«Der Tod, das muss ein Wiener sein» – sang Liedermacher Georg Kreisler. Künstlerin Xenia Lesniewski sieht den Tod universeller, arbeitet sich aber auch in Wien daran ab. Sie verknüpft ihn mit Alltagskultur und Marktkritik.
Text: Ruth Weismann
Foto: Jana Madzigon
Eine Metropole des Morbiden ist Wien, glaubt man dem Klischee und zahlreichen Artikeln, die um die Allerheiligenzeit jährlich erscheinen. Vielleicht stimmt das, aber kann Morbidität auch rosarot sein? Wenn es nach Xenia Lesniewski geht, dann ja. Wobei die Wahlwienerin weniger mit Morbidität, denn mit dem künstlerischen Sezieren der Gegenwart beschäftigt ist. Und diese Gegenwart macht gerne Geschäfte. Mit und aus allem, was sich vermarkten lässt. Auch dem Tod.
Wer Anfang des Jahres in der Wiener Innenstadt unterwegs war, konnte in der Strauchgasse zwischen Frisiersalon und Modeboutique schicke Räumlichkeiten betreten, an deren rosa gestrichener Rückwand in geschwungenen, leuchtenden Lettern Instant Solutions zu lesen war. Pastellige Farben, wenige Objekte schön präsentiert, Mitarbeiter:innen, die eine:n mit «Wie kann ich Ihnen helfen?» begrüßten. Was die Atmosphäre eines Lifestyle-Shops oder Beauty-Salons versprühte, war eigentlich ein Bestattungsinstitut oder eine Kunst-Ausstellung in der Galerie Bildraum 01. Beziehungsweise eine Mischung aus alledem. Denn Xenia Lesniewski, die an der Universität für Angewandte Kunst Malerei studierte und als freischaffende Künstlerin international ausstellt, spielt in ihrem Dauer-Projekt mit realen Möglichkeiten der Bestattung, die es heutzutage gibt.
Bestattungsbusiness.
Derartige gab und gibt es auch in Österreich teils in skurriler Form, wie man etwa im Bestattungsmuseum in Wien sehen kann. Aber vor allem in den USA hat sich ein großes Business mit den spektakulärsten Methoden entwickelt. Als Feuerwerk kann man seine eigene Asche verpulvern, sie ins Korallenriff betten oder im Weltraum verteilen lassen. Lesniewski hat knallige Videos produziert, die Angebote mit hintergründigem Humor und kreativem Marketingsprech nahelegen. Sie bietet aber auch traditionellere (Kunst-)Genres an: In den als beruhigend geltenden Farbtönen aus dem rosaroten Spektrum malt sie abstrakte, weiche Bilder, in deren Farben die Asche des:der Verstorbenen gemischt ist. Der Zimmerbrunnen ist etwas poppiger: Ein eigens kreierter Energy-Drink (zur Auswahl stehen «Burn it Up» und «Heaven Up») fließt in ein Urnengefäß. Stilvoll und etwas schräg ist eine aus Keramik gestaltete Urne, die als Blumenvase dienen kann, bevor sie ihrer eigentlichen Bestimmung zugeführt wird. So kann man schon zu Lebzeiten ein schönes, multifunktionales Objekt besitzen, in das die eigene Asche nach der Kremation eingefüllt wird. Die Künstlerin hat auch einen Sarg designt, der als Sitzbank mit Stauraum verwendbar ist. Auf Wunsch wird er von ihr individuell gestaltet. «Zur Einrichtung passend», wie sie sagt.
«Die Idee ist, Objekte zu schaffen, die man schon im Alltag hat, und wenn man dann gehen muss oder möchte, hat man seine letzte Heimat schon», erläutert Lesniewski. «Sie sind eine Art Memento mori, aber auch der humorvolle Versuch, eine leichte Ebene reinzubringen.» Die aktuelle Tendenz, alles Mögliche zum Lifestyle zu erklären und damit auch teurer verkaufen zu können, spielt hier natürlich eine Rolle.
Via Homepage, die schon besteht und bald als Plattform dienen soll, kann alles, was das österreichische Bestattungsgesetz zulässt, bei Xenia Lesniewski gebucht werden. Einiges ist nicht erlaubt – etwa das Verstreuen von Asche –, könne auf Wunsch aber, etwa durch Überführung, organisiert werden, so Lesniewski. Instant Solutions ist als permanentes Projekt gedacht, das an realen Orten immer wieder temporär auftaucht (bisher in Wien und Bad Gastein) und auf digitaler Ebene weiterarbeitet.
Was uns alle betrifft.
Xenia Lesniewskis Beschäftigung mit dem Tod als schnelle und verkäufliche Abhilfe für alles, was Probleme – oder auch nicht – bereitet, ist überspitzt und ironisiert, aber auch eine ernstgemeinte Kritik an neoliberalen Verhältnissen, die für alles eine Kur anbieten, wenn man nur zahlt. Gleichzeitig erschließt der Markt auch noch das letzte Gebiet und vermarktet jeden Widerspruch unter hübschen Oberflächen. Lesniewskis Objekte machen Anspielungen und werfen Fragen auf. «Mit den Aschebildern etwa kann man sich mit der Zeit eine Familiengalerie aufbauen und damit auch eine Kunstsammlung», sagt Lesniewski und spielt hier auch auf den Objektcharakter der Kunst am Kunstmarkt an. Ihre Angebote lassen eine:n auch fragen, wo die Grenzen der Auseinandersetzung mit dem Tod liegen, die man ja oft scheut. Was verständlich ist bei so viel Komplexität und auch Trauer, die damit verknüpft ist. Aber: «Man schiebt das Thema weg, sowohl den eigenen Tod als auch den von anderen. Dabei ist er ein verbindendes Element, er betrifft uns alle früher oder später», so Lesniewski.
Die Kunst hat den Tod seit jeher verarbeitet, in unterschiedlichen Kulturen auf der ganzen Welt und in allen erdenklichen Medien. Antike Mosaike oder barocke Skulpturen, um nur zwei kleine Ausschnitte zu nennen, erzählen von Geschichten, in denen viel getötet und gestorben wird. Der «Sensenmann» ist ein bekanntes Motiv und in der Popkultur des 20. Jahrhunderts hat sich der Totenkopf einen Fixplatz erobert und zehrt dabei auch von der ästhetischen Vielfalt mexikanischer Bräuche zum Día de los Muertos. Ein Themenfeld also, das künstlerisch immer wieder neu verhandelt wird, aber zu jeder Zeit aktuell ist. Nicht nur in Wien.