Leistbare Pflegetun & lassen

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Das Pflegegeld reicht nicht aus, um die notwendige Pflege zu decken. Bei Pflegestufe IV, das bedeutet mehr als 160 Stunden Pflegebedarf im Monat, liegt der Deckungsgrad zwischen 9 und 26 Prozent. Das hat der Rechnungshof gerade veröffentlicht. Weit mehr als zwei Drittel müssen die Betroffenen also selbst aufbringen. Wer kann sich das leisten?Diese hohen Kosten in der Pflegebetreuung haben strukturelle Ursachen. Pflegebedürftigkeit ist neben Krankheit und Arbeitslosigkeit zu einem großen Lebensrisiko geworden, das allerdings nicht über solidarische Sicherungssysteme abgesichert ist. In seiner Familie mit Pflegebedürftigkeit konfrontiert zu werden, kann jeder und jedem passieren. Trotzdem wird Pflege weitgehend als privates Risiko betrachtet, für das jeder selbst aufzukommen hat. Nirgendwo im Sozialsystem gibt es so hohe Selbstbehalte, nirgendwo wird so rigoros auf das eigene Vermögen und das der Angehörigen gegriffen wie im Pflegefall.

Wird im Krankhaus noch auf hohem Niveau für uns gesorgt, sind wir, gelten wir als austherapiert, auf uns allein gestellt oder werden im höheren Alter zum Fall für die Sozialhilfe. Die Trennung von Gesundheit und sozialer Betreuung hat eine lange interessensgestützte Tradition in Österreich. Im Gesundheitssektor ist Geld da, für die soziale Pflegebetreuung nichts mehr.

Deswegen werden 80 % der PflegegeldbezieherInnen hauptsächlich durch einen Familienangehörigen betreut. Familie heißt von Frauen. Frauen sorgen sich zuerst um die Kinder, dann pflegen sie selbstverständlich ihre Eltern, und am Schluss den Ehemann. Das ist nicht fair. Und die Lobpreisungen auf die Angehörigenpflege bekommen in diesem Kontext ein dickes Fragezeichen. Mehr als die Hälfte der pflegenden Frauen sind zwischen 40 und 60 Jahre jung. Was bedeutet, dass sie selbstverständlich ihren Job aufgeben, massive Einkommenseinbußen haben, sich also für das eine oder das andere entscheiden müssen.

Das muss nicht so sein, auch in Schweden werden 80 % der Pflegebedürftigen von Familienangehörigen betreut, da gibt es aber eine bunte Palette von Dienstleistungen, die die Familien unterstützen. Ich habe mir das gerade in Stockholm und Umgebung angeschaut: Tageszentren für Demenzkranke oder mobile Dienste, die man sich mehr als drei Stunden am Tag leisten kann. Öffentliche Investitionen sind dort notwendig, wo die Pflegebetreuung wohnortnäher, für die Betroffenen selbstbestimmter und für die Angehörigen entlastender werden soll. Es gibt eine Betreuungslücke zwischen dem Angebot der bisher etablierten mobilen Dienste mit höchstens drei Stunden am Tag und der bis zu 24 Stunden Betreuung zu Hause. In diesem Bereich liegt ein großer Teil des Bedarfs an professioneller und leistbarer Unterstützung für die häusliche Betreuung und Pflege: Ausbau der mobilen Dienste, Teilzeitbetreuung durch Heimhilfen und Pflege-Entlastungsdienste, Nachtdienste, Pflegenachtnotruf, Kurzzeitpflege zu Hause, koordinierte Nachbarschaftshilfe, betreutes und betreubares Wohnen, teilstationäre Angebote wie Tages- und Nachbarschaftszentren.

Das Pflegegeld wird nie reichen, wenn die notwendigen Dienstleistungen so teuer sind und schon überhaupt nicht, wenn es sie gar nicht gibt.

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