Zum Ableben von Rudi Lehner
Drei Monate nach dem Tod seiner Frau Traude ist Rudi Lehner im 59. Lebensjahr gestorben. Dem Augustin war er über 15 Jahre lang verbunden, als Verkäufer, in der Theatergruppe, beim Tischtennis, als Autor und F13-Aktivist.
Text: Jenny Legenstein
An einem Mittwoch Ende April kam die Nachricht «Der Rudi ist gestorben.» Sein krankes Herz hat aufgehört zu schlagen. Und auch wenn Rudi schon länger gesundheitliche Probleme hatte und zuletzt öfter im Spital war, kam sein Tod doch überraschend und allzu früh.
Der gebürtige Ebreichsdorfer war begeisterter Margaretener. In seinem Wohn- und Lieblingsbezirk sowie am Naschmarkt verkaufte er den Augustin. Beim Augustin dockte Rudi 2005 an. In einem Interview für sein Augustiner-Porträt (erschienen 2019 im Augustin 488) erzählte er, wie es dazu kam. Nach zwei Scheidungen, Alkoholproblemen und Jobverlust war er ganz unten angekommen und kontaktierte die Straßenzeitung. Anfänglich lief die Zeitungskolportage recht zäh, erinnerte sich Rudi, denn er sah diese nur als Zwischenschritt auf dem Weg zum Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt. Erst als er erkannte und akzeptierte, «dass die Arbeitswelt mich nicht mehr braucht», änderte sich das. «Das Augustin-Verkaufen habe ich dann so gestaltet wie in meinem Beruf – ich war im Verkauf im technischen Vertrieb –, und von dem Moment, wo ich zu diesem Produkt gestanden bin und mit Leidenschaft verkauft habe und mit Überzeugung, hat es auch funktioniert.»
Mit Leidenschaft und Überzeugung widmete sich Rudi auch anderen Projekten. Er war kreativ in der Schreibwerkstatt, war einer der Autor:innen, die Rezensionen für die KulturPASSage schrieben, gab den Anstoß zur Gründung der Tischtennisgruppe Vorwärts-Rückhand, wo er bis zum Vorjahr Pingpong spielte, und war Mitglied vom 11 % K. Theater. Dort lernten er und Traude sich kennen. Die beiden heirateten, und ebenso wie Traude engagierte sich Rudi bei der österreichischen Armutskonferenz und setzte sich als kreativer Aktivist mit Charme und Improvisationstalent auf Augustin-Aktionen wie F13 für Öffi-Freifahrt, gegen Bettelverbote und den öffentlichen Raum als Freiraum ein.
The Miracle of Life
Rudi Lehner schrieb diesen Text, den er für den Literaturpreis Fit For Life 2021 einreichte und damit auch in die engere Auswahl der Jury kam. Hier einige kurze Auszüge daraus:
Ich habe lange überlegt, ob ich über mein Leben erzählen will, über ein Leben, das sich als Wellental aus Höhen und Tiefen gestaltet hat. Jetzt will ich das, weil mir heute bewusst ist, dass auch jener Teil im tiefsten Tal, der mich sogar obdachlos werden ließ, untrennbar ein Teil von mir ist, der zu meinem Leben gehört. Diese Entscheidung bzw. beinahe das Bedürfnis, über meine Alkoholkrankheit und vor allem über die damit verbundenen Folgen zu schreiben, war ein langer Prozess. In Wahrheit bedurfte es mehrerer Therapien und der Unterstützung meiner Familie. (…)
Ich war ein «behütetes Kind», mir war eine äußerst glückliche Kindheit beschert. Obwohl ich noch zwei Schwestern habe, übrigens Zwillinge, hat es uns tatsächlich an nichts gefehlt. Ich verwende diesen geflügelten Ausdruck, weil er zutreffend ist und weil damit viel mehr verbunden ist als eine finanzielle Sicherheit. Wir haben als Familie sehr viel miteinander unternommen, ob Tagesausflüge oder gemeinsame Aktionen im Haus oder im Garten. (…)
In Ybbs lernte ich Ernst kennen, mit dem mich bis heute eine wunderbare Freundschaft verbindet. Ernst hat mir von dem Sozialprojekt der Straßenzeitung Augustin erzählt, er war dort damals schon als Verkäufer tätig. Mir hat dieses Projekt sofort enorm gefallen und ich habe, nach Beendigung meiner Therapie, als Verkäufer dieser Straßenzeitung begonnen. Neben dem kleinen Zusatzverdienst durch den Verkauf werden dort auch Freizeitaktivitäten angeboten, Beschäftigungen außerhalb der Wirtshäuser. Endlich, so viel Positives auf einen Schlag. (…) und ich habe mich der Augustin-Theatergruppe angeschlossen. Ich spiele seit meinem 19. Lebensjahr Theater, nun konnte ich auch diesem Hobby wieder nachgehen. Ich hatte also wieder ein Leben, konnte soziale Kontakte schließen und habe viele echte Freunde gewonnen. (…)