Lasst uns zählen!tun & lassen

Illustration: (c) Thomas Kriebaum

Klimazone (November 2024)

Tagpfauenauge, Zitronenfalter und der Admiral: Das sind nicht nur die einzigen Schmetterlinge, die ich beim Namen kenne, es sind auch die Schmetterlinge meiner Kindheit. Sie flatterten durch den Garten oder begleiteten mich auf Wanderungen. Heute krieg ich sie selten zu Gesicht. Das liegt nicht nur daran, dass ich heute im Unterschied zu damals weniger Zeit draußen verbringe, sondern auch, dass sie seltener anzutreffen sind.
Unseren Schmetterlingen geht es ziemlich schlecht. Rund die Hälfte der Tagfalterarten, die in Österreich vorkommen, stehen auf der roten Liste, sind also vom Aussterben bedroht. ­Schmetterlinge reagieren schnell und empfindlich auf Umwelteinflüsse. Geht es den Schmetterlingen schlecht, dann sagt das auch etwas über den Zustand der Natur. Sie sind Bioindikatoren, zeigen also durch ihr Verschwinden an, wenn Landwirtschaft zu intensiv betrieben, die Luft zu stark verschmutzt oder der Pestizideintrag zu hoch wird. Erholen sich Schmetterlingspopulationen, ist das ein gutes Zeichen, dass sich die Umweltbedingungen verbessern und die Naturnähe zunimmt. Deshalb ist das Schmetterlingszählen eine gute Sache. Es ist in letzter Zeit aber in Verruf geraten. Landwirtinnen und Landwirte müssen nun Schmetterlinge zählen, lautete ein Einwand gegen das euro­päische Renaturierungsgesetz.
Das Renaturierungsgesetz hat die Wiederherstellung von Ökosystemen zum Ziel. Es geht also nicht allein darum, die Natur zu schützen, sie muss sich erholen, und ob sie das tut, wird unter anderem anhand der Schmetterlinge festgestellt. Wenn es um das Artensterben geht, dann waren die meisten Initiativen der letzten Jahre erfolglos. Die letzten globalen Ziele, die sogenannten Aichi-­Ziele, wurden komplett verfehlt. Von den insgesamt 20 Zielen ­wurde kein einziges erreicht. Die neuen, globalen Ziele sehen vor, dass bis 2030 30 Prozent der Erde unter Schutz gestellt werden sollen. In der EU ist dieses Ziel so gut wie erreicht und auch in Österreich stehen offiziell 29 Prozent der Landesfläche unter Schutz. Doch formaler Schutz ist nicht ausreichend. Das sieht man gut hierzulande. Denn streng geschützt, in Form von Nationalparks und Wildnisgebieten, sind nur drei Prozent. Und schon öfter wurde Österreich von der EU gerügt, weil Österreichs Europaschutzgebiete, die Natura-2000-Gebiete, nicht ausreichend geschützt sind. Es fehlt an konkreten Zielen und Erhaltungsmaßnahmen. Doch genau die wären notwendig, denn sonst ist nicht klar, warum etwas geschützt ist, und noch weniger ist klar, ob die Maßnahmen was bringen. Ist an einem Flusslauf beispielsweise nicht definiert, welche Fischarten geschützt sind, können Bauvorhaben, wie etwa Wasserkraftwerke, nicht richtig auf ihre Umweltverträglichkeit hin bewertet werden.
Schmetterlinge zu zählen, mag auf den ersten Blick kleinlich wirken, doch es ist ein guter Weg, um herauszufinden, ob Schutzmaßnahmen wirken und die Natur sich erholt. Und das Zählen wird auch weiterhin Aufgabe von Expertinnen und Experten bleiben. Denn sie können weit mehr als drei Schmetterlingsarten identifizieren.

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