Lexikon der Sabotagetun & lassen

Geschichten über Betrug, Verweigerung und Schabernack am Arbeitsplatz

Liebe Leserin, lieber Leser, willkommen bei unserer Serie Lexikon der Sabotage! Keine Angst, kommen Sie näher! Treten Sie ein in die verborgenen Regionen des Arbeitsalltags! Wagen Sie einen Schritt in die nebeligen Gegenden der kleinen Gaunereien, des notwendigen Aufbesserns, des ungenierten Mitschneidens, des raffinierten Fälschens, der unwiderstehlichen Gelegenheit, der nicht erlaubten Eigeninitiative, des gierigen Mitnaschens, des unauffälligen Abzweigens, des kindischen Unfugs, der sozialen Rebellion, des sanften Verweigerns, des cleveren Austricksens und des kreativen Schabernacks.Ich schrieb kleine Briefe an die Kunden: Guter Rat einer ehrlichen Mitarbeiterin: Diese Firma bescheißt Sie nur, erzählt eine Lagerarbeiterin. Der Kunde wurde ja schon vom Chef betrogen. Also blieb mir zum Betrügen nur der Chef, stellt ein Mechaniker klar. Andere berichten davon, wie sie in ihrer Firma das Arbeiten nur vortäuschen, Dinge zerstören, gezielt Unruhe stiften, jede Menge mitgehen lassen oder gar ihren Chef in den Ruin manövrieren. Wie sie Taxiuhren manipulieren oder des Nachts die Räumlichkeiten ihres Arbeitgebers heimlich untervermieten.

Was juristisch als Betriebskriminalität bezeichnet wird, sehen die Akteure etwas entspannter als Notwehr gegen schlechte Bezahlung oder schlechte Behandlung und mitunter sogar als Heldentat. Bernhard Halmer und Peter A. Krobath haben mit ihnen gesprochen und ihre Geschichten aufgezeichnet.

90 Geschichten über Betrug, Verweigerung, Racheakte und Schabernack am Arbeitsplatz von den Tätern und Täterinnen selbst erzählt sind in dem soeben im Sonderzahl Verlag erschienenen Buch Lexikon der Sabotage versammelt. Ein paar davon drucken wir hier ab. Und dann geht es weiter: mit brandneuen Sittengeschichten aus den Graubereichen unserer Arbeitswelt.

Ölwechsel/Tankwart

Wenn du dir nicht selbst hilfst, bleibst übrig. Das ist sicher. Auf der Tankstelle war das nicht anders. Was ich dort mit Fixum und Trinkgeld verdiente, machte mich nur ärmer und nicht reicher. Hätte ich nicht ein bisserl nachgeholfen, hätte ich mich nicht über Wasser halten können.

Wenn da einer daherkam, von den Nobelbergen da, Grinzing, Salmansdorf oder Währing, und glaubte, er scheißt aus zwei Löchern, dann brauchte er für seine Fünfsternkutschn natürlich das Feinste vom Feinsten. Und das bot ich ihm. Das billigste Öl kostete 2 Euro 30, das teuerste 25 Euro, aber im Grunde war da überall das Gleiche drinnen. Das billige Öl um 2,30 wurde offen aus dem Fassl geschöpft und das teure Öl eben aus einer Flasche serviert. Beim teuersten Öl schaute die Flasche aus wie eine Champagnerflasche, da musstest dreimal ziehen und zweimal schrauben, bis sie endlich offen war. Egal. Von Bedeutung war nur das eine: Dem Motor ist es wurscht, was er kriegt, dem Schnösel nicht.

Das Prozedere lief folgendermaßen ab: Ich öffnete die Motorhaube und beugte mich drüber. Ab diesem Moment gab es unzählige Möglichkeiten. Ich schaute natürlich als Erstes beim Öl nach ist immer ein gutes Geld und fragte den Kunden, wann er denn das letzte Mal etwas nachgefüllt habe. Wenn er sagte eh erst vor kurzem, sagte ich nichts und schraubte wieder zu. Sagte er mir aber, vor langem schon, oder er weiß es nicht, die meisten wussten es nicht, machte ich ihn darauf aufmerksam, dass da ein Liter fehlt oder zumindest ein halber Liter. Niemand kontrollierte das Messstaberl, und wenn es einer machte, dann zog ich es vor seinen Augen raus, wischte es ab, steckte es wieder rein, natürlich nicht ganz rein, einen Zentimeter ließ ich frei, zog es wieder raus und zeigte ihm, dass da einiges fehlte. Das konnte ich blind. Reine Übungssache.

Also, wo simma. Wir haben zu wenig Öl. Jetzt fragte ich den Kunden: Solls was Gewöhnliches sein oder was Motorschonendes, das auch länger sauber bleibt? Und da schau her: Die meisten wollten das Motorschonende. Ich ging also zum Kasten und holte eine Flasche vom besseren Öl raus, stellte mich vor die geöffnete Motorhaube und beugte mich wieder fachmännisch über den Motor. Auch der Trichter durfte nicht fehlen. Und jetzt ein kleines Kunststück: Ich tat so, als würde ich die Flasche aufschrauben, steckte die verschlossene Flasche in den Filter, zog sie ein bissel auf und ab und dann in einem Bogen heraus und warf sie sofort in den bereit stehenden Ölcontainer. Der war völlig verdreckt, und es kam niemand auf die Idee, da wieder eine Flasche herauszunehmen, um sie zu kontrollieren.

War der Kunde über die Berge, holte ich die Flasche aus dem Container, wischte sie ab und stellte sie zurück ins Regal. Die Computerkasse war für diesen Trick kein Hindernis. Die war erstens so kompliziert, dass sich eh niemand dabei auskannte und außerdem ließ ich sie meistens offen stehen und tippte nur pro forma einen Betrag ein oder machte einfach ein Storno.

Wenn jetzt aber tatsächlich Öl fehlte und der Kunde mein besseres Öl wollte, dann holte ich ebenfalls eine teure Flasche aus dem Regal. Bei der war aber der Verschluss schon gebrochen und bereits das gute, aber billige Rotella-Öl drinnen. Ich hielt dem Kunden die Flasche unter die Nase, wobei ich mit der Hand den Verschluss verdeckte und sagte: Passt die Marke? Super Qualität für den Preis, oder etwas Ähnliches und schraubte sie auf, und der Blechkübel bekam das billige Öl, das hat noch keinem geschadet. Und die Pointe von dem ganzen Theater war: Die Differenz zwischen dem teuren und dem billigen Öl wanderte in meine hintere Hosentasche.