Lernen fürs Leben?tun & lassen

Ganztagsschulen und Halbtagsjobs

Eine Bekannte erzählte mir letztens, warum sie ihre Tochter im September in eine katholische Privatschule schickt. Die Familie ist gänzlich unreligiös, die Kinder sind nicht getauft. Aber: «Die Schule ist nicht teuer und vor allem eine der wenigen Schulen, die Nachmittagsbetreuung inkludiert haben», so die Mutter.In Wien bieten von rund 270 Volksschulen nur 41 eine Ganztagsbetreuung an, und nicht alle Bezirke sind gleich gut ausgestattet. In vielen Schulen, die sich die Familie der Bekannten angeschaut hat, läuft der Unterricht bis 12 Uhr Mittag. «Und wenn man dann schaut, wer die Kinder abholt, sieht man: Es sind fast nur Frauen», erzählt sie. Dass jemand, der um 12 Uhr Kinder abholen muss, schon Schwierigkeiten hat, einen Halbtagsjob zu machen, liegt auf der Hand. In Österreich hat fast jede zweite erwerbstätige Frau einen Job unter 30 Stunden. Und während in Schweden rund 90 Prozent der Väter in Karenz gehen, sind es in Österreich noch nicht mal 20 Prozent. Gründe dafür sind traditionelle Rollenbilder, der Gender Pay Gap und Betreuungsangebote. Auch die Bekannte, Akademikerin, ging in Karenz, im Gegensatz zu ihrem Mann, der in seinem Beruf mehr verdient als sie. Jetzt hat sie einen 25-Stunden-Job, der nicht wirklich ihrer Qualifikation entspricht. Klar also, dass es mehr öffentliche schulische Ganztagsangebote braucht und das im Bildungsreformpaket angekündigte Vorhaben, diese österreichweit auszubauen, schon mal ein kleiner Schritt in die richtige Richtung ist. Wenn das dann auch tatsächlich klappt. Denn im Land der Verteidigung privilegierter Bildungspfründe und des Bilds von der «Rabenmutter» ist die Selbstverständlichkeit, sein Kind um 15:30 oder gar erst um 17:30 Uhr wo abzuholen, immer noch nicht gegeben. Inhaltlich würde sich auch immer noch die Frage stellen, wie das gestaltet sein kann. Die Bekannte etwa findet an der Schule ihrer Tochter toll, dass am Nachmittag Freizeitpädagogik angeboten wird und die Kids zu flexiblen Zeiten abgeholt werden können. Andere wiederum finden es besser, wenn alle bis zur selben Zeit dort bleiben. Wie auch immer gestaltet: Es ist höchste Zeit.