Natur und Kultur gehen im kunstGarten in Graz eine spannend-liebevolle Verbindung ein. Das einzigartige Projekt feiert heuer seinen 20. Geburtstag.
Die Buslinie 57 fährt bis zum Urnenfriedhof. Hier im Süden der Stadt, zwischen Justizanstalt Graz-Karlau und Zentralfriedhof, wo sich Tourist:innen nicht einfach so hinverirren, liegt der kunstGarten, versteckt in einer Reihenhaussiedlung. Man erkennt ihn von weitem an Zeichnungen und Fotos, die, auf Planen gedruckt, am Zaun angebracht sind. «Um menschenrechtsmäßig allen Leuten Zugang zur Kunst zu gewähren. Wenn sie wollen, schauen S’, wenn sie nicht wollen, schauen S’ nicht», sagt Irmi Horn dazu später beim Gespräch in ihrem Wohnzimmer. Ein enges Häuschen, in dem sie schon ihre Kindheit verbracht hat, das von Büchern – die Bibliothek mit 4.500 Buch- und 5.000 Filmtiteln ist auf Garten spezialisiert, man kann sogar ausborgen –, Kunstwerken, Teppichen und vielen hübschen Dingen fast übergeht. Die Atmosphäre ist heimelig und geschichtsträchtig, jeder Winkel zeugt von Sammler:innenleidenschaft.
Natur, Kunst, Wissenschaft
Seit 20 Jahren betreiben Irmi und Reinfrid Horn hier ihren Kunstverein, den kunstGarten. Zum Jubiläum soll ein Buch erscheinen – den wunderschön gestalteten Katalog über die ersten zehn Jahre drückt mir Reinfrid Horn in die Hand, während seine Frau Kaffee einschenkt. «Bei mir muss nichts zusammenpassen», sagt sie. «Alle Tassen sind unterschiedlich.»
So ähnlich könnte man auch den kunstGarten zusammenfassen: Ein Sammelsurium an unterschiedlichen Dingen, die sich dennoch zusammenfügen zu einem stimmigen Ganzen. Es gibt nämlich einen gemeinsamen Nenner, unter dem der kleine Garten voller Skulpturen, Installationen, Fotos und Malerei, die wechselnden Ausstellungen und die Veranstaltungen – Lesungen, Konzerte, Filmabende, Theater, Performances – sich finden: Kunst, Natur und Wissenschaft als untrennbare Sphären, als «Säulen der Menschheit», wie Irmi Horn es formuliert. Die Natur ist quasi die Schwelle zur Kunst – aber auch umgekehrt. «Wir sind hier am rechten Murufer. Von Kunst ist in unserer Gegend nicht allzu viel die Rede», erklärt Reinfrid Horn. «Das war eine Motivation, warum wir dieses Projekt gestartet haben. Mit dem Hintergedanken, dass Garten ein Thema ist, das sehr viele Menschen interessiert, und in dem Sinn auch ein bisschen etwas wie ein trojanisches Pferd ist. Man kommt wegen des Gartens und muss die zeitgenössische Kunst gleich mitsehen und -erleben. Das sind viele Gartenfreunde, die wegen des Gartens zu uns kommen nicht so gewohnt, viele gehen auch nicht in Museen. Aber bei uns gibt es eben dieses Zusammenspiel von Kunst und Garten, das die Essenz ausmacht.»
Witterung und Veränderung
Die beiden Horns waren ursprünglich Volksschullehrer:innen, und gleichzeitig immer im Grazer Kulturleben aktiv; Irmi Horn hat etwa auch am Theater gearbeitet. Weil Reinfried Horn damals nur eine Lehrerstelle bekommen hätte, die sehr weit weg war, fiel die Entscheidung, «Hausmann» zu sein. Fortan kümmerte er sich um die Tochter, die heute Künstlerin ist, um Haushalt und Garten. Darin ist er Profi. Er bietet Spezialworkshops an, zum Beispiel in Rosenschnitt.
Eine Vielzahl an Pflanzen wächst in dem langen, schmalen Garten, der jetzt, Anfang März, noch recht wintermüde wirkt. Eher dürr stehen die Äste da, aber Frühlingsknotenblumen, Schneeglöckchen, Veilchen und Bärlauch sprießen schon.
«Im Mai und Juni blüht alles», sagt Reinfried, während wir durch den Garten gehen. Wohin man schaut, stehen, hängen, liegen und schweben Kunstwerke unterschiedlicher Formen und Materialien. Ein kleines, virusartiges Metallobjekt von Gunter Damisch, Spitzwelt, ist vor einem Baum fast nicht zu erkennen. Weiter hinten: Trompetenförmige Hörner, die aus dem Hügel ragen, lassen eine:n, zumindest in der Idee, in den Boden Hineinhören – so der Titel der Arbeit von Gertrude Moser-Wagner. Über dem Teich hängen Steine aus der Mur in einer Reihe, Scheibenhonig, auf die Künstler Alfred Resch-Diaz unten etwas draufgeschrieben hat. Bei passendem Licht spiegelt sich die Schrift im Wasser. Ganz am Ende ist eine große Zeichnung von Lore Heuermann aufgespannt.
Viele Werke greifen die Topografie der Umgebung auf. Manche verschwinden unter den Blättern und Ästen, wenn alles im üppigen Saft steht. Andere wiederum ragen wie «landmarks» heraus oder leuchten in bunten Farben. Und immer wieder verändern sich Arbeiten, die lange den Witterungen ausgesetzt sind. Veränderung, Vergänglichkeit, Wandel – so sei das eben in einem Garten, meint Irmi Horn.
Offenes Haus
Zur stetigen Veränderung gehört auch, Menschen ins eigene Heim zu lassen. Da gibt es Führungen, Vernissagen und Veranstaltungen auf der Gartenbühne – oder auch drinnen, wenn das Wetter nicht mitspielt. 24 Leute passen ins Wohnzimmer. Einmal waren es sogar 42, erzählt Irmi Horn. «Die sind bis da hinten gestanden und fanden es alle gemütlich.» Als Mensch sei man für Gemeinschaft und Begegnung gemacht, meint sie. Besucher:innen finden von überall her, auch aus der Nachbar:innenschaft; von da allerdings eher wenige, was Irmi und Reinfrid Horn mit etwas Bedauern erzählen.
Der Verein bekommt Förderungen, aber viel ist es nicht. «Ich muss ja auch die Künstler:innen bezahlen», sagt Irmi Horn. Mit Betonung auf Künstlerinnen – denn solange es keine komplette Gleichberechtigung gibt, so Horn, stellt sie mehr Arbeiten von Frauen als von Männern aus. Am 24. März wird Claudia Müllers Film Elfriede Jelinek – die Sprache von der Leine lassen gezeigt. Falls es die Temperaturen zulassen, wird endlich wieder die Outdoorleinwand ausgerollt.
kunstGarten
Payer-Weyprecht Straße 27, 8020 Graz
Fr, Sa: 15.30 – 19 Uhr
und tgl. nach Vereinbarung
Führung: Fr, Sa 16 Uhr, 3,50 – 7 Euro
Eintritt frei bei manchen Veranstaltungen