Lokalmatador
Petar Tyran ist ein wichtiges Sprachrohr für die Burgenland-Kroat_innen. Wie lange noch?
Text: Uwe Mauch, Foto: Mario Lang
Ein Empfang im Kroatischen Zentrum in der Schwindgasse im 4. Bezirk: Wo Licht ist, wo es kurz aufblitzt, dort ist auch er. Mit seiner Kamera in der Hand und dem Notizblock in der Sakkotasche sowie gutem Auge und vor allem sehr hoher Geschwindigkeit sammelt Petar Tyran wieder einmal die Highlights der Veranstaltung ein.
In einem einzigen Jahr legt der Chronist der Wochenzeitung Hrvatske Novine (deutsch: Kroatische Nachrichten) mit seinem Wagen gut und gerne 50.000 Kilometer zurück.
Der Grund für diesen respektablen Aktionsradius ist das Siedlungsgebiet der Burgenlandkroat_innen (kroatisch: Gradišćanski Hrvati). Sie waren nach den Türkenkriegen im 16. Jahrhundert aus dem heutigen Grenzland zwischen Kroatien und Bosnien in die devastierten Ländereien gerufen worden, um sie neu zu bewirtschaften. Bis heute leben sie weit über Wien und das Burgenland hinaus in der Steiermark sowie in Ungarn, der Slowakei und in Tschechien.
Alles in einem.
Der gelernte Slawist ist jedoch mehr als der Societyfotograf einer traditionsreichen Volksgruppe. Seit 36 Jahren ist die Wochenzeitung mit seinem Namen untrennbar verbunden. Peter Tyran ist ihr Chefredakteur, ihr Cheffotograf, ihr Cheftexter, Chefkorrektor, Chefgrafiker, Cheflektor sowie Chefsekretär – alles in Personalunion.
Als «lebende Subvention», so lautet der Terminus in einer Abmachung der Volksgruppe mit der Bundes- und Landespolitik, ist er der einzige angestellte Mitarbeiter der Zeitung. Und das ist leider fatal.
«Ljeto 111» steht unter dem Titel auf der ersten Seite. 111 Sommer bzw. Jahre haben die 1910 in Györ/Raab/Jura gegründeten Hrvatske Novine kommen und gehen gesehen. Zum Feiern ist jedoch niemandem zumute. Denn es mehren sich die Anzeichen, dass die wichtigste Stimme der Volksgruppe bald verstummen wird.
Petar Tyran könnte, so er das möchte, im Herbst in den wohlverdienten Ruhestand wechseln. Das wird der Burgenlandkroate aus Neudorf (Novo Selo) jedoch nicht so leicht übers Herz bringen. Denn aus dem Bundeskanzleramt wurde ihm bereits vor der Ibiza-Affäre im Vorjahr signalisiert, dass man die «lebende Subvention» auslaufen lassen möchte.
«Das wäre das Ende der Zeitung», weiß der Chefredakteur. Und er erläutert auch gleich den irreparablen Schaden, der dann entstehen würde: «Wir haben ja nicht nur den Anspruch, die Volksgruppe umfassend zu informieren. Wir wollen unseren Leuten auch ihre eigene Sprache näher bringen, um unsere kulturelle Identität am Leben zu erhalten. Daher berichten wir nach Möglichkeit über alle Bereiche des täglichen Lebens.»
Dringend notwendig erscheint ihm diese konkrete Form der Bildungsarbeit, denn den Burgenlandkroat_innen droht schon in der nächsten Generation die vollständige Assimilation. Petar Tyran fragt daher mit berechtigter Sorge: «Was hilft uns unser überdurchschnittlich hoher Anteil an Akademiker_innen, wenn keiner mehr unsere Sprache spricht?»
Rasender Reporter. Die Zeit drängt. Er muss schon wieder los. Fünf Tage pro Woche fährt der Chronist in Nicht-Corona-Zeiten von Empfang zu Event, von Konferenz zu Festivität. An den restlichen beiden Tagen ruht er sich nicht aus. Da produziert er die 36 Seiten der Zeitung, die ungeachtet seines Urlaubsanspruchs 52 Mal pro Jahr in einer Auflage von 3000 Exemplaren erscheint. «Hilfreich ist, dass ich noch nie ernsthaft krank war.»
Tyran ist mit Leib und Seele bei der Sache. Er wuchs in dem kleinen Ort Novo Selo bei Parndorf auf. «Damals», erzählt er mit einem verschmitzten Lächeln, «gab es Hiebe für all jene, die uns auf dem Fußballplatz abschätzig ‹Krowodn› riefen.» Früh hat er erkannt, dass seine Volksgruppe keine Bedrohung, sondern eine Bereicherung für sein Land darstellt.
Man könnte einwenden, dass sich der Aufwand für die Wochenzeitung aufgrund der langsam schwindenden Sprachkompetenz seiner Landsleute ohnehin nicht mehr lohnt. Doch so einfach will der Angestellte des kroatischen Pressevereins die Republik nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. Er verweist auf den Artikel 7 des Staatsvertrags 1955 und auf das Volksgruppengesetz aus dem Jahr 1976: «Österreich ist gesetzlich dazu verpflichtet, die autochthonen Volksgruppen zu beschützen und ihren Weiterbestand zu sichern. Dazu gehört auch die Förderung ihrer Medien.»
Schon seit Jahren käme die Republik ihren Verpflichtungen nicht genügend nach, kritisiert Petar Tyran. «Sollte sich das in den nächsten Monaten nicht ändern, wird schon bald die letzte Ausgabe erscheinen.» Spricht es, und macht sich auf den Weg nach Veliki Borištof bzw. Großwarasdorf.