Lahore – Floridsdorf – Lahoretun & lassen

Pakistanischer Augustin-Kolporteur erlag dem Krebs

Unser Mann aus Lahore ist tot. Muhamed Khan Iqbal Ali starb nach schwerem Krebsleiden im Krankenhaus der zweitgrößten pakistanischen Stadt, die mit mehr als sieben Millionen Bewohner_innen so bevölkerungsreich wie Österreich ist. Pakistan muss nun aus der Liste der Herkunftsländer der Augustin-Verkäufer_innen gestrichen werden.Ali, 39 Jahre alt, ausgebildeter Elektrotechniker, zuletzt als kritischer Journalist tätig, hinterlässt eine erschütterte Frau. Die aus der Slowakei stammende Klara Khanova, ebenfalls Augustin-Verkäuferin, war neun Jahre mit dem um 19 Jahren Jüngeren verheiratet. «Eine Internet-Bekanntschaftr», lächelt sie in ihrem Schmerz.

Vor etwa zwanzig Jahren kehrte Ali seiner großen Stadt den Rücken zu. Es war eine Flucht, denn einigen passte es nicht, was er in der Zeitung geschrieben hatte. Ali fühlte sich bedroht. Er bekam ein Visum für die Slowakei. Weder als Journalisten noch als Elektrotechniker brauchte man ihn dort; zuletzt «lebten» er und Klara von der staatlichen Sozialhilfe, zusammen 120 Euro im Monat. Auf Initiative Klaras machte sich das Paar im Jahr 2010 in die Stadt des Augustin auf.

«Ali kostete es eine große Überwindung, die Straßenzeitung zu verkaufen; er sei doch nicht als Bettler in den Westen gekommen, sagte er immer», erinnert sich seine Witwe.

Fünf Jahre lang betrieben Klara und Ali gemeinsam die Augustin-Kolportage. Das Revier war die S- und U-Bahn-Station Floridsdorf. Alis Traum, eine normale Arbeit zu finden, am besten in seiner Branche, ging auch in Österreich nicht in Erfüllung. Vor allen den Kindern seiner Stammkunden, für die er immer ein paar Sachen zum Naschen eingesteckt hatte, wird er abgehen. Klara weist weinend darauf hin, dass das Sprichwort «keiner Fliege was zuleide tun» für Ali alltägliche Verhaltensnorm war. Selbst lästigster Wespen, schildert Klara, entledigte er sich nicht mit Gewalt, sondern er trug sie behutsam ins Offene. Aus Lahore hatte er seinen tiefen Glauben mitgenommen. Tiefer Glaube kann die Menschen auch zu Unmenschen machen, aber Muhamed Khan Iqbal Ali holte sich aus der Moschee die Kraft, immer ein Lächeln für die Mitmenschen bereit zu haben, auch wenn die Bedingungen, die er in seinem Gastland Österreich vorfand, zu allem anderen als zum Lächeln Anlass gaben.

Im Dezember 2014 war Ali, nachdem er in Wien schon eine chemotherapeutische Behandlung bekommen hatte, nach Lahore zurückgekehrt. Jetzt, im April, erwartete Klara seine Rückkunft in Wien, wo sie endlich eine gemeinsame Wohnung suchen wollten. Stattdessen kam von Alis Familie ein Telefonanruf aus Lahore, das eine Englisch sprechende Tochter Klaras aus erster Ehe übersetzte. Die Ärzte hatten Ali nicht retten können.