Raiffeisen: ein Unternehmens-Knigge für den Hugo?
Friedhofsstille herrscht in Österreich über die Beteiligung der Raiffeisen Geldsparte an Nahrungsmittelspekulation und Landraub. Ein Forschungsbericht, mit dem englischen Titel «Raiffeisen involvement in land grab and food speculation», der dieses Thema anspricht und im Auftrag der «Friends of the Earth Europe» erstellt wurde (Augustin Nr. 331), wird trotz seiner Veröffentlichung von den herrschenden Medien behandelt, als wäre er in einem Panzerschrank versteckt. Ein weiterer Beweis dafür, dass allzu große Zusammenballung von Macht der Demokratie im Allgemeinen und der demokratischen Öffentlichkeit im Besonderen nicht gut tut.Man könnte dagegen einwenden, dass Raiffeisen über jeden Verdacht erhaben sei, weil ein Code of Conduct als Unternehmensknigge dafür sorgt, dass nur saubere Geschäfte abgewickelt werden. Dazu sagte allerdings Claus Raidl, Präsident der Nationalbank und ehemaliger Böhler-Uddeholm-Chef, vor kurzem in einer Veranstaltung der «Kleinen Zeitung» (14. 11. 2012, Seite 29): «Es gebe keine allgemeine Unternehmensethik, an der man sich bei Entscheidungen orientieren kann. Einzig eine ‹Individualethik› der handelnden Personen diene neben Gesetzen (‹Sie spiegeln die Normen einer Gesellschaft›) als moralisches Rüstzeug. Ein Unternehmenskodex mit kollektiven Verhaltensregeln hilft laut Raidl ‹nichts›.»
Noch einmal zurück zu Nahrungsmittelspekulation und Landraub, die mit Beteiligung der Giebelkreuzler vor sich gehen. Im «Raiffeisen Briefing» der «Friends of the Earth» heißt es: «Der Trend zur verstärkten Finanzierung der Nahrungsmittelspekulation in den vergangenen Jahren hat die Nahrungsmittelpreise am Weltmarkt gesteigert, ohne dass dies mit Angebot und Nachfrage zusammenhängt.» Nach dem Bericht vertreiben zahlreiche Finanzinstitute in der EU Investmentprodukte, die auf Nahrungsmittelspekulation basieren. Gleichzeitig wurden in den letzten Jahren große Mengen Agrarland in Staaten mit mittlerem und niedrigem Einkommen aufgekauft – mit negativen Auswirkungen auf Gemeinden, Menschenrechte und die Umwelt. Banken erleichtern direkt oder indirekt diese Geschäfte – durch Bereitstellung von Krediten, Investitionen oder Beteiligung in oder an Agrar-Fonds.
Weiter heißt es: «Ziel dieses Berichts ist, die Beteiligung der österreichischen Bankengruppe (Raiffeisenbank International, ihre Mutter Raiffeisen Zentralbank und deren Töchter) an Nahrungsmittelspekulation sowie an der direkten und indirekten Finanzierung von Landraub zu erforschen.» Folgende harte Fakten konnten ermittelt werden:
Maßgeschneiderte Spekulation
«Die Raiffeisenbank International betont auf der Website, dass sie maßgeschneiderte Lösungen anbietet, um die Kosten der Beschaffung von Nahrungsmitteln zu limitieren oder den Verkauf von Nahrungsmitteln abzusichern. Spezielle Swaps und Optionen für verschiedene Märkte – für Nahrungsmittel wie Zucker, Weizen und Mais – werden genannt.»
«Die Raiffeisen Centro Bank (RCB) offeriert eine Reihe verschiedener Zertifikate, die mit Agrarprodukten verbunden sind. Sie erlauben die Beteiligung an der Wertentwicklung eines Warentermingeschäfts oder eines Warenindex.» Bei diesen Geschäften sind abenteuerliche Spekulationen auf steigende und sinkende Preise ebenso wie die volle Kapitalabsicherung am Ende des Anlagezyklus möglich.
RCB wird ferner als institutioneller Großinvestor in den 2006 aufgelegten Ceres AgriGrowth Investment Fund bezeichnet, der in Bulgarien von einer privaten Gesellschaft zur Kapitalbeteiligung aufgelegt wurde. Ceres ist mit mehr als 20.000 Hektar einer der größten Grundstückbesitzer in Bulgarien und bestrebt, den Ankauf von Agrarflächen auf ausgewählte Gebiete zu konzentrieren.
Mit von der Partie ist auch Raiffeisen Capital Management (RCM) seit 2009 mit einem eigenen Raiffeisen Active Commodities Fund, der für private und institutionelle Anleger gedacht ist und für den eine Behaltefrist von mindestens acht Jahren empfohlen wird. Per 31. Jänner 2012 waren immerhin bei 44,4 Millionen Euro in den Fonds angelegt. Für Investoren, die mindestens 75.000 Euro loswerden wollen, bietet RCM überdies den VIPclassic mit unterschiedlicher Zusammensetzung – Nahrungsmittel nicht ausgeschlossen.
Zwei Arten der Beteiligung
Neben der Spekulation mit Nahrungsmitteln lässt Raiffeisen die Gewinnchancen nicht aus, die der Landraub weltweit bietet. In dem Bereich wurden zwei Beteiligungsformen untersucht. Einerseits Darlehen und Kredite von Raiffeisen-Instituten für Gesellschaften, die in dem Geschäft tätig sind, und andererseits die Übernahme von Aktien dieser Firmen. Der Aktienbesitz beläuft sich nach den Recherchen im Auftrag der «Friends of the Earth» auf verhältnismäßig bescheidene sieben Millionen Euro. Im Vergleich dazu kann sich der Anteil an Krediten für Gesellschaften, die auf Landkauf spezialisiert sind, mit 289,2 Millionen Euro sehen lassen. Wobei auch hier ohnehin der Wille fürs Werk gilt.
Falls der Raiffeisen Verband tatsächlich eine interne Kontrollfunktion hat: Hier existiert ein weites Feld, in dem die Einhaltung des Code of Conduct zu prüfen wäre. Aber wie sagt Raidl? – Ein Unternehmensknigge «hilft nichts!»