Manche Momente sind flüchtig. Auch flüchtiger und viele Menschen sind auf der Flucht vor ihren Gefühlen, weil sie zu viel davon haben oder auch zu wenig. Brennschnur der Liebe. Barrikade als Damm. Dämmerung im Morgengrauen nach einer durchwanderten Nacht. Alles riecht nach Spätherbst, die goldenen Blätter leeren die Bäume, beschneien den Erdboden. Den Boden unter den Füßen verlieren – wahrscheinlich eines der größten Wagnisse des menschlichen Seinsorts. Flieger des Überganges – manchmal wird man getragen wie von einem Helikopter mit einer geschickten Pilotin oder einem wahnwitzigen Piloten, der sich einer Mutprobe stellt und Loopings ausprobiert. Und man fällt – mitten in den Donaukanal, Fluss, Strom, der dich mitreißt. Was ist die Alternative? Im Käfig wie Gefangene auf und ab zu marschieren, den Spiegel an der Wand sprengen, der doch immer wieder nur dich mit deiner spröden, ungesalbten und in den Gesichtszügen eingerosteten Visage widerspiegelt? Leuchten der Angst. Spritze der Zukunftsaussicht, die winkt und dir eine neue Spange fürs Haar zeigt. Der Baum hat das alles bereits verstanden. Er stellt sich dem Wandel, findet einen Ausweg zu wachsen – in schier unaussichtlichen Situationen. Auch im Entwurzeln wittert er oft noch eine Chance. Der Moment ist flüchtig. Er existiert nur für jetzt und am nächsten Abend tritt das Gegenteil in Erscheinung. Flüchtiger als die Zeit sind seine Ansinnen – des Momentes. Und doch und doch purzelt am Ende die Liebe aus seinen Poren – aus allen kleinen und großen. Mit Sicherheit der beständigste Moment zwischen uns beiden. Ich trage den Koffer der bunten Herbstblätter in meiner rechten Hand und den Plastiksack voll prophylaktischen Schnee in der linken. Vorsorge. Ich sorge dafür, dass es schneit, schneien wird. Moment. Mein Einfluss fehlt – mag ich auch im Fluss der Zeit sein. Ein Fuß, zwei Schenkel und das dritte Auge. Reicht das für ein Leben oder nur eine Momentaufnahme? Niemand fragt und niemand dementiert. Einbruch der Finsternis, kalte Hände. Schneeluft. Wie gut, dass mein linkshändiger Sack voller Schnee war – sonst wäre der Sommerduft angeschneit gekommen. Für einen Moment habe ich die Einhaltung der Jahreszeiten gerettet, vielleicht sogar den Klimawandel gestoppt. Welch größenwahnsinniger Moment, der gleich vergeht, wie der Gletscher schmilzt. Schneeverrichtung. Menschheitsdienst. Irrwitziges Blätterrauschen. Gelb-orange Ware. Kahl werdende Abbausignaturen. Neues Narratives der Bäume. Langer Moment. Wechsel. Jetzt ist die Katze aus dem Sacke. Es gibt nichts herumzudrucksen. Gestohlen und entfacht am Haus Holunder mit den vielen Daten. Alles hat sich entfaltet wie eine Raupe zum Schmetterling. Wir haben dem Seelenbaum auf die Welt geholfen. Unsere Pflicht ist erfüllt. Wir sind wie reinkarniert. Unsere Verbundenheit – ein seidener Spinnenfaden ohne Netz. Wir haben die Vergangenheit zurechtgerückt – sie in die richtige Richtung gerückt. Es gibt nichts zu vertuschen. Heilig ist der Sturm, der über uns gegangen ist. Ob eine Privataudienz etwas ändern könnte oder ob es bleibt bei dieser Stille, diesem Umnichten, einander begegnen. Es ist vollendet. Das Lavendelbüschel im späten Herbst lächelt. Gierig pflücke ich es. Es war doch für mich gemacht, gewachsen.