eine harte Arbeit, aber auch eine meditative, meint Barbara Kohlbacher. Das Verbinden von Materialien und Verknüpfen von Fäden wird zur Metapher für so vieles in ihrem Leben. Ganz bewusst lebt sie in verschiedenen Kulturen, pflegt regen freundschaftlichen Kontakt zu türkischen, serbischen und Romafamilien, übernimmt die Patenschaft für ein tschetschenisches Flüchtlingsmädchen. Und sie ist dankbar dafür, ein Stück von deren Leben miterleben zu dürfen, betont sie mehrmals.
Ein Kurs für baubiologische Fachberatung gibt ihr spezielle Kenntnisse für etwas, das ihr ganzes künstlerisches Leben durchzieht, das sie aber jetzt wieder anders umsetzen kann: die Lust an der Farbe.
Als Farbberaterin ist sie auf Baustellen unterwegs, um Innenräume von Privathäusern oder auch Fabriken zu gestalten. Alle diese Herausforderungen nimmt sie nicht immer gerne auf sich. Meist aber doch.
Wenn ich nicht arbeite, kann ich nicht überleben, ist die ehrliche Antwort auf meine Frage nach ihrer materiellen Absicherung. Eine dreimonatige Krankheit brachte sie bereits in eine finanzielle Krise. Und die Höhe der zu erwartenden Pension? Eine Mindestpension von ca. 500 Euro wird`s werden. Keine Arbeitslosenversicherung, da keine Anstellung, keine Möglichkeit, eine bezahlte Kur z. B. in Anspruch nehmen zu können, kein soziales Netzwerk, das ihr Ausstellungsmöglichkeiten erleichtern würde.
Ich muss mich immer selbst um private Sponsoren umschauen, selbst für Werbekosten aufkommen. Das verlangt zu viel Geld. Und wenn ich nicht eine bestimmte Summe aus meinen künstlerischen Arbeiten einnehme, muss ich Geld an den Staat zurückzahlen.
Aber letztlich ist dieses IHR Leben, das sie sich ausgesucht hat, ein Leben als Künstlerin, das für sie durch einen sehr weitgesteckten Begriff von Kunst überlebbar ist. Diese Vielseitigkeit ist von ihr auch gewollt, die unterschiedlichen Herausforderungen sind eine Qualität, die ein ziemlich turbulentes, sehr oft gestresstes, materiell immer ungesichertes, aber letztlich erfülltes Leben ausmachen.