Lexikon der Sabotage, Teil 3tun & lassen

"Lässt sich da nicht etwas machen?"

Bernhard Halmer und Peter A. Krobath haben mit SaboteurInnen verschiedenster Provenienz gesprochen und ihre Geschichten aufgezeichnet. Das umstrittene Buch Lexikon der Sabotage erschien im Sonderzahl Verlag. Der Augustin bringt ausgewählte Bekenntnisse.

Stromzähler. Ein Monteur berichtet

Ich vertrage keinen Alkohol. Wenn ich mich berauschen will, kiffe ich. Vor einigen Jahren lernte ich jemanden kennen, der im Eigenbau sehr gutes Marihuana produzierte. Biologisch-dynamisch, versteht sich. Ich wurde zunächst Stammkunde und schließlich ein guter Freund. So begann meine Nebenkarriere als Engel der Hanfbauern.

Ich arbeitete damals als Monteur bei einem großen Energieunternehmen, und als mein neuer Freund das erfuhr, klagte er mir natürlich sein Leid. Er hatte seine Hanfplantage teils in der Wohnung, teils im Keller, also dementsprechend viele starke Lampen im Dauereinsatz. Das Problem, das sich daraus ergab, war doppelt: Zum einen die hohen Stromkosten, zum anderen die Gefahr, durch die hohen Zählerstände als Plantagenbetreiber erkannt zu werden. Lässt sich da nicht etwas machen?, fragte er. Unbedingt, sagte ich. Und schon waren wir im Geschäft.

Für das Zurückdrehen der Zähler braucht man das richtige Werkzeug. Etliche versuchen es in Eigenregie, fuhrwerken an der Plombe herum, vertauschen die Anschlussdrähte und hinterlassen dabei fast immer eindeutige Spuren. Manche passen nicht auf und haben dann beim Ablesen einen niedrigeren Zählerstand als im Vorjahr, keine gute Idee.

Als Monteur war das alles kein Problem. Ich brach einfach die Plombe auf, drehte den Zähler zurück, nahm meine Siegelzange und verpasste dem Ding eine neue Plombe. Damit es nicht auffiel, reduzierte ich die Stromkosten von meinem Hanfbauern langsam, von Jahr zu Jahr, peu à peu. Er bezahlte mich mit Gras, das war mein Deal mit dem Dealer.

Natürlich hatte der Betreiber der Hanfplantage Freunde mit genau dem gleichen Problem, und die hatten wieder Freunde, und die kannten natürlich auch wen. Ich war baff, wie groß die Szene ist. Ich musste mir Urlaubstage nehmen, um all den Aufträgen nachzukommen. Bezahlen ließ ich mich von den meisten mit Cash, weil zum Rauchen und Verschenken hatte ich schon zur Genüge, danke. Und selbst dealen wollte ich auch nicht.

Eines noch: Würde man Marihuana legalisieren, würden viele im Freien anbauen, und das wäre dann auch ein sinnvoller Beitrag, um den Klimawandel zu stoppen. Von den Steuern ganz zu schweigen, die sich der Staat da einfach durch die Lappen gehen lässt.

Nekrophilie. Ein EDV-Spezialist berichtet

Ich arbeitete fünf Jahre lang als Sekretär für eine Langzeitstudie über Herzkrankheiten im Spital N. Im Spital zu arbeiten machte mir großen Spaß. Ich musste in einem weißen Mantel herumlaufen und kam mir dabei sehr wichtig vor. Das Büro befand sich in einem Untersuchungsraum für Herz-Ultraschall. Die Patienten mussten zu diesem Zweck eine Sonde schlucken. Ich saß da also an einem Schreibtisch in diesem verdunkelten Raum und hörte den ganzen Tag hinter mir nur dieses Würgen der Patienten und die immer gleichen Sprüche der Krankenschwestern: Jetzt denken S an was, was Sie am liebsten essen, und jetzt schlucken, schlucken! Skurril, das fordert verrückte Ideen ja geradezu heraus. Und dann das ganze Spitalsgefüge! So ein Krankenhausbetrieb ist ja eine grausliche Hierarchie. Eifersüchteleien und Intrigen, wohin man schaut.

Ich zog die Krankenhaus-Aktionen mit einem Kollegen durch, weil allein lachen ist halb so lustig. Zum Beispiel klebten wir eines Nachts eine Aussendung in die Ärzte-Aufzüge, auf dem offiziellen Briefpapier vom Magistrat, dass es in mehreren Abteilungen zum Auftreten der gemeinen Pestwespe gekommen sei, plus lateinischem Namen und den üblichen Ansprechfloskeln. Dazu muss man wissen, dass die Abteilungen in den Spitälern oder die Spitäler untereinander die Anrede Löbliche oder Hochlöbliche Abteilung verwenden. Am Anfang habe ich geglaubt, die verarschen mich. Jedenfalls schrieben wir, dass ab jetzt gewisse Sicherheitsmaßnahmen einzuhalten sind: Da sich diese Pestwespen mit Vorliebe in Mullmaterial, Kaffeefiltern und schmutzigen Windeln einnisten, müssen diese Sachen jeden Freitag von 8 bis 11 Uhr abgegeben werden, im zweiten Stock, im Zimmer Soundso. Das war das Vorzimmer des Verwaltungsdirektors. Bis schließlich der Verwaltungsdirektor an alle Löblichen Abteilungen geschrieben hatte, dass das eine Falschmeldung sei, lagen schon einige Müllsäcke vor seiner Tür.

Dieser Erfolg war für uns natürlich ein Ansporn. Wir beschlossen, als Nächstes auch einmal die Patienten und Besucher mit einzubeziehen. Ich arbeitete oft in der Nacht, ohne die Würgegeräusche, und so konnte ich eines Nachts recht unauffällig ein Schreiben in alle Patienten- und Besucheraufzüge hängen. Der Inhalt: Es ist in der Pathologischen Abteilung zu Fällen von Nekrophilie gekommen und alle Besucher, Patienten und das Stationspersonal sind angewiesen, bestimmte Sicherheitsmaßnahmen einzuhalten. Zum Beispiel soll man Verstorbene oder Zugänge zu Verstorbenen nie unbeobachtet lassen und so weiter. Die Aktion kam natürlich ganz schlecht an. Wenn das Krankenhaus nach außen hin schlecht dasteht, ist in der Verwaltung Feuer am Dach. Das war eine Situation, wo ich sehr schnell bemerkte, da sollte ich jetzt nicht zu auffällig darüber schmunzeln oder lachen. Da waren sie ganz sensibel. Und Nekrophilie in der Pathologie, bitte sehr, eine ganz schlechte Performance! Das Lachen hoben wir uns in diesem Fall sicherheitshalber für zu Hause auf.

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